Zum 100. Geburtstag des Papierenen


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Heute vor 100 Jahren wurde Matthias Sindelar im tschechischen Kozlau geboren, doch schon bald zog es die Familie mit böhmischen Wurzeln nach Wien, und zwar in den Arbeiterbezirk Favoriten.

Bis zu seinem 21. Lebensjahr spielte der Blondschopf Sindelar beim Favoritner Klub Hertha Wien, eher er 1921 zu den "bürgerlichen" Amateuren wechselte.

Dem FK. Austria, wie die Amateure seit 28. November 1926 hießen, blieb er bis zu seinem tragischen und mysteriösen Tode treu. Matthias Sindelar war mehr als ein genialer Fußballer, er zelebrierte diese Sportart wie kein Zweiter wie zahlreiche Presseartikel aus der damaligen Zeit bestätigen.

Sindelars Treffer zum 1:0 beim 2:1 Sieg von Österreich gegen Italien am 20.3.1932 fiel wahrlich unter die Marke Weltklasse, wenn man folgende Darstellung liest: "Sindelar hob mit einem gefühlvollen Kopfstoß die Flanke zuerst über den Verteidiger Allemandi und ließ den Italiener durch eine geschickte Körpertäuschung ins Leere laufen. Dann köpfelte er mit der Präzision eines Jongleurs über den anstürmenden Tormann Sclavi und setzte dem Ball nachstürmend mit dem dritten(!) Kopfstoß exakt in die Ecke des italienischen Tores..."

Am 28.9.1933 wurden die Violetten zum ersten Mal Mitropacup- Sieger. Sindelar glänzte in der Hauptrolle, so schoss er beim Rückspiel im Wiener Stadion vor 65.000 begeisterten Zuschauern alle drei Tore gegen Ambrosiana Mailand (damals zwischenzeitlich der Name von Inter Mailand) und die Austria zum Sieg.

"[...]Der Mitropacup ist zum Greifen nahe, als den Mailändern in der 85.Minute der Anschlusstreffer gelingt: Ein Nachspiel hängt in der Luft. Alle Aufmerksamkeit richtet sich nun auf Sindelar und dem ´Papierenen´ gelingt tatsächlich das unglaubliche Kunststück. Er schießt knapp vor dem Schlusspfiff sein alles entscheidendes drittes Tor! Austria wird Mitropacup-Sieger und konnte mit den Einnahmen aus dem Besucherrekord endlich seine Finanzen sanieren..."

Schindi oder Motzl, wie er auch liebenvoll genannt wurde, war aber nicht "nur" der größte Austria-Spieler aller Zeiten - der Mittelstürmer traf an die 600 Mal in über 700 Spielen für die Violetten - und das Herz der weltberühmten "Wiener Schule", sondern ein Mensch der nie vergaß woher er kam und ganz im Gegenteil von seinen Wurzeln nie abwich. Er arbeitet stets neben der Ausübung seiner Sportart, zunächst als Schlosser, später in einem Sportartikelgeschäft in der Mariahilferstraße (Es gab damals schon eigene Fußbälle, die seinen Namen trugen) und schließlich hatte er als inzwischen Mittdreißiger sein eigenes Cafehaus in der Laxenburgerstraße. Motzl war auch ein begeisterter Hobbygärtner und fühlte sich in seinem Schrebergarten wahrscheinlich am Wohlsten. Das und seine loyale Einstellung gegenüber der Austria und ihrer durchaus jüdischen Führung mit dem legendären Austria-Präsidenten Michl Schwarz waren wohl die Gründe, warum er zahlreiche für damalige Verhältnisse unglaublich gut finanziell dotierte Angebote aus England ausschlug und bei der Austria blieb. Er genoss eine voluminöse Popularität in Österreich, er spielte im Kinofilm "Die entführte Braut: Roxi und das Wunderteam" mit und diente sogar als begehrter Werbeträger ("Es schmeckt dem Sindelar das Miag ´Fru-Fru´ wunderbar.").

"Er spielte Fußball wie kein Zweiter, er stak voll Witz und Phantasie" lautet eine Passage aus Friedrich Torbergs Gedicht "Auf den Tod eines Fußballspielers" das Sindelar gewidmet ist. Es ist mehr als Gedicht, es ist eine Ode auf einen der genialsten Fußballer der damaligen Zeit, es ist eine Liebeserklärung an Sindelar, eine Liebeserklärung an die Zeit der 20er und 30er Jahre, in der sich in Wien, trotz Armut, das Leben zwischen dem Cafehaus, dem Theater und dem Fußballplatz abspielte.

Sindelar, das Aushängeschild der technisch dominierten und zu gleich schlampig genialen Wiener Schule konnte nicht sehr viel anfangen mit der nationalsozialistischen und altpreußischen Ordnung die Ende der 30er Jahre in Österreich sich einzusetzen begann und mit dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich ihren Höhepunkt fand. In dem "Anschlussspiel" (3.April 1938) zwischen dem "Altreich" und der "Ostmark" verhöhnte er die neuen Machthaber auf das Infamste. Angeblich gab es die Bedingung, dass das "österreichische" (Österreich existierte nicht mehr) Team nicht gewinnen darf, so vergab Sindelar zunächst eine Torchance nach der anderen, doch das alles in solch einer provokanten und schauspielhaften Art und Weise, dass es wohl jedem der 60.000 Zuschauer im Stadion klar war, was hier gespielt wurde. Irgendwann konnte sich Sindelar nicht mehr halten und schoss das 1:0 und tänzelte vor der VIP- Tribüne, die mit Nazibonzen gespickt war, auf und ab. Die "Ostmark" siegte schließlich mit 2:0 und die Freude über diesen Sieg war riesengroß. Die inzwischen schon gleichgeschaltete "Neue Freie Presse" konnte sich der allgemeinen Euphorie nicht entziehen und sprach nach ausreichender Huldigung des deutschen Spielstils von einem "Triumph der Wiener Fußballschule".

Sindi war den Nazis ein Dorn im Auge (Der Gauleitung der NSDAP Wien war er als "sehr judenfreundlich" bekannt), seine schon angesprochene Loyalität gegenüber dem Vorstand der Violetten, der später fast geschlossen emigrieren musste (Legendär sein "Sager" zum damaligen Präsident Schwarz: "I Herr Doktor, werd´ Ihna oba immer griaß´n!") und seine Bekanntschaft zu der italienischen Jüdin Camilla Castagnola wurden im schließlich zum Verhängnis.

Sindelar und seine "Freundin" starben unter mysteriösen Umständen in einer Wohnung in der Annagasse 3 am 23. Jänner 1939.

Die "offizielle" Todesursache lautet Einatmen von Kohlenmonoxyd, hervorgerufen durch einen schadhaften Kamin. Der damalige Austria- Sekretär Egon Ulbrich sprach vor wenigen Tagen in einem Interview (Sportwoche Nr. 5, 2003, Seite 28- 29), dass Sindelar (Wahrscheinlich aufgrund von Spielschulden) und seine Freundin von einer Gaunerpartie, die sich in seinem Cafehaus "einnisteten" hatte, ermordet wurden.

Sindelars Ableben war tragisch und auch die Bestürzung über seinen Tod war in der Fußballgemeinde überaus groß, war er doch weit über die Grenzen der violetten Anhängerschaft hinaus verehrt und beliebt.

Sindelar wurde zur Legende, er galt als begnadet beim "einfachen Mann" und Künstler widmeten ihm die schönsten Worte und sprachen vom Genie Matthias Sindelar. Er war ein Repräsentant von einem Wien, das für Kunst und Kultur berühmt war und trotzdem oder gerade deswegen mit solch einer Lieblichkeit und Augenweide Fußball spielte. Er war ein Kind aus Favoriten, das mit seinem Auftreten am Fußballplatz den Alltag in Wien mitbestimmte und den Wienern das Leben erleichterte und verschönte. Er "schrieb" ein großes Kapitel in der Geschichte des Wiener Fußballs, er ist aber auch ein wesentlicher Bestandteil in der Geschichte der gesamten Stadt.

Der berühmte österreichische Kritiker, Schriftsteller und Übersetzer Alfred Polgar schrieb am 25. Jänner 1939 in der Pariser Tageszeitung in einem bewegten Nachruf über Sindelar und die Bedeutung seine Person: " Der brave Sindelar folgte der Stadt, deren Kind und Stolz er war, in den Tod. Er war so verwachsen mit ihr, dass er sterben musste, als sie starb. Aus Treue zur Heimat- alles spricht dafür- hat er sich umgebracht; denn in der zertretenen, zerbrochenen, zerquälten Stadt leben und Fußballspielen, das hieß, Wien mit einem abscheulichen Gespenst von Wien betrügen. (...) Aber kann man so Fußballspielen? Und so leben, wenn ein Leben ohne Fußball keines ist?"

Entsprechende, passendere und zusammenhängende Phrasen und Sätze zu Sindelar sind wohl nur in dem schon erwähnten berühmten Gedicht von Torberg gefallen.

Matthias Sindelar - du wurdest nicht, du bist nicht und du wirst nie vergessen werden, denn du warst und bist noch immer ein großer Teil unserer Austria, unseres Wien-Bildes, unserer Sehnsucht, Erinnerung und auch unserer Hoffnung. Alles Gute zum Hundertsten.

Es wäre wohl mehr als angemessen, wenn nicht schon fast verpflichtend, dass unsere jetzige oder unsere zukünftige Heimstätte den Namen Matthias- Sindelar- Stadion trägt. Bis jetzt blieb diese entsprechende Ehrbietung leider aus, sein Name ziert legendlich die Südtribüne des Horr- Stadion und das nur am Briefkopf von offiziellen Austriabriefen.

Westtribuene.at legt heute Sindelar zu Ehren einen Kranz auf seine letzte Ruhestätte am Zentralfriedhof, dort wo einst 15.000 Menschen Abschied von dem Papierenen nahmen.

Anmerkung des Autors p.g:

Für diesen Bericht fanden unter anderem folgenden Werke Verwendung, bzw. es wurde aus folgenden Werken zitiert:

Roman Horak, Wolfgang Maderthaner. Mehr als ein Spiel. Fußball und populare Kulturen im Wien der Moderne (Wien 1997).

F.R Billisich, 80 violette Jahre. Die Wiener Austria im Spiegel der Zeit (Wien 1991).

Matthias Marschik, Wiener Austria. Die ersten 90 Jahre (Wien 2001).

Gerald Enzinger, Toni Huemer, Der Beste aller Zeiten. In: Sportwoche Nr. 5 (Wien 2003).

Gerald Enzinger, Toni Huemer, Ich weiß, es war Mord. In: Sportwoche Nr. 5 (Wien 2003)

Erik Eggers, Das Genie aus Favoriten. In: 11 Freunde Nr.21 (Köln 2003).

- westtribuene.at -

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die Elite schwindet

Wie gern liest man Geschichten, Gedichte, Biographien über solche Sportler und Menschen. Einer, von dem sich viele etwas abschauen könnten. Was würde man nur dafür geben, solche eine fußballerische (!) österreichische Glanzzeit miterleben zu dürfen.

Einer, den man nie vergessen wird, bis in alle Ewigkeit!

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Bella gerant alii - tu felix austria nube

Bitter ist halt, das Menschen wir er immer schneller vergessen werden.

Wieviele "junge" Austria-Fan's können mit dem Namen Sindelar was anfangen, oder wieviele Rapid-Greenies haben schon einmal was vom Uridil gehört :nein:

Künstler wie "Er" (und andere) werden meistens nur von uns Fan's am Leben gehalten, selten genug, das sich ein Verein dazu durchringt solchen Menschen in irgendeiner Form ein Denkmal zu setzten. :nope:

Warum gibt es bei wichtigen Anlässen (100 Geburtstag, 50 Todestag etc...) keine Doku im TV, die solche Kicker wieder Populär macht bzw. hält ? :???:

Ich als Rapidler würde mit wünschen, wieder mehr "Sindelar's und Uridil's", und weniger "Jalminha's und Adamski's" im Österr. Fussball zu sehen. :super:

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www.mspeu.at

Ich denke mir oft genug, das ich sehr gern in der Zeit leben würde, wo Sindelar bei der Austria und schlussendlich in ganz Europa aufgeigte. Leider Gottes ist diese Zeit aber schon lang vorbei.

Wahrscheinlich hat in keiner hier im ASB spielen sehen, aber er war DER Austria-Spieler. So einen wie ihn wird es (wahrscheinlic) leider nicht mehr geben!

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Gast ZwergBumsti

'The Paper Man' remembered

Monday, 10 February 2003

Matthias Sindelar died in January 1939, and while theories continue to circulate around Austria that the FK Austria Wien striker was murdered for his anti-fascist views or committed suicide, his reputation as one of the greatest footballers in history remains in no doubt.

Sindelar is to the Austrians what Pelé is to the Brazilians, something more than a footballer

Historian Wolfgang Maderthaner

Austria's Pelé

"Sindelar is to the Austrians what Pelé is to the Brazilians, something more than a footballer," said historian Wolfgang Maderthaner of the son of a working class, Czech immigrant family, whose slight build belied a great gift for football. "His importance transcended the game, made him a legend and a symbol and few ever achieve that."

Wien calling

Born on 10 January 1903 in Vienna, when his father died in the first world war, the young Sindelar took over as head of the family, working as a mechanic. However, his talent for football had been spotted and he was signed by Amateure Wien - later renamed FK Austria Wien - in 1924.

Extraordinary style

A knee injury nearly ended his career before it had begun, but Sindelar's acute fear of further knocks and waif-like appearance were to prove pivotal to his style of football. 'The Paper Man', as one of the few surviving players to have faced him on the field, 85-year-old Paul Pongratz remembered, was a stunning player.

'A chess master'

"He was technically the best player of all," said Pongratz. "He would dance lightly around other players, avoiding confrontation. He could read the game like a chess master and it was him who created the tactical game they called the 'Vienna school of football'."

International fame

With Wien taking two Mitropa Cups - the precursor to the UEFA Champions League - in the 1930s, Sindelar was soon co-opted into a fine Austria-Hungary side which he led to a period of extraordinary success before his career was ruined by the rise of fascism.

He was a real sportsman, the Nazi system didn't suit him. It was no secret that he disliked their politics, that he had Jewish friends

Friedrich Docekal

'A real sportsman'

"A lot of people think that his popularity made it difficult for him later, when the Germans came," remembered Friedrich Docekal who was raised in the same Favoriten district of Vienna that Sindelar called home. "He was a real sportsman, the Nazi system didn't suit him. It was no secret that he disliked their politics, that he had Jewish friends."

Political football

His sensibilities were demonstrated by his performance in a match to mark Nazi Germany's annexation of Austria in March 1938. Insisting that the Austrian side to take on Germany wore their national colours - red and white - for one last time, his display was legendary.

'The Germans were humiliated'

"There were rumours in the crowd that the Germans ordered the Austrians not to score," remembered Pongratz. "Sindelar missed chances on purpose, time and time again, almost at the goal. The Germans were humiliated, until, in the second half, he finally scored with a long shot. The crowd went wild."

Mysterious end

Offered the chance of playing for the Greater Germany side, Sindelar refused, retiring at the age of 36 to run a café in Vienna. Tragedy soon struck, with official sources claiming poisonous fumes from a faulty stove had overwhelmed Sindelar in bed. 15,000 supporters attended his funeral, and successive generations lay flowers on the marble football that marks his grave to this day.

Enduring memories

Maderthaner believes that Sindelar's quiet example provided some comfort to the Viennese as they came to terms with the horror of the second world war. "In Sindelar they found a positive figure they could identify with, a great athlete and a man who in that terrible time remained decent and who might have paid for it with his life," he said.

quelle

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Bella gerant alii - tu felix austria nube

der ORF hat ja eh einen (kurzen) Beitrag übern Sindelar gezeigt...

Ich meine ja auch nicht solche 5 min. "Werbeblöcke", sondern eine 60 - 90 min "echte" Doku.

Wenn möglich mit Zeitzeugen, Mitspielern, Fotos, Videos etc...

Naja, aber selbst wenn der ORF so etwas machen würde, es würde zwischen 3 und 4 Uhr früh gesendet werden....

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always right behind

der ORF hat ja eh einen (kurzen) Beitrag übern Sindelar gezeigt...

Den fand ich eigentlich gar nicht so schlecht, sehr bedauerlich war halt, dass er gewissermassen zwischen den beiden Läufen des Damen-Kombislaloms "versteckt" wurde.... war daher auch nur Zufall, dass ich ihn überhaupt gesehen habe.

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