pironi V.I.P. Beitrag melden Geschrieben 6. März 2007 (bearbeitet) Der Calcio: Triumphe und TragödienManch einer mag behaupten, Italiens Fußball sei wirtschaftlich am Boden, andere mögen von Korruption und Schmiergeldern sprechen und wieder andere sehen bereits das Ende aller Dinge gekommen. Doch keiner wird es wagen den König zu stürzen - die Seele Italiens, das Liebkind der Massen, die Ikone Italiens in der Welt, den Calcio. Zu sehr ist er mit dem Leben der Italiener verbunden, zu sehr sind seine Winkelzüge die Schlupflöcher der Potentaten, um ungeniert in die Herzen der Massen einzudringen und viel zu groß sind seine unvergessenen Helden. Ein Leben ohne Fußball ist in Italien einfach unvorstellbar. Der Beginn Was Gerüchten zufolge bereits im alten Rom als „Harpastum“ begonnen hatte und später nach Britannien gelangte, um Ende des 19. Jahrhunderts wieder zu seinem „Ursprung“ zurückzukehren, ist den Italienern heute als Calcio bekannt, der „Fußball“. Alles fing damit an, dass ein englischer Arzt 1893 in Genua einen kleinen Fußballklub gründete, den Genoa FC. Anfangs des Jahrhunderts dominierte der Klub der „Roten“ aus Genua die Italienische Meisterschaft, doch schon bald traten die ersten starken Konkurrenten auf. 1897 wurden Juventus Turin und zwei Jahre später der AC Milan gegründet. Diese beiden Klubs sollten viele Jahre später die beiden Größten ihres Landes werden. Doch Anfang des 19. Jahrhunderts waren sie noch kleine Fische in einem unruhigen Gewässer. Denn anders als heute war der Calcio ein Sport der Oberschicht. Die unteren Klassen hatten kaum Zugang zu dieser illustren Körperbetätigung. Der Calcio erobert die Massen Doch die Zeiten änderten sich. Bereits in den 20er Jahren war der Fußball zu einem Sport der Massen geworden, der Calcio boomte. Die Klubverantwortlichen begannen fleißig im Ausland zu fischen, Legionäre wurden eingekauft, vor allem aus Südamerika und weiter aufgerüstet. Die Vereine waren zu Prestige- bzw. Marketingobjekten geworden. In den 30er Jahren änderte sich das Bild des Calcio. Nach der Machtübernahme durch Benito Mussolini begann eine neue Ära des italienischen Fußballs, die des politischen Calcio, der noch bis heute alles durchdringt und ihn zu einem Spielball der Mächtigen hat werden lassen. Die Vereine und im speziellen die „Squadra“ (Nationalmannschaft) wurde zum Aushängeschild des faschistischen Italiens. In dieser Zeit gelang Italien zwei Mal der Weltmeistertitel (1934 und 1938). Doch dann kam der zweite Weltkrieg, der Calcio stand für einige Jahre still. Die Tragödie des AC Torino Nach dem Weltkrieg gab es eine neue Generation von italienischen Fußballern. Die Größten unter ihnen (wie die beiden Torjäger Valentini Mazzola oder Eusebio Castigliano) spielten beim AC Torino. Dieser Klub war in den Jahren 1945 bis 1949 das Maß aller Dinge und gewann in dieser Zeit vier Mal in Folge den „Scudetto“. Doch wie groß die Liebe der Italiener tatsächlich zu ihrem Fußball war, musste sich erst in der wohl größten Tragödie des italienischen Fußballs offenbaren: 1949 zerschellte eine Maschine in den Alpen, die Insassen waren niemand geringerer als die Spieler von „Il Grande Torino“, dem Stolz Italiens, dem zu diesem Zeitpunkt wohl besten Team der Welt. Nur wenige Spieler überlebten diese Katastrophe. Ein Land war durch die Trauer regelrecht gefesselt. Der Trauermarsch zu Ehren der verstorbenen Stars uferte in einen Staatsakt aus, bei dem Millionen von Italienern Tribut zollten. Eine lange Durststrecke Es folgten schwere Jahre für Italien im internationalen Fußball. Drei Teams dominierten in dieser Zeit die nationale Meisterschaft: Juventus Turin und die beiden Mailänder Klubs Inter und AC. Erst Mitte der 60er Jahre kehrte man wieder triumphal auf die Bühne Europas zurück. Die beiden Mailänder Vereine AC und Inter gewannen drei Mal in Folge den Cup der Meister (heute Champions League) und sicherten den Italienern wieder den Platz an der Sonne im europäischen Fußball. 1968 eroberte zudem die Nationalmannschaft zum ersten und einzigen Mal die Europameisterschaft. Im Finale schlug das Team rund um den legendären Torhüter Dino Zoff Jugoslawien im Wiederholungsspiel mit 2:0. Bis 1982, Italien wurde zum dritten Mal Weltmeister, sollte es der einzige nennenswerte Titel einer international agierenden italienischen Mannschaft sein. Das Finale war Nebensache Neben dem Gewinn der Weltmeisterschaft prägten noch weitere Ereignisse den italienischen Fußball in diesem Jahrzehnt. Am 29. Mai 1985 standen sich im Finale des Landesmeisterbewerbs Juventus Turin und der FC Liverpool gegenüber. Die Stimmung im ausverkauften Heysel-Stadion in Brüssel war aufgeheizt und noch vor Spielbeginn kam es zur Katastrophe: Englische Fans drängten in einen neutralen Sektor, der auf Grund korrupter Kartenverkäufer mit Juve-Anhängern gefüllt war. Auf der Flucht vor den britischen Hooligans wurden zahlreichreiche Menschen unter einer bröckelnden Mauer eingeklemmt und erstickten qualvoll. Insgesamt kamen an diesem schwarzen Fußballabend 39 Menschen ums Leben. Das Finale wurde nach langer Verzögerung dennoch ausgetragen, Juventus gewann durch ein Elfertor von Michel Platini mit 1:0 - ein Sieg über den sich allerdings niemand freuen konnte. Der Gott von Napoli In dieser Dekade gab es aber auch Erfreuliches. So wechselte im Jahre 1984 der Argentinier Diego Maradona für eine Rekordsumme von umgerechnet zwölf Millionen Euro vom FC Barcelona zum SSC Napoli. Der begnadete Spielmacher führte die Neapolitaner zu zwei Meistertiteln (1987, 1990), zum nationalen Cupsieg und dem UEFA-Cup-Sieg im Jahre 1987. Zudem wurde er mit seinem Land 1986 Fußballweltmeister . Maradona, der im Jahre 1991 nach einer Kokainaffäre für 15 Monate gesperrt wurde und den Klub daraufhin verließ, wird auch heute noch wie ein Gott verehrt. Ohne Maradona ging es mit dem Klub steil bergab. Mittlerweile kämpft der Verein wieder um den Aufstieg in die Serie A. Der Aufstieg des AC Milan Das Jahr 1986 sollte ein denkwürdiges in der Geschichte des mailändischen Calcio werden. Eine neue Macht war erschienen: Silvio Berlusconi, Der Bau-Tycoon, Medienmogul und spätere Ministerpräsident, hatte den AC Milan gekauft. Der traditionsreiche aber heruntergewirtschaftete Klub aus Mailand sollte das neue Aushängeschild des italienischen Fußballs werden, und das seines Besitzers Silvio Berlusconi. Ohne Rücksicht auf Verluste kaufte Berlusconi das Beste aus Europa ein, dass es zu dem damaligen Zeitpunkt zu kaufen gab: das niederländische Trio Gullit, Rijkaard und Van Basten, der zu dieser Zeit als das Nonplusultra unter den Stürmern galt. Zusammen mit noch anderen großartigen Fußballern wie Baresi, Maldini und Donadoni formte der Medienzar die wohl beste Klubmannschaft, die Italien je gesehen hatte. Milan war das neue Monster im europäischen Fußball, das es zu erlegen galt. Beinahe unaufhaltsam mähte es jegliche Konkurrenz nieder. In die Ära Berlusconi (1986-2007*) ergatterten die Rossoneri sechs Meistertitel, vier Champions League-Titel und zwei Weltpokale. Sie gilt bis heute als die erfolgreichste Ära, die je ein Klubpräsident erlebt hat. Die ersten Finanzskandale Die 90er Jahre gelten generell als „das“ Jahrzehnt des italienischen Klubfußballs. Von den 30 Titeln (jeweils 10 CL-, Cup der Cupsieger- und UEFA-Cup-Titel), die die UEFA von 1990-1999 ausspielen ließ, gewannen italienische Vereine 13. Italien galt in dieser Zeit als das Paradies des Fußballs, eine Vielzahl an namhaften Stars spielte in Italien. Doch was bei all dem Prunk vergessen wurde, war der finanzielle Aufwand, der hinter all dem steckte. Der Calcio hatte in dieser Zeit Millionen verschlungen. Erst in den Anfängen des 21. Jahrhunderts tauchten die ersten Finanzlöcher auf. Zahlreiche namhafte Klubs wurden an den Rand des Ruins gedrängt. Viele Vereine leiden noch heute an den Folgen der Misswirtschaft der 90er Jahre. Große Kluft und politisches Geplänkel Die Gründe für diese übermäßige „Geldvernichtungslust“ lagen schlicht und einfach an der Zwei-Klassen-Gesellschaft, die den Calcio noch heute durchbricht. An ihrer Spitze sind die drei Großen aus dem Norden, die beiden Klubs aus Mailand, AC und Inter, sowie die „Alte Dame“ aus Turin, Juventus. Dahinter dann die Sintflut, in dem Fall der Rest der Serie A. Denn um mit diesen drei Vereinen mithalten zu können, hatten sich die „Kleinen“ jahrelang mit Schulden überladen, an denen sie zu guter Letzt zusammenbrechen mussten. Die Schuldenberge vieler Klubs waren dermaßen groß, dass der Staat zur Rettung dieser und zu guter Letzt des vielgeliebten Calcio sogar rechtswidrige Gesetze erlassen musste. Die Fans dankten es den Politikern mit Stimmen. Fußball war bzw. ist in Italien bis heute gleichbedeutend mit Aufstieg und Untergang, mit Macht und Bedeutungslosigkeit. Berlusconi wusste dies stets zu nutzen, was ihm viele AC Milan-Fans, die politisch meist links der Mitte standen, nie verzeihen konnten. Berlusconi selbst war Chef des Mitte-Rechts Bündnisses „Forza Italia“. Nach der EM 2004 musste der Chef der „Rossoneri“ sogar soweit gehen, den möglichen Wechsel des römischen Liebkindes Francesco Totti zum AC Milan zu dementieren, da es ihn möglicherweise die Wahl hätte kosten können. Im italienischen Parlament gibt es übrigens Bündnisübergreifende Fanclubs. Eine immerwährende Liebe Der italienische Fußball ist nicht ohne Grund der größte und meistgeliebte der Welt. In keinem anderen Land der Welt werden Fußballer so sehr verehrt wie in Italien. Kein anderes Land hat soviel für den Fußball aufgegeben und keines ließ sich so sehr von Fußball beeinflussen wie Italien. Selbst der drohende spielerische Untergang vieler Vereine, Korruptionsskandale, finanzielle Unregelmäßigkeiten, Flugzeugabstürze oder andere Katastrophen konnten die Italiener davon abhalten, weiter an ihren Fußball zu glauben. Selbst die Ausschreitungen gewaltbereiter Ultras konnten dem Calcio nichts anhaben. Die Menschen des „Stiefels“ vergöttern ihren Calcio und wer kann es ihnen bei einer so großen Geschichte auch verdenken. Italien wurde übrigens 2006 zum vierten Mal Weltmeister. © http://www.offside.at bearbeitet 6. März 2007 von pironi 0 Zitieren Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
laziale Teamspieler Beitrag melden Geschrieben 6. März 2007 Italien, das Land der Gegensätze, auf der einen Seite kompliziert und gleichzeitig sehr erfolgreich....unbeschreiblich!! Das macht Italien ja so interessant; Die Italiener sorgen immer für Chaos und Skandale, aber wenn es um was wichtiges geht, haben si die nötige Qualität um sich durchzusetzen und kühlen Kopf zu bewahren.... 0 Zitieren Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
american Go Bears Beitrag melden Geschrieben 6. März 2007 Italien, das Land der Gegensätze, auf der einen Seite kompliziert und gleichzeitig sehr erfolgreich....unbeschreiblich!! Das macht Italien ja so interessant; Die Italiener sorgen immer für Chaos und Skandale, aber wenn es um was wichtiges geht, haben si die nötige Qualität um sich durchzusetzen und kühlen Kopf zu bewahren.... So und nicht anders 0 Zitieren Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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