"Das ist doch der Krach vom Scholl"


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Alter, sehr alter ASB'ler

Ein amüsantes, lesenswertes Interview (selbst für Bayern-Verächter wie mich) mit Mehmet Scholl.

"Das ist doch der Krach vom Scholl

Mit 33 Jahren muss der frühere Nationalspieler Mehmet Scholl damit klar kommen, dass er beim FC Bayern nicht mehr erste Wahl ist. Aber das Älterwerden hat auch Vorteile: Er kennt jetzt seine Grenzen – und ein paar angenehme Münchner Discos

Zeit: Mehmet Scholl, Sie haben jetzt Ihre zweite CD mit Ihrer Lieblingsmusik bei einem Münchner Independent-Label herausgebracht. Angeblich hören Sie diese Stücke selber vor dem Spiel in der Kabine.

MS: Wieso angeblich?

Zeit: Weil die CD streckenweise sehr getragen wirkt, fast düster. Auf dem ersten Teil sind Grübel-Rock-Bands wie Tocotronic draufgepackt. Hört man so was wirklich vor dem Spiel?

MS: Das ist super. Ehrlich. Oder Coldplay. Es ist gut, wenn es einen etwas runterzieht. Am Spieltag bist du euphorisch genug. Du freust dich, du willst einfach nur losrennen auf den Platz. Da passt es gut, wenn du was hörst, was dir die Botschaft vermittelt: He, es gibt auch noch andere Sachen im Leben, es gibt nicht nur Fußball. Es stimmt, vieles von der Musik, die ich mag, ist eher schwer. Fast schon depressiv. Ich habe dem Oliver Kahn meine letzte CD gegeben, und da hat er später gemeint: „Willst du, dass ich mich erschieße, oder was?“

Zeit: Gibt es denn jemanden in der Mannschaft, der Ihren Musikgeschmack teilt?

MS: Ja, Roque Santa Cruz und Markus Feulner. Dem Roque bringe ich morgen die letzte Sportfreunde-Stiller-CD mit. Die anderen hören mehr so R&B, Dancefloor und HipHop. Ich habe mal einen ganz subtilen Versuch gestartet und im Mannschaftsbus einen Mix eingelegt, der wirklich nur das Bekannteste enthielt, Oasis, Travis, Coldplay und so weiter. Nach dem dritten Lied haben sie von hinten gebrüllt: Mach den Scheiß aus! Da ist doch der Krach vom Scholl!

Zeit: Sie wirken nicht so, als ob Sie Ihrer Zeit als Teenie-Idol nachtrauern würden.

MS: In dieses Image wollte ich nie rein. Das habe ich damals, Anfang der Neunziger, einfach nicht überblickt. Ich habe es als Spiel gesehen, und es gab halt zwei Möglichkeiten: Entweder man blockt alles ab, wenn die Bravo auf der Matte steht – oder man spielt mit. Ich habe mitgespielt, aber das wurde dann ganz schnell gegen mich gedreht. Die Teenies haben mich vielleicht geliebt, aber die Fußballexperten hatten keinen Respekt vor mir.

Zeit: Günter Netzer hat noch nach der Pleite bei der WM 1998 gesagt, er hätte Sie nicht mitgenommen. Sie wären nur durch Dinge bekannt geworden, die nichts mit Fußball zu tun haben.

MS: Netzer und ich schätzen uns mittlerweile unglaublich, wir haben uns später ausgesprochen. Aber wahr ist, dass ich so was oft genug zu hören bekommen habe. Irgendwann habe ich mich komplett rausgenommen. Da kamen dann auch die üblichen Sachen. Die Bild hat mir eine Liebesgeschichte mit der Schauspielerin Radost Bokel angedichtet, bei der ich angeblich ganz blöd abgeblitzt wäre – obwohl ich die nicht mal gekannt habe. Dann ist meine Mutter gestorben, und selbst davor haben die im Boulevard keinen Respekt gehabt und rumgekramt. Das war der Punkt, an dem ich endgültig gesagt habe: Mit mir geht gar nichts mehr.

Zeit: Kann man als Fußballstar den Boulevardjournalisten überhaupt aus dem Weg gehen?

MS: Ich habe nichts gegen die, die machen halt ihren Job. Ich grüße die Boulevardjournalisten und mag die auch, aber ich muss nicht mehr ständig Auskunft geben, wie es mir geht oder warum wir Samstag gewinnen.

Zeit: Wären Sie trotz dieser negativen Begleiterscheinungen nicht auch gerne einer der ganz Großen im Fußball geworden?

MS: Ich war nie der Typ dazu. Wenn ich meine Karriere so anschaue, dann bin ich eher der Antiheld. Also, Held schon, weil ich überall dabei war und auch schon mal wichtige und schöne Tore schieße – aber ich bin nicht der, der im Champions-League-Finale das entscheidende Tor geschossen hat, der bei der Europameisterschaft 1996 das entscheidende Tor geschossen hat, der beim Weltpokal das Tor geschossen hat, der die Pokalsiege alleine rausgeschossen hat. Meine größte Leistung sind meine elf Jahre beim FC Bayern. Wenn du ein Blender bist, schießen die dich da schneller ab, als du gucken kannst. Mit einer Karriere als Weltstar hätte ich auch gar nicht umgehen können.

Zeit: Viele sehr gute Spieler machen ja auch noch mal einen Entwicklungssprung, wenn sie ins Ausland gehen. Warum sind Sie immer beim FC Bayern geblieben?

MS: Ich kann es mir gar nicht vorstellen, woanders zur Arbeit zu gehen. Ich kann mir auch gar nicht vorstellen, in einer anderen Stadt zu sein als in München. Es ist ein gutes Gefühl, zu wissen, dass man zu Hause ist. Ich kenne bei Bayern vom Jannis, dem Griechen, der bei uns putzt, bis hin zum Rummenigge, dem Vorstandsvorsitzenden, fast jeden persönlich.

Zeit: Das klingt sehr idyllisch – dabei gilt der FC Bayern den meisten Fans als kalt und arrogant.

MS: Ich distanziere mich von dieser Großkotzigkeit, die manchmal rüberkommt. So sehe ich mich nicht, so sehe ich den FC Bayern nicht. Wir haben mit Uli Hoeneß einen so menschlichen Manager, der so viel Herz und so viel Wärme hat, das ist unglaublich. Der ist immer für die Spieler da. Klar tritt der anders auf nach außen, da erlebt man immer nur, wie er den FC Bayern hart verteidigt. Aber wenn irgendein anderer Verein in Schwierigkeiten wäre, wenn Hertha morgen in finanziellen Schwierigkeiten stecken würde, dann wäre Uli Hoeneß der Erste, der sagt, der FC Bayern tut alles, damit ihr da rauskommt. So viel Menschlichkeit wie beim FC Bayern findet man anderswo im Profifußball nicht – glaube ich zumindest. Das ist wirklich eine große Familie. Fast alle leitenden Angestellten haben selbst lange für den Verein gespielt, für die ist das nicht irgendein Club, die hängen mit Leib und Seele dran. Der FC Bayern hat eigentlich das Zeug, ein cooler Verein zu sein, aber sie wissen nicht so recht, wie sie das rüberbringen sollen."

bearbeitet von mariodonna

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Tell him he's dreaming

Vor dem Spiel ist nach dem Spiel Vol. 1 und 2

"Mehmet Scholl kompiliert"

Beides sehr empfehlenswert!

Das letzte Mal hab ich ihn beim Tomte-Auftritt gesehen und er passt ja sogarnicht ins Bild von den Arroganten Bayern... :glubsch:

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Kennt das ASB in und auswendig

Hab letztes Mal auf FM4 seine Musikzusammenstellung im Spielzimmer (Doppelzimmer? wie auch immer) gehört und war auch sehr positiv überrascht. Auch die Kommentare zwischendurch waren sehr angenehm!!!!

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