Witzig ist nur, dass in dieser Thematik ein Jasic im gleichen Kontext genannt wird wie ein Wanner, der ja die deckungsgleiche Laufbahn aufzuweisen hat, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen (DFB-Nachwuchsmannschaften jahrelang, nun der erwünschte Wechsel zum ÖFB), womit ich mich dann schon frage, ob da nicht mit zweierlei Maß gemessen wird!?
Was die Perspektive anbelangt, da teile ich die Einschätzung, dass das ÖFB-Team sportlich momentan stärker als Bosnien einzustufen ist, und dass der ÖFB-Kader in der Breite sicherlich besser aufgestellt ist. Aber ich würde jetzt BIH nicht unbedingt schwach reden, wie das hier einige tun, denn ich darf daran erinnern, dass beispielsweise vor 10 Jahren der ÖFB sportlich hinter BIH lag, bzw. dass sich im letzten direkten Duell in der Nations League 2018 Bosnien durchsetzen konnte. Das ist ein permanentes Auf und Ab von allen beteiligten, auch wenn ich glaube, dass das jetztige ÖFB-Hoch kein Zufall ist, sondern auf der zuletzt starken Nachwuchsarbeit der heimischen Clubs, vor allem von RB, begründet ist, und auch langfristig dazu beitragen wird, dass sich das ÖFB-Team in den Top10-15 Nationen in Europa halten wird.
BIH hatte in den letzten Jahren aufgrund des Teamumbaus recht oszillierende Ergebnisse, die Mannschaft wurde stark verjüngt, der Umbau ist großteils abgeschlossen, auch wenn man nach wie vor von den alternden Granden Dzeko und teilweise Pjanic recht abhängig. Nachdem Gazibegovic und Dedic in diesem Umbau gut integriert wurden, verfolgt man in Bosnien natürlich auch den österreichischen Markt recht intensiv. Wie zuletzt von @Dein Gewissen 23 erwähnt, hat der ÖFB tatsächlich reagiert, was auf den „Verlust“ von Dedic und Gazibegovic (spielten ja beide von Beginn an nur für den bh-Nachwuchs) zurückzuführen ist - es wurden viele in Österreich spielende bosnische Nachwuchsspieler intensiv umworben zuletzt und viele auch überzeugt den Verband zu wechseln. Die jetztige Jasic-Abwerbung kann somit als eine Reaktion auf diese ÖFB-Reaktion gesehen werden - auch wenn die ersten Kontakte mWn etwas länger zurückliegen.
Bosnien hat aufgrund der Kriegsereignisse der 90-er, aber auch aufgrund der Arbeitsmigration der letzten 1-2 Jahrzehnte eine starke Diaspora in diversen europäischen Ländern und Übersee. Die bisherigen Erfolge der Nationalmannschaft sind hauptsächlich auf der Vielzahl im Ausland aufgewachsener Spieler begründet, da die stark von der Politik beeinflusste Liga europäisch kaum konkurenzfähig ist und zu wenig Spieler produziert, bzw. teilweise auch Spieler für die Nachbarstaaten produziert (Kroatien/Serbien). In den letzten Jahren konnte BIH einige Doppelbürger an sich binden, wie die schwedischen ex-U21 Teamspieler Hadzikadunic (Mallorca), Ahmedhodzic (Sheffield United) und Nalic (Hammarby), und zuletzt den schwedisch-bosnischen Doppelbürger ohne bisherige Nachwuchsauftritte Tahirovic (AS Roma) für sich gewinnen. Weitere junge Spieler aus diversen Ländern sind in der Pipeline, auch aus Österreich, ohne jetzt genaue Namen zu nennen. Dafür zuständig ist seit einigen Jahren ein gewisser Herr Zvjezdan Misimovic, seit kurzem offiziell vom Posten des Teammanagers aus.
Den umgekehrten Weg gibt es auch, so hat sich der beste Goalie der polnischen Liga Kovacevic (Rakow) entschieden künftig für Serbien zu spielen, oder ein Huseinbasic (1. FC Köln), der trotz Zusage für Bosnien aufzulaufen, kurz darauf für die deutsche U21 aufgelaufen ist, und nun wohl die definitive Entscheidung für den DFB getroffen hat.
Abschließend nur zum Punkt der Zugehörigkeit: Ich würde die Entscheidung nicht rein auf die sportliche Ebene begrenzen, wie das hier einige tun. In solchen Entscheidungen spielen Emotionen, die stärkeren Zugehörigkeitsgefühle usw. die dominantere Rolle. Man sollte aufgrund der demografischen Entwicklungen sich langsam von diesem Schwarz-Weiß-Denken verabschieden und akzeptieren, dass in diesem Land über zwei Millionen Menschen mit einer dualen Identität leben. Solche Entscheidungen werden oftmals nicht gegen jemanden getroffen, sondern eher für etwas, oder in den konkreten Fällen für das Land, das denjenigen etwas mehr bedeutet auf der emotionalen Ebene, um hier den abgedroschenen Begriff der Herzensentscheidung zu umgehen. Es gibt natürlich auch die sportliche Ebene, Entscheidungen, die rein rational auf Ebene der potentiellen Einsatzmöglichkeiten getroffen werden, das ist allerdings mMn gerade im Bereich der Nationalmannschaften der falsche Ansatz.
Das Argument, dass der ÖFB da etwas investiert, ist schlichtwegs nicht tragfähig - im Vergleich zu den Kosten der tatsächlich ausbildenden Strukturen (a.k.a. Vereine) sind diese ganzen Team-Nachwuchscamps oder Lehrgänge Kleingeld. Auch das von Schöttel verwendete populistische HS-Platz-Argument ist entbehrlich.