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Sechzge!

na samma ned so... zitat eines users vom lf.de:

Rund um die "Schlacht" um die Hendlbraterei...

...oder auch "die fast perfekte rote Aktion"....

....oder auch "warum schalten Polizei und Presse nicht das Hirn ein?":

Tja mei, der Wienerwald. Eigentlich nur eine Hendlbraterei, 99% im Jahr von allen Löwen unbeachtet - aber halt zu ein paar Highlight-Spielen im Sechzger, vorwiegend im Sommer wegen dem Biergarten ein Treffpunkt weil gegenüber dem Stadion gelegen.

Dass sich da blau seit Jahren trifft und somit ums Stadion dominiert - wohl allen roten ein Dorn im Auge. Jetzt ist es ein paar Wochen her, dass ein alter, ziemlich korrekter roter den ich seit Jahren kenne folgende Idee hatte:

"Die blauen trudeln doch eh immer um die Mittagszeit ein, lasst uns doch gleich zur Öffnung reingehen, wenn dann die ersten blauen kommen ist er rot besetzt und die schauen blöd/müssen sich was anderes suchen".

Gute Idee - nur dummerweise gibt´s bei den roten halt genug Schwachköpfe, die so etwas dann ganz stolz ihren blauen Freunden erzählen - das hört sich dann ungefähr so an: "Dieses Jahr müsst´s gar nicht zum Wienerwald kommen, den haben wir ab der früh komplett reserviert.".

Tja, der eigentlich schlaue Plan im vorhinein verraten - 1:0 für Sechzig.

Dann sickert langsam bei den roten durch dass die blauen davon Wind bekommen und man entschließt sich zur Offensive und Finte: Auf allen Homepages verbreitet man, dass der Wienerwald ab 11:30 Uhr Treffpunkt ist. Somit kündigt man an, DEN Treffpunkt rund ums Stadion zu haben.

Der Wienerwald macht ab 10:00 Uhr auf, man traut den blauen anscheinend zu pünktlich zur Eröffnung zu erscheinen und möchte darum selber bereits um 09:00 Uhr vor Ort mit genügend roten sein - DAS hinterfragt in der Presse natürlich niemand. Punkt für rot?

Mitnichten: Blau ist besser organisiert, trifft sich mit rund 50 Mann unweit des Wienerwaldes und wartet bereits etwas früher auf die Öffnung der Hendlbraterei.

Die ersten roten - übrigens auch komplett in schwarz gekleidet, was aber niemand hinterfragt - treffen ein, keine drei Stück wie in der Presse geschrieben sondern wohl ein gutes Dutzend und es kommt wohl - laut Pressebericht - zu einer körperlichen Auseinandersetzung. Rot flüchtet, blau hat sich überwiegend nichts zu schulden kommen lassen außer "auf die Öffnung des Wienerwaldes zu warten".

Nach kurzer Belehrung dürfen einige blaue gehen und ziehen ein paar Meter weiter in den McDonalds zwecks "warm" und "Nahrungsaufnahme". Es trudeln immer mehr blaue ein, auch einige die ein paar Minuten davor noch gar nicht beim Wienerwald waren, auch der Verfasser dieser Zeilen.

Der Zeilenverfasser streift durch Giesing, er trifft den Fanbeauftragten der roten der also auch Bescheid wusste dass da morgens um 09:00 Uhr schon Ärger anstehen könnte, er trifft etliche rote Kleingruppen, alle in schwarz gekleidet, einige einschlägig bekannt, alle einigermaßen sauer dass sie am Wienerwald so wenige waren... ob man´s glaubt oder nicht, die roten haben nicht nur feige Kinder die in der Masse den Lauten machen, sondern da waren echt Leute die zumindest für einen Tag das sagen in Giesing haben wollten - versaut durch die dummheit der eigenen Leute und natürlich den stattlichen Giesinger Haufen.

Aber warum schreibt die Presse eigentlich von "Löwen-Hooligans" und "friedlichen Bayern-Fans"?

Als der Zeilenverfasser wieder zum McDonalds will, ist davor bereits eine Polizeikette. Hm.... eher schlecht, also geht´s ein paar Meter weiter. Von dort kann man beobachten, wie die Polizei den kompletten Mc Donalds zum Wienerwald bringt, darunter auch die ganzen Jungs die definitiv nicht mal am Wienerwald waren. Ob´s geschickt gewesen wäre am Wienerwald die Personalien der Jungs aufzuschreiben, damit man zumindest hier hätte selektieren können?

Hatte man nicht, man lies die Jungs nach kurzer Belehrung gehen, sich mit unbeteiligten vermischen um danach ALLE in Gewahrsam zu nehmen. Dicker Minuspunkt für die Polizei und Pluspunkt für meine Neugierde - wäre ich im McDonalds geblieben wäre ich die nächsten zehn Stunden in Gewahrsam gewesen - weil ich mit Bekannten ratschen wollte. Von evtl. damit verbundenen Nettigkeiten wie Gewalttäter Sport und Stadionverbot noch gar nicht zu reden...

Ok, die blauen in Knast. Die roten inzwischen hektisch telefoniert, das Ergebnis: Kein roter am Wienerwald, kein roter in Giesing in Stadionnähe. Wienerwald, A1, Augustiner Stüberl, McDonalds, Alt Giesing... alles in blauer Hand. Weiterer Punkt für Sechzig.

Die roten irgendwann zum Stadion geführt, von einer grünen Wand durch ein blaues Giesing... das übliche Gepose. Von beiden Seiten.

Im Stadion... ja was war denn das? Gesungen haben´s mehr die roten, dank Stehhalle waren´s auch hin- und wieder lauter (der Verfasser dieser Zeilen saß auf der Haupttribüne). Aber ich persönlich hätte mit einer vollen Gegengerade gerechnet - Sonntag, ein Tag davor Heimspiel der ersten.... so waren´s vielleicht 500 rote mehr, während von uns doch einige in Osnarbrück oder eben vor dem Fernseher zwecks Osnarbrück waren.

Choreo der roten neutral gesehen schön, Support auch ok - es gibt ja keinen Grund das klein zu schreiben - aber die Masse war enttäuschend.

´nen ziemlich wichtigen Punkt haben die roten leider gewonnen, bzw. sogar derer drei - die auf dem Spielfeld. Alles andere wurde durch die Dummheit der eigenen Leute versaut....

...und witziges am Rande: Als der Wienerwald um zehn Uhr aufgemacht hat, waren die blauen im Stadion eingesperrt und sonst noch kein blauer anwesend - die vielen roten die die 1,5 Stunden davor schon durch Giesing gestreift sind hätten ohne Probleme den Wienerwald besetzen können, da war nur weit und breit keiner zu sehen ;))...

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Bester Mann im Team

Schöner, sehr passender, Artikel

Die Abrechnung

Die Fans als Kunden, das Spiel als Event: Der Fußball verliert seinen Charme. So ruppig es früher im Stadion zuging, so schön ehrlich war es auch. Inzwischen ist der Fußball nur noch - nett.

Joachim Stadler leistete noch echte Handarbeit. Am Abend vor dem letzten Saisonspiel kam dem Verteidiger von Borussia Mönchengladbach die Idee, sich irgendwie bei den Fans für die Unterstützung zu bedanken. Stadler besorgte sich vom Masseur ein paar Leinentücher, hockte sich auf den Flur im Mannschaftshotel, nahm einen Edding und malte los. „Unseren treuen Fans“ oder so was, an den genauen Wortlaut erinnert er sich nicht mehr. Ist ja auch schon mehr als zehn Jahre her. „Das war einiges an Arbeit“, sagt Stadler. Die Profis von heute haben es da einfacher. Für die deutschen Nationalspieler war nach dem letzten Länderspiel des Jahres 2007 alles vorbereitet. Sie mussten das Transparent nur noch über den Platz tragen. „Danke Fans. Mit euch zur Euro 2008“, stand darauf, und zu ihrer Ehrenrunde dudelte „Oh, wie ist das schön“ aus den Lautsprechern. Blöd nur, dass die Fans das 0:0 gegen Wales alles andere als schön gefunden hatten. Sie pfiffen.

Die Entfremdung des Fußballs von seinen Fans ist auch in diesem Jahr weiter vorangeschritten. „Ich habe eine Identitätskrise“, sagte Ralf Seeliger, der bei der Jahreshauptversammlung des FC Bayern München als Mitglied mit der Nummer 73 693 angekündigt worden war und dann mit seinem Wortbeitrag die legendäre Wutrede von Uli Hoeneß provozierte. Dabei hatte Seeliger nur angemerkt, dass man mit einem Sektglas in der Hand nun mal keine La Ola hinbekomme.

Der Fußball verliert seinen Charme, das Urtümliche und Archaische, das stets einen Teil seiner Faszination ausgemacht hat. Früher konnte es schon mal passieren, dass einem der Nebenmann in der Kurve – im Wortsinne – ans Bein pinkelte, weil er seinen Platz nicht verlassen wollte. In reinen Sitzplatzstadien gibt es so etwas natürlich nicht mehr. Das Proletariervergnügen Fußball ist familientauglich geworden.

Die Zusammensetzung des Publikums wird zunehmend über den Preis geregelt. In England ist das Volk vom Volkssport Fußball schon weitgehend ausgeschlossen worden. In Deutschland steckt dieser Prozess noch in den Anfängen. Wer in München sein Auto an der Arena parken will, muss dafür zehn Euro bezahlen. Dank solcher Fantasiepreise ist der Stadionbesuch – auch außerhalb der Vip- Logen – immer mehr zu einer Angelegenheit für die gehobenen Kreise geworden. Und als kaufkräftige Kundschaft sind die Fans damit auch für die Werbewirtschaft interessant. Im Berliner Olympiastadion werden sie auf dem Weg zu ihren Plätzen mit Werbemüll überschüttet, von Hostessen belästigt, zu Gewinnspielen genötigt, und je dünner die Stimmung auf den Rängen, desto fetter die Beats aus den Boxen.

Der Radioreporter Manfred Breuckmann hat bereits den „Lärmterrorismus in den Stadien“ gegeißelt; viele Fans klagen, dass vor lauter Kirmes-Techno und Europop-Gedudel kein Platz mehr für eigene Gesänge bleibe: Sämtliche Emotionen werden mit Billomusik übertönt. Am schlimmsten war es nach dem WM-Halbfinale Deutschland gegen Italien in Dortmund. Nach der ersten Enttäuschung rafften sich die deutschen Spieler zu einer letzten Runde durch das Stadion auf; es hätte ein erhebender Moment sein können – dann jagte die Regie „Und dann die Hände zum Himmel“ durch die Boxen.

In solchen Situationen zeigt sich, dass den „Krawattenträgern“ (Frank Rost) das tiefere Verständnis für die Welt der Fans fehlt, für ihre Besessenheit und ihre Bedürfnisse. „Wer glaubt ihr eigentlich, wer ihr seid!“, rief Uli Hoeneß in seiner Wutrede während der Jahreshauptversammlung der Bayern. Seitdem bemüht er sich um mehr Konzilianz. Gerade hat er angeboten, den Fans die Arena zur Verfügung zu stellen, damit sie dort Gesänge und Choreografien einstudieren könnten. Hä? Auch Verpflegung stellte Hoeneß den Fans in Aussicht. So ticken sie. Freibier für alle – und alles wird gut. Als wenn es nur ums Saufen ginge. Wie weit die Funktionäre von den Bedürfnissen des normalen Fans entfernt sind, offenbarte auch Karl-Heinz Rummenigge mit seinem Vorschlag, zwecks Stimmungsaufhellung in der Arena eine Kapelle in der Südkurve spielen zu lassen: „In Holland funktioniert das wunderbar.“

In der Wertigkeit der Klubs sind die Kurvenfans ans untere Ende gerückt. Sie bringen nicht viel Geld – und werden mit symbolischen Gesten abgespeist: einem Sonderzug zum Auswärtsspiel, einem Zuschuss für die Busfahrt oder ein bisschen Mitsprache beim Design des neuen Trikots. Die hochpreisige Kundschaft genießt ganz andere Privilegien. Jörn Andersen, der neue Trainer von Kickers Offenbach, hat der „Sport-Bild“ erzählt, dass er in seiner Zeit als Kotrainer bei Borussia Mönchengladbach von der Marketingabteilung dazu verdonnert worden war, den Gästen in der Vip-Loge kurz vor dem Spiel die Taktik der Mannschaft aufzumalen und zu erklären.

Bayern-Mitglied Seeliger hat in seiner Rede bei der Jahreshauptversammlung von seinen Erfahrungen in den teuren Logen berichtet: „Da werden nebenher wichtige Dinge des täglichen Geschäftslebens besprochen.“ Immerhin ein Viertel der Leute dort hätte ein bisschen was vom Fußball verstanden. Ohnehin drängt in die Stadien immer mehr fachfremdes Publikum – jetzt, da man in den neuen schicken Arenen bequem sitzen kann, nicht schon eine halbe Stunde vor dem Anpfiff auf seinem Platz sein und überdies fürchten muss, nass zu werden. Das echte Fußballpublikum ist vom Eventpublikum übrigens ganz leicht zu unterscheiden. Das Eventpublikum hält David Odonkor immer noch für einen guten Fußballer.

Die Gegenbewegung hat sich längst formiert. Sie nennt sich Ultras und besitzt ihrem Selbstverständnis nach eine Art Alleinvertretungsanspruch gegen den modernen Fußball – dabei ist die Ultra-Bewegung selbst ein Phänomen des modernen Fußballs. Mit ihrer hierarchischen Struktur widerspricht sie dem tieferen Wesen der Fankurve. Die Kurve ist eine anarchische Masse, aus der sich theoretisch jeder erheben kann, indem er im richtigen Moment das richtige Lied anstimmt. So viel Individualismus ist den Ultras suspekt. Was zu singen ist, bestimmt deren Vorsänger. Die Masse folgt.

In Berlin demonstrieren die Ultras gerade ihre Macht. Sie singen nicht mehr, seit Monaten nicht. Die Stimmung im Olympiastadion ist noch miserabler als zuvor. Aber ist bei Hertha deshalb die große Panik ausgebrochen? Der Fußball hat sich neue Publikumsschichten erschlossen, der wahre, echte, gute Fan ist ökonomisch gesehen zu einer vernachlässigenswerten Größe geworden. Er führt noch ein paar Scheingefechte gegen absurde Anstoßzeiten und abstruse Stadionnamen, gegen falsche Farben im neuen Trikot und den Verrat an der Tradition.

Aber was heißt schon Tradition? Jean Löring hat die Vereinsfarben von Fortuna Köln von Schwarz-Gelb in Rot-Weiß geändert – der besseren Vermarktung wegen. Das war Anfang der Siebziger. Die Veränderung ist schleichend vorangeschritten, und irgendwann bemerkt man, dass das, was einem früher unerträglich erschienen wäre, plötzlich ganz normal ist. Das Stadion in Hamburg hat gerade zum zweiten Mal den Namen gewechselt, demnächst spielt die Bundesliga sonntags um eins. Es werden schon noch genügend Leute hingehen. Fragt sich nur, wer?

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 14.12.2007)

bearbeitet von Sim1984

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NCITDOME!!!

1. Stellungnahme zu den Vorkommnissen beim Auswärtsspiel des SV Babelsberg 03 in Ahlen (Westfalen)

Die Ereignisse rund um das Spiel unseres SV Babelsberg 03 bei Rot-Weiß Ahlen lösen immer noch Ohnmacht und Wut aus. Als Fußballfans sind wir immer wieder mit willkürlichen und brutalen Polizeieinsätzen konfrontiert. Als Reaktion darauf initiierten wir die Initiative „Fußballfans beobachten die Polizei“. Die Erlebnisse vom 24. November hatten allerdings eine neue Qualität und wir müssen deshalb die Gelegenheit nutzen, die Öffentlichkeit über unsere Eindrücke vom Auswärtsspiel des SV Babelsberg 03 in Ahlen zu informieren.

Eine Gruppe von etwa 20 jungen Fußballfans trat die Reise zum Auswärtsspiel mit der Bahn an. Begleitet wurden sie von etwa 30 Beamten der Bundespolizei. Während der Fahrt kam es zu einem Schaden an einer Deckenverkleidung des Zuges, sodass alle Anwesenden die Personalien abgeben mussten, diese videographisch erfasst wurden und sich alle Personen einer Durchsuchung unterziehen mussten. Anschließend durften sie die Reise zum Spiel fortsetzen. Trotz der 3:0 Niederlage unserer Mannschaft war die Stimmung unter den insgesamt ca. 100 Babelsberger Fans gut und keineswegs aggressiv. Vor dem Stadion standen alle 03-Fans, unabhängig davon, ob sie mit dem Zug, dem Fanbus oder dem PKW kamen, zusammen. Fans der Heimmannschaft von Rot-Weiß Ahlen waren nicht zugegen, so dass keinerlei Konfliktpotential vorhanden war.

Als der Teil der Fans, die mit dem Zug gekommen waren, sich auf den Weg zum Bahnhof machen wollten, eskalierte die bis dato friedliche Situation. Ursache war offensichtlich das unabgestimmte Vorgehen der eingesetzten Polizeibeamten. Nachdem die Gruppe zunächst einen kürzeren Weg zum Bahnhof eingeschlagen hatte, baten Teile der Beamten, einen anderen Weg zu nehmen. Dieser Bitte kamen die 03-Fans nach. Auf der von der Polizei vorgegeben Strecke standen weitere Beamte, die ohne erkennbaren Grund und unvermittelt Pfefferspray versprühten und dadurch einige Fans verletzten. In dem sich entwickelnden Tumult, wurden zu Hilfe eilende Fans wahllos geschubst, geschlagen und beschimpft. Nun griff sich die Polizei zwei Personen, darunter einen 49 jährigen Mann heraus und warfen sie brutal zu Boden, um sie fest zu nehmen. Der ältere Mann wollte lediglich am Boden liegenden Menschen aufhelfen, ohne zu wissen, dass es sich dabei um einen Zivilbeamten handelte. Bereits hilflos am Boden liegend, benommen vom Pfefferspray, bekam der Mann erneut Pfefferspray direkt in die Augen gesprüht. Die beiden Personen hatten sowohl Schwellungen als auch Blut im Gesicht und lagen mehrere Minuten im Dreck, ehe ihnen Handschellen angelegt wurden und sie zur Wache gefahren wurden. Bei diesem Einsatz zogen sie sich Verletzungen wie schwere Rippenprellungen, Augenreizungen, Überdehnung der Bänder etc. zu.

Mittlerweile kamen Vertreter des SV Babelsberg 03, um sich einen Überblick über die Lage zu machen und die Situation zu beruhigen. In einiger Entfernung sammelten sich Fans der Heimmannschaft, um mit „Fußballfans sind keine Verbrecher“ – Sprechchören ihre Solidarität zu bekunden. Auf dem Rückweg der Zugfahrer zum Bahnhof kam es zu weiteren Verhaftungen, bei der aus einem fahrenden Polizeiwagen Pfefferspray versprüht wurde. Ein Fan, der durch den Pfeffersprayeinsatz benommen zu Boden ging, bekam erneut Pfefferspray direkt in die Augen gesprüht. Allen 03- Fans, die gefesselt und mit schweren Augenreizungen im Polizeiwagen saßen, wurde eine ärztliche Versorgung (Augenspülung), teilweise unter hämischen Kommentaren, verwehrt. Einige durch Pfefferspray verletzte Babelsberger wurden von dazukommenden Ahlen- Fans versorgt. Bei dem älteren 03- Fan, der als erster aus der Polizeigewahrsam entlassen wurde, entschuldigten sich die Beamten, was als Einsicht ob des Fehlverhaltens der Polizei gewertet werden kann.

Abschließend ist zu konstatieren, dass es bei diesem konzeptlosen Polizeieinsatz zu schweren Misshandlungen, vor allem durch Pfefferspray, kam und wir 03- Fans menschenverachtend behandelt wurden.

Zu erwarten sind Strafprozesse und ein – von der Polizei gefordertes – langjähriges Stadionverbot. Rechtliche Schritte gegen die Polizeibeamten werden unsererseits eingeleitet.

Ein weiterer, nicht nur in diesem Zusammenhang wichtiger, Aspekt betrifft die (szenekundigen) Zivilpolizisten.

Bestimmte Zivilbeamte, die seit Jahren unsere Spiele begleiten, versuchen gezielt junge Menschen einzuschüchtern. Bei jeder Gelegenheit versuchen sie gewisse junge Leute namentlich bloß zu stellen und zu demütigen. Das Gefühl des ausgeliefert sein erzeugt psychologischen Druck, der weitere Wut produziert und sich schwer verarbeiten lässt.

Schlichtendes Eingreifen dieser szenekundigen Beamten, etwa in Situationen wie in Ahlen, erfolgt nicht. Stattdessen schauen sie unbeteiligt zu, wie ihre Kollegen eine Prügelorgie vollziehen.

Die Polizei hat eine völlig friedfertige Situation eskalieren lassen und ist mit einer außerordentlichen Brutalität gegen Fans vorgegangen. Ausnahmslos alle Anwesenden waren geschockt von dem erlebten, staatlich legitimierten Gewaltexzess. Einige Polizeibeamte machten den Eindruck, dass die Gewaltanwendung zur Befriedigung ihres Lustempfindens beiträgt. Anders ist es nicht zu erklären, dass sie mit einem genüsslichen Lächeln den Arm eines am Boden liegenden Menschen verdrehen oder bereits hilflos am Boden liegende Personen erneut Pfefferspray in die Augen gesprüht bekommen. Von einem maßvollen, der Situation angemessenen Auftreten der Polizei war zu keiner Zeit etwas zu spüren. Besonders tragisch sind die mentalen Folgeerscheinungen, die immer wiederkehrende Gewalterfahrungen mit sich bringen.

Wir wollen abschließend noch mal klar stellen, dass wir kein undifferenziertes Opfer-Täter-Schema verfolgen. Uns ist bewusst, dass Fußballfans generell nicht immer einfach und mitunter alkoholisiert sind. Doch Fußballspiele sind emotionale Erlebnisse, deren sich professionelle Polizeibeamte bewusst sein müssten. Demnach müssen sie in friedlichen Situationen besonnen handeln und nicht maßgeblich zur Eskalation beitragen.

Hiermit kündigen wir eine Kampagne an, die mithilfe verschiedener Aktionen versucht unsere Situation darzustellen und was derzeit am wichtigsten ist, uns helfen soll, derartige Erlebnisse zu verarbeiten. Wir haben das Gefühl, dass sich die kontinuierlich produzierte Wut auf ein unerträgliches Maß gesteigert hat.

Die Auswärtsreisenden des SV Babelsberg 03

(Kontakt: [email protected])

-------------------------------------

2.

Heute ganz exklusiv ein Leckerbissen der besonderen Sorte. Ein Polizeibeamter , der die Ereignisse der letzten Jahre mitbekommen hat und auch vom Vorfall in Ahlen gehört hat, nahm den Kontakt zur UU Redaktion auf um auszupacken. Er sagt, dass der innere Druck ihn zu diesem Schritt gezwungen hat. Schluss der langen Vorrede, es erwartet euch Unglaubliches:

UU: Schön, dass du uns über die Struktur und das Funktionieren des Polizeiapparates Auskunft erteilen willst. Uns als Betroffene interessiert natürlich, wie solche Polizeieinsätze vonstatten gehen.

MK.: Naja, es gibt eine Dienstbesprechung, bei der vom Einsatzleiter eine Lageeinschätzung erfolgt und wir uns ausmalen, was uns erwarten wird. Naja, wenn man lange genug dabei ist, dann ist so was irgendwie Routine. Aber bei den Einsätzen sind ja sowieso oft auch andere Polizisten dabei, die ihrerseits mehr oder weniger ihr eigenes „Ding“ machen. Beim Einsatz hängt es natürlich von vielen Faktoren ab. Auf alle einzugehen, würde den Rahmen sprengen. Viel ist auch spontan und situationsabhängig. Also an einem ruhigen Morgen kann es schon einige Stunden später richtig abgehen. Oder andersrum, du erwartest sonst was und es passiert nichts. Also im Endeffekt ist das ja dein Beruf und du versuchst ihn gut zu machen. Er nimmt aber auch viel ein in deinem Leben. Was ganz wichtig ist, dass natürlich Risiko vermieden wird. Als wenn du agierst, suchst du dir die Situationen selber aus. Du merkst, dass das Risiko gerade nicht so groß ist, dass irgendwas passiert. Wenn du reagieren musst, was seltener ist, kommst du unfreiwillig in Situationen, hast aber immer noch gute Karten. Mit der Routine, Einschätzungsmöglichkeiten und dem Zusammenhalt kannst du recht viel selber gestalten.

UU: Also Deeskalation steht nicht ganz oben bei den Handlungsoptionen?

MK: Das ist zu vereinfacht dargestellt, denn es hängt von vielen Faktoren ab. Aber überlegt doch mal. Es gibt einen Einsatz, der sehr kostspielig ist. Natürlich macht es dann Sinn, sich die „Arbeit“ zu suchen. Da z.B. Fußballfans ohnehin ein schlechtes Standing haben, kann auch schon mal eine Eskalation provoziert werden. Anschließend heißt es dann: „Da seht ihr! Es ist richtig und wichtig dass wir da sind, denn ohne uns würden die Fans völlig ausrasten.“

UU: Welche Rolle spielt die Gewalt?

MK: Stellenweise eine ziemlich große Rolle. Bei der Polizei sind natürlich auch Leute, die sich gerne mal wixen. In der trainierten Gruppe, die zusammenhält, mit der guten Ausrüstung hast du auch immer gute Karten. Klar, bei großen Dingern, wo dir die Steine um die Ohren fliegen, da bist du auch angreifbar. Aber so ein kleiner Prügeltrupp, der die Situation gut einschätzen kann. Irgendwelche Kameras oder so sind nicht in der Nähe. Da suchst du dir auch nur den geringsten Anlass als Legitimation, da mal durchzukloppen. In Berlin gibt es sogar eine Einheit, die bloß mit den Fäusten, also ohne Pfefferspray oder Knüppel, in die Meute rennt. Im Endeffekt kann dir ja nicht viel passieren. Einen Aufschrei der Ungerechtigkeit gibt es ja ständig. Aber tatsächlich passieren tut dir ja nichts, denn die Kollegen halten natürlich zusammen. Oftmals sind wir ja auch vermummt und wir können sowieso nicht identifiziert werden.

UU: Aber es gibt doch die Pflicht, sich kenntlich zu machen?

MK: Ja schon, aber was wollen die machen, wenn wir sie den Leuten nicht geben. Du verschwindest wieder in deiner Truppe und gut ist. Jeder der Mal vorne in vorderster Front war, hat so was doch schon mal erlebt.

UU: Und die Kollegen halten wirklich immer zusammen?

MK: Ja, eigentlich schon. Natürlich gibt es auch Polizisten, die Gewalt eigentlich ablehnen. Also zumindest nicht so eine krasse Lust verspüren, mal die Sau raus zu lassen. Also ab und an, wenn einige Gewissensbisse haben, fällt auch schon mal ein Wort. Beim Einsatz selber natürlich nicht, aber danach. Aber das passiert ein, zwei Mal und dann haben sich die Leute auch an die Gruppendynamik oder Struktur gewöhnt. Das sind eben auch viele Teilsysteme, die geschickt eine eigene Dynamik entwickeln. Also die Polizeistruktur im Allgemeinen. In einer Einheit, die erstmal so eine bestimmte Rolle übernommen hat, also die, sagen wir mal die schlagkräftigere Gruppenrolle, die ist stabil. Neue Leute fügen sich eher den vorhandenen, etablierten Strukturen. Also im Endeffekt kann man sagen, dass zusammengehalten wird. In juristischen Fragen natürlich gleichermaßen.

UU: Welche Rolle sollen Zivilbeamte übernehmen?

MK: Naja, natürlich auch unterschiedliche. Das müsste mal konkretisiert werden.

UU: Ok, sagen wir mal Szenekundige Beamte und die Spezielleren Beamten beim Fußball oder bei Demos.

MK: Also die Szenekundigen zum Beispiel, die sind eher auf lokaler Ebene tätig. Die stehen in engem Kontakt zur ihren Dienstellen, zu den Vereinen und sind eher auf Kontaktsuche. Sie versuchen zu allen ein moderates Verhältnis aufzubauen. Bei den Fans versuchen sie ab und an durch Zugeständnisse ihre Position zu verbessern. Aber sie werden natürlich formal abgelehnt. Doch hin und wieder gibt es Leute, die sich vielleicht wichtig vorkommen oder sich im Vertrauten wähnen und die erzählen dann auch mal was. Wirklich akzeptiert werden sie nie sein. Sie versuchen Einsätze zu koordinieren, sind mal kooperativ aber ein anderes Mal kann das schon wieder anders aussehen. Also auf den Punkt gebracht, müssen sie vor allem die Leute kennen lernen, die sie später dingfest machen sollen.

UU: Und die Spezielleren?

MK: Naja, die sind ein bisschen von der härteren Sorte. Die haben eben auch eine spezielle Ausbildung. Auch sie versuchen, doch mal mit dem einen oder anderen ins Gespräch zu kommen, sind aber sonst fast noch unbeliebter. Besonders in Situationen, wo die Jugendlichen vielleicht emotional aufgewühlt sind, versuchen sie mal „nett“ zu sein. In solchen psychologischen Extremsituationen ist diese Strategie bei den jungen Leuten durchaus von erfolg gekrönt. Zwar gibt es dieses Credo: „Quatsche nicht mit Bullen“, aber so richtig eingehalten wird das doch nicht. Diese Fußballszenen sind heterogene Massen, da sind die unterschiedlichsten Charaktere dabei, irgendwo, in irgendwelchen Situationen gibt es Löcher.

Mitunter suchen sie sich auch spezielle „Kandidaten“ aus. Die einen entsprechenden Eindruck machen, die man oft sieht, die noch etwas jünger sind. Die werden dann auch mal mit dem Namen angesprochen, auf veränderte, private Lebenssituationen und so weiter. Dadurch zwingen sie ihrem gegenüber eine Zwangsbeziehung auf, die unterschiedliche Reaktionen hervorruft. Oft jedenfalls, schüchtert es die Leute ein. Sie versuchen natürlich auch immer vorne dabei zu sein.

UU: Mal Hand auf´s Herz. Oft hat mensch als Betroffener den Eindruck, bestimmte Polizeibeamte würden unter Schlafmangel leiden oder hätten Präparate zu sich genommen.

MK: Ja, was soll ich dazu sagen. In bestimmten Situationen ist es schon mal so, dass alle, oder einige erschöpft sind. Ich sage mal, bestimmte Sachen sind mittlerweile gesellschaftsfähig, also in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Das sind Sachen die wach machen, aufputschen und ein bisschen kicken. Thematisiert wird so was natürlich kaum, denn es sind eher heimliche, Privat- oder Cliquenmomente.

UU: Ok. Wir müssen das eben gehörte erstmal schlucken. Danke für deine Offenheit, aber trotzdem a.3.a.2.

Also wenn das Interview kein Fake ist, wovon ich ausgehe, dann na bumm!!!

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Bester Mann im Team

Unfassbare Geschichte

Knastbericht Valencia

Selbst mit mehr als einer Woche Abstand fällt es denjenigen, die in Valencia für zwei Tage inhaftiert waren, schwer, die Zeit dort zu schildern. Spricht man die Betroffenen auf ihre Erlebnisse an, so erfährt man, dass diese die Stunden einhellig als schlimmste ihres bisherigen Lebens bezeichnen. Um Euch einen kleinen Eindruck des Erlebten zu geben, hat einer der Beteiligten sich doch zu einem Bericht durchringen können. Zur Erinnerung, nach einem Disput in einer Bar in Valencia waren 12 Schalker (Supporters Club und Ultras GE) am

Abend vor dem eigentlichen Spiel verhaftet worden. Drei weitere Schalker saßen wegen anderer Vorwürfe

ebenfalls ein.

"..als ich mich, mit Handschellen gefesselt, auf der Rückbank des Polizeiwagens wiederfand, der mit Blaulicht

und gefühlten 150km/h durch Valencias Straßen jagte, glaubte ich noch an eine kurze Personalienfeststellung auf der Wache, wo ich zu meiner Überraschung auch noch 11 weitere bekannte Nasen erblickte, die im Treppenhaus herumlümmelten, und der Situation zu diesem Zeitpunkt noch den ein oder anderen humoristischen

Aspekt abgewinnen konnten. Nach etwa einer Stunde des unsäglichen Wartens wurden wir schließlich einzeln in ein kleines Büro geführt. Dort sollten wir ein Dokument unterzeichnen, dessen Inhalt ausschließlich

in Spanisch gehalten war, lediglich ein Dolmetscher, der dem Deutschen allerdings ähnlich mächtig zu sein schien wie man selbst dem Spanischen, erklärte, dass wir die Unterschrift auch durchaus verweigern könnten.

Anschließend ging es wieder zu den Anderen, so dass jeder von uns an eine baldige Freilassung glaubte. Als ich im Folgenden als Erster zum wiederholten Male aufgerufen wurde, waren meine Gedanken sehr schnell wieder beim kuscheligen Hotelbett, bis abermals die Handschellen klickten und ich die Treppe hinab in den

Keller geführt wurde. Dort erblickte ich zwei Spanier, die sich ihrer persönlichen Sachen, Schnürsenkeln, Gürtel usw. entledigen mussten. Ein mit einer Sturmhaube ausgestatteter Beamter wies mich mit einer Geste seines Holzknüppels an, es den beiden Spaniern gleichzutun.

Weniger als fünf Minuten später fand ich mich dann in einer 6m² Zelle wieder. Zu allem Überfluss funktionierte das Licht nicht und auch ein Fenster war nicht vorhanden.Wenigstens hatte ich noch mitbekommen, dass

die anderen auch in den Keller gebracht wurden. So blieben mir immerhin die quälenden Gedanken erspart, alleine zu sein. Einige Zeit später, wie lange genau konnte ich schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr sagen,

da mich mein Zeitgefühl komplett verlassen hatte, bekam ich Gesellschaft in Form eines Spaniers, bei dessen Anblick ich dachte, dass ich innerhalb der nächsten Minuten richtig Probleme bekommen würde, zumal vom

Flur nur wenig Licht in die Zelle fiel. Im Endeffekt ließ er mich aber in Ruhe und nachdem einige Zeit vergangenen war, kam sogar so etwas wie eine Unterhaltung zu Stande, in dessen Verlauf er mir mit Händen und Füßen erklärte, dass er seine Frau verprügelt hatte...Nunja...

Mein erstes, und für die nächsten zwei Tagen einziges, Knastessen bestand übrigens aus einem 0,2l Päckchen Ananassaft und einer kleinen Auswahl an Keksen, dessen Auslieferung mir signalisierte, dass es mittlerweile Mittwochvormittag sein musste. Kurze Zeit später ging es in Handschellen zur erkennungdienstlichen Behandlung, welche das komplette Fingerabdruckprogramm, eine Körpervermessung, Fotos sowie

Speichelproben beinhaltete. Auf dem Rückweg führte mein Weg zunächst nicht wieder ins Loch, sondern in ein kleines Büro, in welchem mir eine Dame als meine Anwältin vorgestellt wurde. Eine Konversation, sei es

auf Deutsch oder Englisch, war leider nicht möglich, weshalb lediglich der Dolmetscher des Vorabends ein, zwei auswendig gelernte Sätze von sich gab, aus denen hervorging, dass außer mir noch 14 weitere Deutsche inhaftiert sind und wir in den nächsten Tagen womöglich einem Schnellgericht zugeführt werden. Meinen

Fragen nach der deutschen Botschaft, einem Telefongespräch oder der Bitte nach Wasser für die Gefangenen wurde keinerlei Gehör geschenkt, so dass ich kurze Zeit später, ohne zu wissen, wie lange der Alptraum noch andauert, was ich zu befürchten habe bzw. was mir überhaupt vorgeworfen wird, wieder gemeinsam mit meinem

Mitbewohner auf den 6 m² saß. Mit der Zeit geht man sich selber auf die Nerven, kann seinen eigenen Körpergestank nicht mehr riechen, hätte ich etwas im Magen gehabt, ich hätte mich vor eigenem Ekel übergeben. Unser Besuch in Form des Fanprojektes und den Schalker SKB machte ebenfalls Hoffnung, am Donnerstagvormittag wieder frei zu sein, wenngleich auch von dieser Seite keine Garantien gegeben werden konnten. Aber konnte man dies Glauben oder war dies nur der Versuch, uns etwas Hoffnung zu geben? Wer ist Freund, wer ist Feind? Unfreiwillig denkt man an die Geschichte von diesem Marco, der zur Zeit in der

Türkei inhaftiert ist und auf seinen Prozess wartet und an den Frankfurter, der ebenfalls nach einem Fußballspiel mehrere Wochen in Spanien einsaß.

Wenigstens öffnete man vorübergehend den Sichtschutz der Stahltüren unserer Zellen, so dass für ein, zwei Stunden die Möglichkeit für alle bestand, sich durch Zurufe zu verständigen. So erfuhr man von anderen, dass die spanischstämmige Anwältin vom S04 uns vertreten wollte, aber wegen Befangenheit abgelehnt wurde. Kein gutes Zeichen! Zur Abendschicht rückten dann auch wieder die Sturmhauben an und so hieß es wieder “no aqua” und “no sleep”.

Jetzt war auch endgültig klar, dass wir statt des Spiels eine weitere Nacht hinter spanischen Gardinen verbringen müssen. Auf Grund unseres Zustandes, der von mangelnder Nahrung, mangelndem Wasser (Trinken durften wir nur während der zwei Mal täglich erlaubten Klobesuche und dann nur die chlorhaltige Brühe aus dem Wasserhahn), dem anhaltenden psychischen Druck und der anhaltenden Kälte geprägt war, wurde es mit fortschreitender Zeit noch unerträglicher, als es ohnehin schon immer war. Selbst der ersehnte Schlaf, der den Aufenthalt zumindest gefühlt verkürzt hätte, sollte uns nicht gegönnt sein, da die Wachleute mit dem Knüppel

vor die Zellentür bollerten und herumschrieen, sobald man eingeschlafen war.

Nach weiteren Stunden stand plötzlich ein Wachmann mit Handschellen mitten in der Zelle, der einem durch Kopfnicken zum Mitkommen aufforderte. Entgegen aller vorherigen Hoffnungen waren diese Handschellen eindeutig ein Symbol, das nicht auf eine baldige Freilassung hinwies. Gemeinsam mit drei anderen Jungs wurden

wir wie an einer Wäscheleine aufgereiht in die Tiefgarage des Gebäudes geführt, in welcher ein Gefangenentransporter auf uns wartete. Kurze Zeit später spuckte uns selbiger in einer anderen Tiefgarage wieder aus. Von hier aus führte uns der Weg direkt wieder in die nächste Zelle. Etwas größer und mit einer kleinen gelben Leuchtstofflampe ausgestattet, vermittelte die neue Zelle, in der Boden,Wand und Decke in einem monotonen Grau kaum auseinander zu halten waren, Endzeitstimmung – gefühlte 2000 Meter unter der Erde ohne irgendeine Chance auf Entkommen. Umso schlimmer die Vorstellung, einen solchen Raum 13

Stunden ganz alleine zu bewohnen, so wie einer von uns Gefangenen es tatsächlich ertragen musste. Ich hingegen konnte meinen spanischen Mitbewohner gegen drei von unseren Jungs eintauschen, so dass ich mich nach 35 Stunden das erste Mal wieder unterhalten konnte. Irgendwann wurde dieser Unendlichkeit zumindest vorerst ein Ende bereitet, indem wir erneut in einen anderen Raum geführt worden sind, wo dann der Pflichtverteidiger, den ich bereits aus dem Kommissariat kannte, auf mich wartete – diesmal sogar in Begleitung eines vernünftigen Dolmetschers. Nun konnte uns auch endlich die panische Angst genommen werden, dass man uns einem Gefängnis zugeführt hatte. Stattdessen

befanden wir uns tatsächlich in einem Gerichtsgebäude. Hier erfuhren wir dann, dass nun alle einzeln zum Anwalt und anschließend auch einzeln zum Schnellgericht geführt werden sollten und es somit acht bis zehn Stunden dauern sollte, bis der Richter überhaupt einmal anfangen würde,über sein Urteil nachzudenken. Zudem erfuhren wir, dass sich sowohl Schalke als auch Leute aus unseren Reihen für uns stark gemacht hatten und teilweise schon vor den Türen des Gerichts auf uns warten sollten. Selten war einer von uns Jungs vor Freude oder Erleichterung den Tränen so nahe wie in diesem Moment. Gegen frühen Abend durften wir dann jeweils im Richterbüro unsere Aussage zu Protokoll geben, wobei wir allerdings im Anschluss von der Anwältin erfahren mussten, dass ein Urteil noch ein bis zwei Tage auf sich warten lassen könnte. Nach dem momentanen Stand der Dinge war eine Verurteilung nicht auszuschließen. Was dies aber im Einzelnen bedeuten konnte, vermochte die Anwältin nicht zu erwähnen. Für uns völlig unfassbar, dass wir überhaupt in dieser Situation waren und jetzt auch noch verurteilt werden sollten, auf Grund einer Anklage, die völlig aus der Luft gegriffen war. Endgültig sollten wir nichts Gutes mehr ahnen, als

wir im weiteren Verlauf des Abends zweimal zu einer Gegenüberstellung, welche wie in einem schlechten Kinofilm mit verspiegelter Scheibe und Handschellen ablief, aus den Zellen geholt wurden und hierbei sogar noch erkannt worden sein sollen. Informationen erhielten wir keine mehr, so dass uns nichts anderes übrig

blieb, als uns gegenseitig in den Zellen Hoffnung zu machen. Da man mittlerweile von spanischen Mitgefangenen erfahren hatte, dass dieses Gebäude nicht zur nächtlichen Inhaftierung benutzt werden darf, hatte man sich innerlich schon auf eine Rückverlegung ins Kommissariat eingestellt, als sich wieder einmal die

Zellentür öffnete und man von zwei Beamten Handschellen angelegt bekam. Als man dann jedoch nicht nach links in Richtung Tiefgarage, sondern nach rechts in Treppenhaus geführt wurde, keimte Hoffnung auf, zumindest noch einmal mit dem Anwalt oder dem Dolmetscher sprechen zu dürfen. Im Büro des Richters klärte man uns darüber auf, dass wir vom Tatverdacht nicht freigesprochen werden konnten, der Arrest jedoch aufgehoben werden würde. Wie in Trance unterschrieb man die Entlassungspapiere und nahm seine persönlichen Sachen entgegen. Dass diese Papiere eine Vorladung zu einem Gerichtstermin im Februar beinhalteten, störte in diesem Moment erst einmal niemanden – hauptsache frei! Es öffnete sich eine Tür, zu einem langen Hof, an dessen Ende man bereits unsere Jungs und Mädels erspähte, welche mit Getränken und Essen auf uns warteten. Nur noch 50 Meter bis zur Freiheit! Dieses Gefühl der Freude ist nicht in Worte zu fassen – dafür

lieben wir Euch und werden es Euch nie vergessen. Ich bedanke mich bei allen Leuten, die mich empfangen haben, bei allen Leuten, die mit mir im Knast saßen

und mich aushalten mussten, bei allen Leuten, die Flüge rausgesucht und gebucht haben, um uns nach Hause zu bringen, bei denjenigen, die morgens nach Eindhoven gekommen sind, um uns abzuholen, bei denen, die mir finanziell geholfen haben, bei der Gruppe Ultras GE und allen anderen, die sich für uns eingesetzt haben!

...Weil wir die Guten sind!"

Quelle: ultrasGE

bearbeitet von Sim1984

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Bester Mann im Team

Sicherheit Kiezklub kippte Beschränkungen für Fans - Vorreitermodell für die DFL

Auf St. Pauli ist wieder alles erlaubt

HAMBURG -

Fußballfans sind keine Verbrecher!" Ein Schlachtruf, der längst zum festen Repertoire in den Kurven deutscher Fußballarenen zählt. Viele Anhänger fühlen sich zu Unrecht kriminalisiert, nachdem die Freiheit der Fans im Zuge gestiegener Sicherheitsauflagen und erhöhter Reglementierung der im Stadion zugelassenen Gegenstände deutlich eingeschränkt wurde. Maßnahmen, die mit der Zweckentfremdung - Fahnenstangen könnten als Schlagstöcke, Zaunfahnen als Sichtschutz beim Abbrennen pyrotechnischen Materials missbraucht werden - begründet wurden. "Bis vor sechs, sieben Jahren war beim FC St. Pauli noch alles erlaubt. Doch mit dem politischen Machtwechsel 2001 wurde die Polizei auch bei uns strenger", erzählt Sven Brux, seit knapp zehn Jahren Sicherheitsbeauftragter des Kiezklubs.

Im Sommer drehte der Verein die Uhr wieder zurück. Sämtliche zusätzlichen Verbote wurden über Bord geworfen. Erlaubt ist seitdem alles, was nicht gegen die Stadionordnung des FC St. Pauli verstößt. Eine in Deutschland bislang einmalige Entscheidung, die maßgeblich vom Fanprojekt und seinen Vertretern forciert worden war.

Das ist insofern bemerkenswert, als dass viele Beschränkungen ausschließlich für den Block der Auswärtsfans galten. Seit dem DFB-Pokalspiel gegen Bayer Leverkusen am 4. August dürfen nun alle Anhänger wieder Fanutensilien aller Art mit ins Millerntorstadion nehmen. Erlaubt sind unter anderem Fahnen jeder Größe, Doppelhalter, Trommeln, Megafon, Zaunfahnen und Blockfahnen. "In der Zeit der repressiven Handhabe war es wesentlich häufiger zu Verstößen gekommen. Einige Leute hat das eher angespornt als abgeschreckt. Wir mussten höhere Strafen zahlen als vorher", erzählt Brux, "es war an der Zeit, der anderen Argumentation eine Chance zu geben".

Die Offiziellen der Deutschen Fußball-Liga (DFL) reagierten zunächst misstrauisch. "Da saßen nicht wenige mit offenem Mund und staunten", beschreibt der 41-Jährige die Reaktionen, als er das Projekt auf einer Tagung der Sicherheitsbeauftragten im Juli in Frankfurt am Main offiziell präsentierte. Mittlerweile ist der Argwohn Anerkennung gewichen. "Ich habe das Gefühl, dass das sehr wohlwollend betrachtet wird", sagt Brux, "und das ist gut für alle, da der ganzen Diskussion so der Zündstoff genommen wird".

Die Bilanz: Bei den zehn seit dem Sommer ausgetragenen Heimspielen kam es bei zwei Partien zu kleinen Rückschlägen. Augsburger Fans zündeten kurz vor dem Anpfiff eine Rauchbombe, Kaiserslauterns Anhänger entfachten ein bengalisches Feuer. Die Konsequenzen tragen die Fans selbst. Denn auch das ist Teil des Projekts: Ein Verstoß zieht für die Fangruppen schwerwiegende Folgen nach sich. "Der Deal ist ganz einfach: Wenn in Eurem Fanblock trotz des Entgegenkommens unsererseits Pyrotechnik zum Einsatz kommt, hat sich das Angebot bei Spielen gegen Euren Verein für die nächsten fünf Jahre erledigt und die Mitnahme von Fanutensilien wird sich auf das Umbinden eines Schals beschränken!", heißt es in dem Schreiben, das Fan- und Sicherheitsbeauftragte der gegnerischen Klubs spätestens eine Woche vor dem Spieltermin aus Hamburg erhalten.

Die Reaktionen in der nationalen Fanszene waren überwältigend. In Internet-Foren wurde das Modell mit Lob überhäuft, viele gegnerische Fangruppen drückten ihren Dank bei den Auswärtsspielen in Hamburg per Spruchband aus. "Der FC St. Pauli kann stolz sein, einmal mehr Vorreiter zu sein", sagt Brux. "Doch die Verantwortung liegt nun bei den Fans. Die Ultras berufen sich immer auf Autonomie. Jetzt haben sie sie."

Gut möglich, dass die Fans ihre Mannschaften bald auch wieder in anderen Stadien mit allen optischen und akustischen Mitteln unterstützen dürfen. Die DFL erwägt, das "Modell St. Pauli" als Empfehlung für alle anderen 35 Fußball-Profiklubs herauszugeben. Allerdings mit der Verschärfung, dass die Sanktionen bei einem Verstoß dann - in Anlehnung an einen Feldverweis - unmittelbar für die nächsten Auswärtspartien des betroffenen Klubs gelten.

lwö

erschienen am 21. Dezember 2007

Quelle: Hamburger Abendblatt

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NCITDOME!!!

HOOLIGAN-ÜBERFALL AUF WEIHNACHTSFEIER

"Nur noch krank und kriminell"

Von Christoph Ruf

In Leipzig hat der Hass zwischen zwei Fangruppierungen eine neue Dimension erreicht. Am Wochenende überfielen 50 Lok-Leipzig-Hooligans eine Feier des Lokalrivalen - mit Waffengewalt. Die Polizei hatte einen Tipp bekommen, zog die Beamten allerdings kurz vor dem Überfall ab.

Leipzig - "Man muss im nachhinein heilfroh sein, dass es keine Toten oder Schwerverletzten gab", sagt Matthias Gärtner. Einen Tag nach dem Überfall auf die Weihnachtsfeier der Sachsen-Leipzig-Ultragruppierung "Diablos" steht der 35-Jährige noch immer unter Schock. Es sollte eine Party unter Gleichgesinnten werden, mit kaltem Büffet, Ska und Karaoke. Doch gegen 22.30 Uhr fand die Feier ein jähes Ende.

Urplötzlich war der Raum der gemütlichen, aber entlegenen Vereinsgaststätte "Sachsenstube" mit Rauch gefüllt. 40 bis 50 Vermummte stürmten die Kneipe, hielten dem Thekenpersonal und einzelnen Gästen Gaspistolen an die Schläfe. Andere schlugen derweil mit Baseballschlägern zu, zertrümmerten Inventar und Fensterscheiben. Plötzlich brannte der Eingang zur Küche. Kurzum: Das letzte Tabu unter Hooligans - der Einsatz von Waffen - ist in Leipzig gefallen.

Die Rivalität zwischen den beiden Leipziger Stadtvereinen ist traditionell die erbittertste der Republik. Hier scherzt man nicht beim Pils über die Schwächen des anderen Clubs, hier braucht man 1200 Polizisten, um bei einem Aufeinandertreffen beider Mannschaften Tote und Verletzte in der Amateurklasse zu verhindern. Die Feindschaft ist tief in die Alltagskultur eingesickert, die Stadtteile nach Vereinszugehörigkeit aufgeteilt. Wer sich in Probstheida als "Chemiker", wie die Fans des Oberligisten FC Sachsen im Volksmund heißen, zu erkennen gibt, lebt ebenso gefährlich wie ein "Lokist", der in voller Montur in der Südvorstadt oder in Connewitz spazieren geht.

Polizeischutz zu früh abgezogen

Lok-Präsident Steffen Kubald, der seit geraumer Zeit couragiert versucht, den Landesliga-Club aus den Negativschlagzeilen zu bekommen, hatte der Polizei am Samstag einen Tipp gegeben. Er wiederum war von einem Mitarbeiter des Leipziger Fanprojekts informiert worden, "dass da Leute von uns was planen". Die Polizei war dann auch tatsächlich ab Beginn der Party vor Ort, beschloss aber gegen 22.20 Uhr abzuziehen. "Für uns ist es natürlich besonders ärgerlich, dass es zehn Minuten später zu dem Überfall kam", sagt Polizeisprecher Andreas de Parade SPIEGEL ONLINE. Allerdings hätten zuvor keine Anzeichen dafür gesprochen, dass es diesem Gewaltexzess kommen würde.

Kubald ist nun schockiert und hofft, dass die Krawalle keinen neuen Imageschaden für seinen Verein zur Folge haben. "Das hat nichts mit unseren Fans zu tun, das ist einfach nur noch krank und kriminell", sagt Kubald SPIEGEL ONLINE. Die Gewalttäter sind für Kubald vielmehr Leute, die "ihrem Verein durch solche Aktionen schaden wollen, weil sie es nicht geschafft haben, ihn zum Verein der Neonazis und Schläger zu machen".

Lähmendes Entsetzen herrscht derweil in der Stadt. Die Vereinsvertreter tun das einzig Richtige, indem sie ein Innehalten einfordern: "Es ist eine erschreckende Qualität der Gewalt, es dürfen jetzt keine unbedachten Aktionen folgen", sagte der neu gewählte Sachsen-Präsident Winfried Lonzen.

Dass seine Worte Gehör finden, ist eher unwahrscheinlich. Denn auch das Verhalten der Sachsen-Fans ist merkwürdig. Nach Angaben der Polizei sollen sie nach dem Überfall zunächst die eintreffenden Beamten angegriffen haben. Ärztliche Hilfe lehnten sie ebenso ab, wie jede Kooperation mit der Polizei: Die Opfer wollten keinerlei Angaben zu den Tätern machen. "Wir können uns das auch nicht erklären", so Polizeisprecher Andreas de Parade: "Mehrere Opfer standen sichtbar verletzt, teils mit blutenden Wunden in der Gaststätte, verweigerten aber die ärztliche Hilfe." Die fehlende Kooperationsbereitschaft der Sachsen-Fans - das Feindbild Polizei ist auch hier in der Ultra-Szene gemeinsamer Nenner - hält nicht nur Kubald für ein Alarmsignal: "Das Schlimme ist, dass das Ganze so nie aufhört."

In der Sachsenstube sollten in den nächsten Tagen zahlreiche Weihnachtsfeiern mit den Jugendspielern des Vereins stattfinden. In dem Trümmerfeld, das die Randalierer hinterlassen haben, dürfte das ein Ding der Unmöglichkeit sein. Doch selbst wenn die Sachsen-Fans, die seit heute morgen um 10 Uhr die Trümmer beseitigen, ganze Arbeit leisten - es wird wohl kaum ein Kind mehr in die entlegene Kneipe kommen: "Die Eltern", so Augenzeuge Matthias Gärtner, "haben jetzt Angst, ihre Kinder dorthin zu schicken."

spiegel-online

einen hab ich noch, einen hab ich noch

HOOLIGAN-ANGRIFF

Vermummte überfallen Mannschaftsfeier von Sachsen Leipzig

Von Jörg Schallenberg

"Wir sind Nazis", riefen sie, griffen mit Baseballschlägern, Reizgas und Pfefferspray an - und warfen einen Molotowcocktail. Leipziger Hooligans haben die Feier eines gegnerischen Fußballvereins überfallen: die zweite brutale Attacke binnen Wochen.

Fans und Sponsoren des Oberligisten FC Sachsen Leipzig hatten gestern Abend zu einer Feier in die Gaststätte "Kartoffelsack" in Eilenburg bei Leipzig geladen. Auch acht Spieler der zweiten Mannschaft waren unter den etwa 50 Gästen. Harald Döring, Co-Trainer des Teams, schildert auf SPIEGEL ONLINE, was dann geschah: "Gegen 22.30 Uhr kam jemand rein und rief: 'Da kommt ein ganzer Haufen angestürmt.'"

Als mehrere Gäste daraufhin das Lokal verließen, sahen sie sich laut Döring einer Horde von etwa 25 Vermummten gegenüber, die zum Teil Schals des Lokalrivalen Lok Leipzig trugen und Parolen wie "L-O-K" und "Wir sind Nazis" skandierten. Die Angreifer attackierten die hinausgeeilten Besucher der Feier mit Baseballschlägern, Reizgas und Pfefferspray, laut Polizeiangaben wurden auch Schlagstöcke eingesetzt. Döring berichtet, dass auch ein Molotowcocktail geworfen wurde, der aber nicht in die Gaststätte flog und keinen Schaden anrichten konnte.

Laut einer Pressemitteilung der Polizei Westsachsen wurden bei dem brutalen Angriff mindestens drei Männer verletzt, einer erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma. Sachsen-Funktionär Döring berichtet, dass bei einem Gast der Feier ein Armbruch festgestellt wurde, bei einem weiteren bestehe der Verdacht auf einen Kreuzbandschaden im Knie. Spieler wurden nicht verletzt.

Die herbeigerufene Polizei verhinderte laut Pressemitteilung eine weitere Eskalation. Im Bericht heißt es: "Zu einem späteren Zeitpunkt hielten sich die Lok-Anhänger im 300 Meter entfernten Internet-Café auf. Die Sachsen-Anhänger versammelten sich nun vor dem Café." Rund 50 Polizeibeamte und ein mobiles Einsatzkommando gingen dazwischen.

Insgesamt stellte die Polizei die Personalien von 45 Beteiligten fest und erteilte 30 Platzverweise. "Die Ermittlungen laufen aber gerade erst an", sagte Michael Hille, Pressesprecher der Polizeidirektion Westsachsen, auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE. Auch das Staatsschutzdezernat ist eingeschaltet worden.

Hille weist Vorwürfe aus Reihen der feiernden Sachsen-Anhänger zurück, denen zufolge die Polizei den Angreifern nicht folgte und keine Anzeigen samt Personenbeschreibungen aufnahm. "Im Gegenteil war es so, dass beide Seiten uns gegenüber wenig kooperativ waren", sagt der Sprecher.

Bereits vor knapp drei Wochen hatten Hooligans von Lok Leipzig eine Feier von Sachsen-Fans gestürmt, Feuer gelegt und Gästen Gaspistolen an die Schläfe gehalten. Obwohl mehrere Sachsen-Fans offensichtlich verletzt waren, lehnten sie die Hilfe der Polizei ab.

Die Gewalt zwischen den Fans des viertklassigen Oberligisten Sachsen Leipzig - der zu DDR-Zeiten Chemie Leipzig hieß - und dem noch eine Klasse tiefer spielenden 1.FC Lok hat eine lange Tradition, scheint aber zu eskalieren. Wenn die zweite Mannschaft von Sachsen und Lok in der Landesliga aufeinander treffen, sind bis zu 1200 Polizisten nötig, um schwere Ausschreitungen zu verhindern.

Insbesondere unter den Lok-Anhängern hat sich eine militante Hooligan-Szene etabliert - von der sich der Club distanziert. Lok-Präsident Steffen Kubald sagte SPIEGEL ONLINE nach dem Überfall vor drei Wochen: "Das hat nichts mit unseren Fans zu tun, das ist einfach nur noch kriminell. Das sind Leute, die dem Verein durch solche Aktionen schaden wollen, weil sie es nicht geschafft haben, ihn zum Verein der Neonazis und Schläger zu machen."

Wegen der angespannten Atmosphäre in der Stadt hat das Präsidium von Sachsen Leipzig die eigenen Fans bereits aufgefordert, auf jegliche Racheaktionen zu verzichten.

Spiegel.de

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Nachspiel vor Gericht

„Für mich war es versuchter Mord“

Von Gerd Schneider, Würzburg

09. Januar 2008 An diesem Mittwoch um neun Uhr muss Hannelore Steiner vor dem Amtsgericht Würzburg erscheinen, als Zeugin und Geschädigte, wie es in der Sprache der Juristen heißt. Man kann nicht sagen, dass sie der Auftritt kalt ließe. Seit Wochen, ja Monaten hat sie Bammel vor diesem Tag. Zum ersten Mal seit jenem 5. Mai des vergangenen Jahres wird sie den Männern gegenüberstehen, die schuld daran sein sollen, dass sie auf einem Auge, dem linken, erblindet ist.

Je näher der Prozessauftakt rückte, umso unruhiger verliefen die Nächte für die 45 Jahre alte Frau aus Treuchtlingen, einem Städtchen 50 Kilometer südlich von Nürnberg. „Ohne Schlaftabletten geht gar nichts mehr“, sagt sie. Aber auch die Medikamente können nicht verhindern, dass sie von Albträumen heimgesucht wird. Es sind immer wieder dieselben Bilder, die sie quälen: die Bilder vom 5. Mai, von der Autobahnraststelle an der A 3 bei Würzburg, wo es morgens um 8.30 Uhr aus Zufall zu jener folgenschweren Begegnung zwischen Fans des 1. FC Nürnberg und der berüchtigten Münchner „Schickeria“ kam.

„Es war wie eine Explosion, dann wurde es schwarz“

Die Nürnberger waren auf dem Weg zum Auswärtsspiel bei S05, und wie immer saß Hannelore Steiner hinter ihrem Mann, dem Fahrer einer der beiden Busse des „Supporter“-Fanklubs, die an der Raststelle eine Pause einlegten. Sie sagt, sie könne sich noch an alles genau erinnern: Wie die rotgekleideten Bayern-Fans, die auf dem Weg nach Mönchengladbach waren, auf die Nürnberger Busse losstürmten, wie es zu Tritten und Schlägen kam, und wie plötzlich gefüllte Cola-Flaschen durch die Gegend flogen.

Ihrer Schilderung nach warfen mehrere der Randalierer die Flaschen von der geöffneten Eingangstür aus offenbar gezielt nach ihr, mit so großer Wucht, dass sie neben ihr an der Fensterscheibe zerbarsten. Sie beugte sich nach vorne, um den Schließmechanismus der Tür zu betätigen; in dem Moment habe sie eine der Kunststoffflaschen am Kopf getroffen. „Es war wie eine Explosion, dann wurde es schwarz“, sagt Hannelore Steiner. Fünf Stunden später kam sie wieder zu sich, auf der Intensivstation der Universitätsklinik Würzburg. Eine Notoperation in der Kopfklinik hatte ihr das Leben gerettet. Das linke Auge aber war verloren.

„Ich bin froh, dass ich kein Pflegefall bin“

Wie gravierend die Verletzungen der Fränkin waren, kann man dem Bericht der Würzburger Staatsanwaltschaft entnehmen. Dort ist die Rede von „lebensbedrohlichen Verletzungen, einer Kopfplatzwunde an der Stirn, Zertrümmerung des Gesichtsskeletts durch Mehrfachfraktur des Nasenbeins, Augenhöhlenvorderwandfraktur, Bruch in der Schädelhöhle und der Nasennebenhöhle, einer traumatischen Eröffnung des linken Augapfels, Luxation des linken Auges“. Sie sagt: „Ich bin froh, dass ich kein Pflegefall bin.“

Hannelore Steiner sitzt in ihrem Wohnzimmer in Treuchtlingen, inmitten von Devotionalien des 1. FC Nürnberg. Selbst auf dem Glas, aus dem sie trinkt, steht „FCN“. Die Liebe zum „Club“ hat nicht gelitten unter ihrem Unglück, inzwischen fährt sie mit ihrem Mann auch wieder bei Auswärtsspielen in der Fußball-Bundesliga mit. Zum Glück, sagt sie, sei sie eine lebensfrohe Person, die mit ihrem Schicksal nicht hadere. Sie hat sich auch an die weiße Augenbinde gewöhnt, die sie immer trägt, um den Leuten den Anblick zu ersparen.

Der Verein trägt die Kosten

Inzwischen ist sie von einem Trierer Spezialisten dreimal an dem Auge operiert worden. Zwei Tage nach dem Prozessauftakt in Würzburg folgt der nächste Eingriff. Sie erhält eine Teilprothese des Augapfels. Dann soll das Auge, wenn auch ohne Sehkraft, wenigstens wieder normal aussehen. Der FC Bayern hat sie an den Spezialisten vermittelt, der Verein trägt auch die Kosten für die Behandlung. „Die kümmern sich, da kann man nichts sagen“, sagt Hannelore Steiner. Sie haben ihr auch ein Mannschaftsposter mit den Unterschriften der Spieler geschenkt, es hängt im Flur hinter der Eingangstür, damit man es nicht gleich sieht.

Die Klubführung des FC Bayern München hat sich damals sofort von der „Schickeria“ distanziert und allen, die in den besagten Bussen auf dem Weg nach Mönchengladbach waren, Stadionverbot erteilt. Dass dem Klub der Fall noch immer unangenehm ist, merkt man daran, wie unwillig der Fan-Beauftragte Raimond Aumann auf Fragen danach reagiert. Er wolle sich dazu nicht äußern, sagt der frühere Bayern-Torhüter kurz angebunden, nur so viel: Die „Schickeria“ gehöre nicht zu den organisierten Fanklubs der Bayern, sondern sei eine „Fan-Gruppierung“. 21 von ihnen müssen sich wegen der Randale an der A 3 vor Gericht verantworten, die ersten Drei von diesem Mittwoch an in Würzburg: ein Einundzwanzigjähriger, mehrfach vorbestrafter Auszubildender, ein 22 Jahre alter, weitgehend geständiger Heizungsbauer und ein sechsundzwanzigjähriger Lagerist. Alle drei saßen nach dem Angriff in Untersuchungshaft, einer sogar fünf Monate lang. Sie sollen Flaschen geworfen und auch sonst an der Keilerei beteiligt gewesen sein.

„Ich will diesen Chaoten in die Augen sehen“

Der Vorgang sei „im Wesentlichen durch Zeugenaussagen gesichert“, sagte Oberstaatsanwalt Erik Ohlenschlager der Würzburger Zeitung „Main Post“. Ob es ihm gelingt, nachzuweisen, wer genau die Frau im Bus so schwer verletzt hat, wird sich zeigen. Der Prozess ist auf neun Tage angesetzt, viele Medien werden angesichts der aktuellen Gewalt-Debatte darüber berichten. Aus Polizeikreisen ist zu hören, auch der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein, ein bekennender „Club“-Anhänger, soll sich ganz genau über die Ermittlungen erkundigt haben.

Hannelore Steiner wird mit pochendem Herzen den Saal 17 im Würzburger Amtsgericht betreten. Es geht ihr momentan nicht besonders gut. Seit dem 5. Mai ist sie krankgeschrieben. Sie hatte damals gerade eine Umschulung zu einer Fachkraft für Lagerverwaltung begonnen. Sie klagt nicht über ihr Schicksal. Aber sie ist immer noch in psychologischer Behandlung, um die Erlebnisse zu verwinden. Die „Club“-Fans haben seinerzeit für sie gesammelt, ein paar Tausend Euro sind zusammengekommen. Doch jetzt muss sie mir ihrem Mann allein über die Runden kommen. In Zivilprozessen wird es später um Schmerzensgeld gehen; aber auch dieser Ausgang ist ungewiss.

Sie sagt, es gehe ihr nicht um Rachegedanken, wenn sie den Schlägern gegenübersteht: „Ich will diesen Chaoten nur in die Augen sehen. Ich will, dass sie ihre gerechte Strafe bekommen. Für mich war es versuchter Mord.“

FAZ

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Der letzte Tabubruch

Die Leipziger Polizei ist mit einer neuartigen Form der Fußballgewalt konfrontiert, von der sich sogar Hooligans distanzieren.

Von Christoph Ruf

Der Monat Dezember bedeutete selbst für das nicht gerade ereignisarme Leipzig einen neuen Höhepunkt an gewaltsamen Fanausschreitungen. Binnen weniger Tage waren gleich zwei Weihnachtsfeiern unterschiedlicher Fangruppierungen von Sachsen Leipzig überfallen worden. Zuerst wurde die Feier der Ultragruppierung "Diablos" gesprengt. Etwa 50 Vermummte schlugen mit Baseballschlägern zu, zerstörten Inventar und Fensterscheiben. Andere Angreifer hielten dem Thekenpersonal und einzelnen Gästen Gaspistolen an die Schläfe. Das letzte Tabu - nämlich der Einsatz von Waffen - war gefallen. Ein paar Tage später traktierten 25 Vermummte unter Einsatz von Pfefferspray und Baseballschlägern erneut Sachsen-Fans, diesmal im Nachbarort Eilenburg.

Wenn irgendwo im Lande Fußballgewalt aufflammt, werden die meist anonymen Täter in den Medien reflexartig als "Hooligans" oder, noch nebulöser, als "Chaoten" bezeichnet. Doch zumindest der erste Begriff ist bei den Ereignissen von Leipzig fehl am Platze, wie Polizeisprecher Andreas Loepki bestätigt. Das Ermittlungsverfahren laufe noch, die Täter beim Überfall auf die Sachsenstube entstammten aber nicht der Hooliganszene. "Das war die Nachwuchsklientel." Im konkreten Fall kommen die Täter von den Ultra-Gruppierungen "Szenario" und "Blue Caps", wie auch Vereinspräsident Steffen Kubald meint. "Normale" Ultras definieren sich als der aktivste Teil der Fankurve, ihr Metier ist die im Idealfall kreative Dauer-Unterstützung der eigenen Mannschaft.

Doch bei manchen Gruppierungen rückt Gewalt zunehmend ins Zentrum der Aktivitäten - wie bei den "Blue Caps" und "Szenario". Zusammen mit Mitgliedern der Hallenser Ultragruppierung "Saalefront" haben sie in der Region schon häufiger für Krawall gesorgt. Die "Blue Caps" fielen zuletzt auch politisch auf, Mitglieder der Gruppierung übernahmen im Mai den Ordnungsdienst für eine Propagandaveranstaltung von NPD und freien Kameradschaften. Auch im Vorfeld des Überfalls auf die Sachsenstube scheint die städteübergreifende Liaison bestens funktioniert zu haben. Etwa eine Dreiviertelstunde, bevor die Gewalt in Leipzig-Leutzsch eskalierte, brachen etwa 15 Mitglieder der "Saalefront" von einer internen Weihnachtsfeier in Halle auf - das ist ziemlich exakt jene Zeitspanne, die man für die Strecke nach Leipzig braucht.

Beweisen lässt sich eine Mittäterschaft nicht. Dass die einschlägig bekannten Ultras stattdessen kollektiv zum Imbiss um die Ecke gegangen sind, glaubt in Halle oder Leipzig jedoch keiner. Auch vier Wochen nach dem Angriff ist kein einziger Täter namentlich bekannt. Das liege zum einen daran, dass die Angreifer maskiert vorgegangen seien, so Polizei-Sprecher Andreas Loepki. Zum anderen aber habe auch kaum eines der Opfer gegenüber der Polizei ausgesagt. Das gemeinsame Feindbild eint in der Szene offenbar Täter wie Opfer. Oder wie Loepki frustriert kommentiert: "Man braucht keine Polizei, sondern regelt das lieber unter sich."

Die Polizei hat inzwischen einen eigenen Begriff kreiert, um die neue Form der Gewaltexzesse zu beschreiben: den der "spieltagsunabhängigen Gewalt". Doch auch die Qualität der Angriffe hat eine neue erschreckende Dimension erreicht: In der Sachsenstube wurden ältere Menschen, aber auch Jugendliche und Frauen mit enthemmter Brutalität verprügelt oder mit vorgehaltener Gaspistole bedroht. So etwas verurteilen auch gestandene Hooligans, die sich im Normalfall untereinander prügeln, Unbeteiligte außen vor lassen und auf Waffen verzichten. In Leipzig soll ein Hoolführer sogar noch versucht haben, die sich sammelnden Jugendlichen davon abzuhalten, die Sachsenstube anzugreifen. Doch die jugendlichen Schläger erreichen offenbar weder Polizei noch Offizielle, weder Fanveteranen noch Sozialarbeit.

Der friedliche, zahlenmäßig deutlich größere Teil der Lok-Ultras distanziert sich derweil von der etwa 30 Mann starken Schläger-Gruppierung. Die "Blue Caps" seien "reine Selbstdarsteller, denen der Verein völlig egal ist". Der wiederum komme erneut in die Schlagzeilen, obwohl er alles in seiner Macht Stehende tue, um ihnen die Plattform zu entziehen, ärgert sich Lok-Präsident Steffen Kubald: "Viele Mitglieder der Blue Caps haben Stadionverbot, die anderen bleiben aus Solidarität weg. Wir können also weder auf unserem Gelände noch bei unseren Spielen gegen die Leute vorgehen." Jörg Sitte, Präsidiumsmitglied beim Halleschen FC, konnte sich am Wochenende nicht lange über ein ausverkauftes, stimmungsvolles Hallenturnier vor eigenem Publikum freuen. Vor der Sporthalle hatten sich HFC-Ultras mit Magdeburger Pendants geprügelt. Dass ausgerechnet Ultras, die doch angeblich ihren Verein so leidenschaftlich liebten, ihm immer wieder Schaden zufügen, kann auch er nicht verstehen: "So etwas trübt unser Erscheinungsbild natürlich gewaltig."

Quelle: sueddeutsche.de

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