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Sekt für die Nutten - Champagner für uns!

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Zufällig drübergestolpert, und fasziniert festgelesen. Ich mag diese Kategorie, wo Kriege und Soldatentum von "unten", aus der Sicht einfacher Soldaten oder zumindest niedriger Chargen geschildert werden. Mit allen Mühen, Schikanen, Gefahren, dem Dreck, den man fressen muss, während die "oben" es sich gut gehen lassen.

Der deutsche Abenteurer Erwin Rosen (Pseudonym für Erwin Carlé) ist schwer überschuldet und außerdem hat seine Verlobte sich von ihm getrennt. Vor allem aus letzterem Grund lässt er sich 1905 in Belfort in die französische Fremdenlegion einschreiben. In Afrika erlebt er zwei harte Jahre, bevor er es schafft zu desertieren und nach Europa zurückzukehren. Als gelernter Journalist hat er zwar kaum Aufzeichnungen gemacht, aber schafft es nach seiner Heimkehr, die Erinnerungen spannend und realitätsgetreu als Buch herauszugeben. Auch 120 Jahre später ist es noch gut lesbar, abgesehen vom damals üblichen Rassismus (aber auch dieser nicht überschießend). Vor allem erfährt man einiges über die Legion, die ihre glorreiche Geschichte doch etwas entzaubert. Rosen stellt sie als System der Ausbeutung dar, in das man sich freiwillig meldet - ob aus Abenteuerlust oder schlicht um nicht in Europa zu verhungern - das Frankreich ermöglicht, seine Kolonien zu halten und beste Geschäfte zu machen, indem die Legionäre nicht nur kämpfen, sondern schlicht um einen Hungerlohn arbeiten müssen - ihre Arbeitskraft wird an zivile Stellen vermietet! Und wer es wirklich schafft, 5 Jahre durchzuhalten und ehrenvoll entlassen zu werden, der steht erst recht in Frankreich praktisch mittellos auf der Straße, arbeitslos und zu nichts zu gebrauchen als - wieder als Fremdenlegionär!
Das ist auch das Anlass für das Buch, um jungen Menschen die Augen zu öffnen, bevor sie sich aus falscher Romantik für mindestens 5 Jahre in diese Ausbeutung freiwillig hineinbegeben. Rosen geht auch in dreckige Details wie homosexuelle Prostitution unter den Legionären, sagt aber selbst, dass er nur einen groben Überblick geben kann.

Natürlich ist die heutige Fremdenlegion nicht mehr mit der geschilderten zu vergleichen. Die Auswahl und Untersuchungen für die zukünftigen Legionäre sind viel strenger geworden, auch die Bezahlung und Behandlung ist die regulärer Soldaten. Als zeithistorisches Bild ist das Buch aber hoch interessant, auch wenn es keine Kampfhandlungen schildert (z.B. im Vergleich zu Schriften aus dem 1. Weltkrieg wie von Egon Erwin Kisch).

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Wahnsinniger Poster

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Alois Pokora, Sohn eines oberschlesischen Bergmannes, dem durch die Gunst eines Priesters das Studium ermöglicht worden ist, hat als Unterleutnant am ersten Weltkrieg teilgenommen. An der Westfront verwundet verschlägt es ihn mittellos zur Zeit der Novemberrevolution nach Berlin, wo er seinen Platz in der sich neu orientierenden Gesellschaft sucht. Er schließt sich dem Spartakusbund an und nimmt an den Kämpfen mit den Freikorps teil. Doch letztlich zieht es ihn zurück in seine oberschlesische Heimat. Dort formieren sich die Verbände, die um die territoriale Zugehörigkeit Oberschlesiens ritterten, doch lebt dort auch die von ihm abgöttisch verehrte Agnes, mit welcher er in einer BDSM-ähnlichen Hörigkeit verkehrt.

Twardochs Roman ist vor allem historisch interessant und gelingt es dem Autor die Zeit und ihre Umstände auf ungemein spannende Weise zu schildern: Der Hauptprotagonist Pokora schildert in einer fiktiven Ich-Erzählung an seine angebetete Agnes seine Kindheit und Jugend in einer abgelegenen Außenprovinz des deutschen Kaiserreichs, die Schwierigkeiten, als Bergbauersohn vom Bürgertum anerkannt zu werden und die Offizierstätigkeit an der Westfront im ersten Weltkrieg. Der stärkste Teil von Twardochs Roman spielt dann im Berlin der Umbruchszeit der jungen Weimarer Republik, wo die Orientierungslosigkeit durch den Wegfall der alten Obrigkeit und die ungewisse Zukunft besonders drastisch geschildert wird. Der letzte Teil beschäftigt sich dann einerseits mit Pokoras Familiengeschichte, seinem Streben nach persönlichem Glück im neuen Bürgertum und dem Schicksal Oberschlesiens als Spielball zwischen Zweiter polnischer Republik, den Westallierten und dem neuen Deutschland.

 

 

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Posting-Pate

Der neueste Band der "Slow Horses"- Reihe: die Ränkespiele in der Welt des britischen Geheimdienstes werden auf die Spitze getrieben, die Agenten des Slough House werden sowohl von extern als auch von intern ins Fadenkreuz genommen, was deren Chef, Jackson Lamb, ziemlich auf die Palme bringt und zu einigen großartigen Dialogen führt......als interessanteste/amüsanteste Figur könnte er sogar noch mehr im Fokus stehen, aber das Buch enthält zudem so viele Anspielungen auf die britische Politik, Medien und Gesellschaft wie noch nie und auch Herr Putin bekommt sein Fett weg. Das benötigt natürlich auch seinen Raum. 

Mick Herron enttäuscht bisher nie und hält sein extrem hohes Niveau!

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Posting-Pate

Alex Capus begibt sich auf die Spuren des Schweizers Werner Munzinger: 1852 bricht er im Alter von 20 Jahren nach Ägypten auf, zuerst nach Kairo und dann als Handelsvertreter ans Rote Meer. Später führen ihn seine Reisen durch Abessinien und in den Sudan, er nimmt an einem britischen Feldzug teil und wird schließlich zu einem ägyptischen Generalgouverneur.

In einer teilweise witzigen Rahmenhandlung geht es außerdem um einen Journalisten, der ein Portrait eines Malers schreiben soll, sich aber nicht dazu aufraffen kann und lieber über Munzinger recherchiert. 

Wieder einmal gelingt Capus eine historische Aufarbeitung in unheimlich unterhaltsamer und kompakter Form. Nicht viele Autoren können sowas auf nur gut 200 Seiten - ein echtes Lesevergnügen.

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Im ländlichen Ost- Texas werden innerhalb kurzer Zeit die Leichen einer jungen Weißen und eines Schwarzen im Bayou entdeckt. Während der Tod des Schwarzen von offizieller Stelle schnell als Unfall abgetan wird, vermutet der eigentlich momentan suspendierte Texas Ranger Darren Mathews ein rassistisches Hassverbrechen und einen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen. In aufgeheizter Atmosphäre ermittelt er zwischen Trucker- Café, arischer Bruderschaft und Waffenfanatikern.

Sehr gut geschrieben und ein spannendes Portrait und Sittenbild eines Landstrichs im amerikanischen "Nirgendwo"!

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bearbeitet von Lucky Luke

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I'll be back!

Katharina Zweig - Die KI war's!

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Zitat

Dass Algorithmen über Menschen und deren Zukunft entscheiden, scheint unausweichlich zu sein – wir alle sind längst den Urteilen von Künstlicher Intelligenz ausgesetzt: Immer mehr Firmen lassen Bewerbungen automatisiert bewerten, und immer mehr Menschen bekommen Bescheide oder Auskünfte, die durch Maschinen vorbereitet wurden. Doch nicht alle diese algorithmisch getroffenen Entscheidungen sind korrekt, es gibt immer wieder Fälle, in denen KI diskriminiert, Unschuldige eines Verbrechens beschuldigt oder gar Leben gefährdet. Katharina Zweig, vielfach ausgezeichnete Informatikprofessorin, erklärt unterhaltsam und anhand spannender aktueller Fälle, wie wir falsche Entscheidungen erkennen und uns dagegen wehren können. Denn wir sollten wissen, worauf wir achten müssen, damit Algorithmen nach...

 

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Wahnsinniger Poster

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Der Maler und Mediziner Carlo Levi wird 1935 von den Faschisten aus politischen Gründen ins ländliche Lukanien verbannt. Gegenständlicher Roman handelt von der Zeit seiner Verbannung in einer der damals rückständigsten Regionen Italiens, der heutigen Basilikata, in welcher die malariageplagte, bäuerliche Einwohnerschaft schicksalergeben wie seit ewigen Zeiten ihrem kargen Tagwerk nachgeht.

In dem autobiographischen Werk hat Levi lediglich Ortsnamen und einzelne Personen modifiziert. Es handelt es sich um einen berührenden Tatsachenbericht voller eindringlicher Impressionen. Levi schildert die als schändlich empfunden Zustände in der italienischen Provinz. Er erweist sich als genauer Beobachter und beschreibt seine eigenen Erlebnisse, die ärmlichen Zustände, die bürokratischen Hindernisse beim Versuch, Abhilfe zu schaffen sowie den tief verwurzelten Volks- und Aberglauben der ruralen Bevölkerung und hat so eines der literarisch, kulturell und historisch bedeutendsten Werke über den Mezzogiorno geschaffen.

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Kennt das ASB in und auswendig
max90 schrieb am 22.4.2024 um 18:01 :

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Als nächstes 2 Sportbücher.

Babarian Days, Surfen+Autobiografie von Journalist William Finnegan. 

War on wheels

Keirin, ein japanischer Bahnradsport der erfunden wurde damit man darauf setzt und mit dem Geld den Wiederaufbau nach dem 2 Weltkrieg mitfinanziert.

beide Bücher sehr gut gefallen. Kann zwar mit Surfen ansich nicht soviel anfangen, aber die übertriebene Leidenschaft für ein Hobby verstehe ich.

War on Wheels hätte ruhig etwas länger sein dürfen. Das Buch wechselt sich jedes Kapitel ab, einmal Anatomy of a Race wo ein Rennen (das GP Finale am 31 Dezember) beschrieben wird.

In den anderen Kapitel geht es um die Geschichte des Sports kombiniert mit der Geschichte des Landes, der Wiederaufbau, die kombination aus Wetten ist eigentlich illegal aber... der Boom bis zum platzen der Blase (die höchsten Wetteinnahmen, die höchsten Zuschauerzahlen) und der langsame wirtschaftliche und demografische Abstieg/Probleme des Landes und des Sports.

Diesen Teil hätte man ruhig länger gestalten können

 

Das nächste Sportbuch liegt zwar schon rum, vorher gibts aber wieder was geschichtliches

Bart van Loo Burgund

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bearbeitet von max90

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Nachdem 1875 Luciano Mascalzone aus dem Gefängnis entlassen wird, macht er sich auf den Weg in sein apulisches Heimatdorf Montepucchio. Er vergewaltigt eine Dorfbewohnerin und wird wegen der Tat vom wütenden Mob gesteinigt. Das aus der Tat entstandene Kind wird im Erwachsenenalter zum berühmt-berüchtigten Briganten Rocco Scorta Mascalzone, der vor seinem Tod all seinen Reichtum der kathoischen Kirche hinterlässt und seine Nachfahren sohin bitterer Armut und Schande überlässt. Gaudés Werk widmet sich vor allem dem Leben der Kinder des Rocco Scorta und deren Auskommen in Montepucchio.

Die Inhaltsangabe von Gaudés Roman klingt nach einem spannenden Familienepos, doch das Werk bleibt vieles schuldig. Gaudé springt mitunter zu schnell von Epoche zu Epoche, lässt Wendungen unerklärt und stellt die Protagonisten seltsam einseitig dar. Was bleibt ist ein Sittenbild des apulischen Mezzogiorno von der Zeit des Risorgimento bis in die 1960er verknüpft mit einer etwas flauen Familiengeschichte, garniert mit etwas Brigantentum, einem Auswandererschicksal und dem Versuch der Scortas, den vorgegeben Lebensweg zu verlassen und so Schmied des eigenen Schicksals zu werden.

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schmechi schrieb vor 5 Stunden:

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Nachdem 1875 Luciano Mascalzone aus dem Gefängnis entlassen wird, macht er sich auf den Weg in sein apulisches Heimatdorf Montepucchio. Er vergewaltigt eine Dorfbewohnerin und wird wegen der Tat vom wütenden Mob gesteinigt. Das aus der Tat entstandene Kind wird im Erwachsenenalter zum berühmt-berüchtigten Briganten Rocco Scorta Mascalzone, der vor seinem Tod all seinen Reichtum der kathoischen Kirche hinterlässt und seine Nachfahren sohin bitterer Armut und Schande überlässt. Gaudés Werk widmet sich vor allem dem Leben der Kinder des Rocco Scorta und deren Auskommen in Montepucchio.

Die Inhaltsangabe von Gaudés Roman klingt nach einem spannenden Familienepos, doch das Werk bleibt vieles schuldig. Gaudé springt mitunter zu schnell von Epoche zu Epoche, lässt Wendungen unerklärt und stellt die Protagonisten seltsam einseitig dar. Was bleibt ist ein Sittenbild des apulischen Mezzogiorno von der Zeit des Risorgimento bis in die 1960er verknüpft mit einer etwas flauen Familiengeschichte, garniert mit etwas Brigantentum, einem Auswandererschicksal und dem Versuch der Scortas, den vorgegeben Lebensweg zu verlassen und so Schmied des eigenen Schicksals zu werden.

Fun fact: "Mascalzone" = ital. Halunke

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Einst ist eine süditalienische Familie der Arbeit wegen nach Mailand ausgewandert, zurück verblieb die Wohnung im apulischen Barletta, welche mit dem Jahren immer weniger oft besucht wurde und zu verfallen beginnt. Nun wurde der Familienbeschluss gefasst, sie zu verkaufen. Großvater Leonardo reist daher mit seinem Sohn Riccardo und seinem Enkel Nicola nach Apulien, um den Verkauf zu bewerkstelligen.

Die drei Hauptprotagonisten bewegen sich zu ihren Wurzeln, doch jeder verbindet mit Barletta anderes: Für Großvater Leonardo ist es die Heimat, Vater Riccardo hat dort seine Kindheit verbracht, Enkel Nicola reiste nur mehr zum Sommerurlaub in die süditalienische Provinz. So sind auch die mit dem Verkauf verbundenen Emotionen der Männer und die Verbundenheit zur Region sehr unterschiedlich. Balzanos "Damals, am Meer" ist ein melancholischer Generationenroman, der insbesondere die innere Zerissenheit und Entwurzelung der süditalienischen Gastarbeiter, welche sich in Norditalien verdingen thematisiert. Der Roman bietet zudem schöne Stimmungsbilder aus dem Mezzogiorno.

 

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den circle hab ich nie gelesen, muss man aber auch nicht, um every zu verstehen.

nachdem ich utopische/dystopische filme liebe, hat dieses buch natürlich auch gepasst.

v.a. weil bei jedem kapitel die frage mitschwebt, inwiefern es realität oder zumindest nahe zukunft sein könnte. und auch, ob es dann utopie oder dystopie wäre.

ohne behaupten zu wollen, dass es literarisch ein großes werk wäre, empfehle ich dennoch die lektüre der leider 500+ seiten**, weil hier schon schön verpackt in eine geschichte durchaus aktuelle fragen aufgeworfen werden.

** es findet sich im buch selbst auch eine diskussion, ob ein buch mit 500+ seiten überhaupt noch angebracht sein kann.

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  • 3 weeks later...
Surft nur im ASB

King Leopold's Ghost ist ja ein allseits bekannter Klassiker aber im Vergleich zu diesem Buch hier nix als eine seichte Seifenoper. 

Eines der besten Geschichtsbücher die ich jemals gelesen habe, Geschichte spannend gemacht durch eine Vielzahl von Interviews. Mein erstes Buch von David van Reybrouck aber sicher nicht mein Letztes. Wenn man sich nur ein wenig für den Kongo/Afrika interessiert dann ganz große Leseempfehlung! 

 

 

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