Genialer Kommentar zu Celtic - FC Porto


mariodonna

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Alter, sehr alter ASB'ler

Hier der geniale geschriebene Kommentar der NZZ zum Uefa Cup Finale:

Happening ohne Happy End

Friedliche Invasion der «grün-weissen» Armee am Uefa-Cup-Final

1970 stand der Celtic FC letztmals in einem Meistercup-Final, den er in Mailand gegen Feyenoord verlor. 1967 hingegen eroberten die Kelten den wichtigsten Pokal des europäischen Fussballs in Lissabon gegen das favorisierte Inter-Team. Zum Teil mit 67er-Trikots reisten Zehntausende von Anhängern des populären schottischen Vereins nach Andalusien - Zeugen eines neuerlichen Triumphs wurden sie aber nicht.

Der Uefa-Cup-Final 2003 trug sich in drei Akten zu. Voraus ging den beiden sportlichen Halbzeiten ein Happening, wie es selbst abgebrühte Habitués an fussballerischen Höhepunkten kaum je erlebt haben. Wer bisher von der fussballverrückten Anhängerschaft aus Glasgow im Allgemeinen und vom Celtic FC im Speziellen nur vom Hörensagen wusste, konnte sich in Sevilla bildhaft davon vergewissern. Zwischen 50 000 und 80 000 Fans, rund 30 000 davon mit Eintrittskarten, waren gemäss Schätzungen in der Stadt eingefallen und hatten Strassen und Plätze in uniformem grün-weissem Tuch in Beschlag genommen. Aus Schottland waren sie mehrheitlich angereist, aber u. a. auch aus New York, Phoenix, San Antonio und Toronto, und selbst in Johannesburg oder Sidney wohnhafte Supporter hatten es sich nicht nehmen lassen, sich nach aufwendigem Deplacement dieser irisch-katholisch motivierten Prozession in der Backofenhitze Andalusiens anzuschliessen. Wundert es da noch, dass die «katholischen» Kelten heute noch Zuschauerrekorde im europäischen Fussball halten? 146 433 Schaulustige am schottischen Cup-Final 1937 gegen Aberdeen oder 133 961 am Meistercup- Halbfinal 1970 gegen Leeds United, beide Partien im legendären alten Hampden Park, sind heute noch einsame Marken. Die Flughafenkapazität in Sevilla reichte nicht aus für diese Art von Invasion, von den 350 Jets mussten knapp 100 nach Málaga und Jerez ausweichen.

Eine Friedensdemonstration

Dass es sich hierbei um eine besonders friedfertig-gesittete und mit fröhlichen Gesängen untermalte Eroberung handelte, muss hervorgehoben werden zu Zeiten noch immer nicht ausgerotteten Hooliganismus. Weder vor noch nach dem nicht nach schottischem Gusto ausgegangenen Endspiel hielten sich Aggressionen in sehr engen Grenzen, überwog der gegenseitige Respekt zwischen südländisch anmutenden Briten und atlantisch schwermütigen Lusitanern. Manch ein Grün-Weisser ging beim Abgang im chaotischen Gewirr des Expo-Geländes von La Cartuja spontan auf blau gewandete Passanten zu und applizierte Shakehands, oft stellten sich die vorgängig «verfeindeten» Parteien gar zum nächtlichen Gruppenbild im Blitzlichtgewitter. Wenn man noch in Rechnung stellt, welche rekordträchtigen Tonnen gelblichen Gerstensaftes in diesen Tagen aus den Zapfhähnen der Stadt flossen und wie unerbittlich intensiv die Sonne zu dieser Jahreszeit schon auf den Asphalt brannte, muss die Belagerung als ausserordentlich rücksichtsvoll bezeichnet werden. Ohne Murren strömten die Massen auf freie Plätze oder unter Zeltdächer, wo zum Entgelt von 10 Euro das fussballerische Geschehen auf Grossleinwänden verfolgt werden konnte. Mit dieser distanzierten Anteilnahme musste mindestens die Hälfte der «green-white army» vorlieb nehmen, die andere hatte es zum Teil wie durch ein Wunder ins seit den Leichtathletik-Weltmeisterschaften nicht mehr oft benutzte «Olímpico» geschafft.

Mehr Emotionalität denn Qualität

Das Team des Celtic Football Club konnte dieser vorbehaltlosen Unterstützung mindestens 45 Minuten lang und insgesamt spielerisch nicht ganz Rechnung tragen. Mit seinem rustikalen Stil blieb das internationale Spieler-Gemisch unter dem Niveau der mustergültigen Anhänger - was diesen völlig gleichgültig blieb. Briten haben, wie man weiss, ziemlich andere Vorstellungen von den Ingredienzen dieses Spiels: Kampf & Kraft - überspitzt ausgedrückt: Kick & Rush - stimmen die Fans glücklich in Schlachtgesänge ein, Corners wie Einwürfe werden fast so frenetisch applaudiert wie Erfolge. Dass sich der 38fache schottische Meister und 31fache Cup-Sieger nach einem Rückstand gegen den FC Porto zweimal rasch wieder zurückkämpfte, war exakt das richtige Pulver, um die Fans auf den Rängen zur Ekstase zu bringen. Deshalb lebte der Uefa-Cup- Final von Sevilla über weite Strecken von der Ambiance, von der Emotionalität und vom sagenhaften Lärm, mit dem die grün-weisse Kulisse die blau-weissen Portistas in der Ostkurve buchstäblich zudeckte.

Ein einziger atmosphärischer Wermutstropfen trübte die andalusische Nacht: Die gellenden Pfiffe der schottischen Zuschauer zur lusitanischen Siegesfeier wollten so schlecht zum Gesamtbild passen. Sie drückten anderseits nur aus, dass dem Gegner und seinem gänzlich anders gearteten Spielstil keine besonderen Sympathien zuflogen - nicht verwunderlich angesichts der stark divergierenden Auffassungen über Fussball. Der portugiesische Meister hatte diese Respektlosigkeit nicht verdient. Er trat verdientermassen als Mannschaft mit der ungleich kultivierteren Spielweise aus diesem Endspiel hervor, auch wenn er vorübergehend - speziell nach dem zweiten Ausgleich von Celtic - das Diktat aus den Händen gab und sich zuweilen von den sich generös verausgabenden, in ihren Mitteln aber ziemlich braven Briten unter Druck setzen liess.

Derlei contra Larsson

Zu den Höhepunkten des 133 Minuten langen Finalspiels gehörte, von der individuellen balltechnischen Überlegenheit der Portugiesen abgesehen, die herausragende Rolle des Brasilianers Deco im Aufbau des nachmaligen Siegers. Erst in der Schlussphase unterliefen ihm einige Fehlpässe; zuvor hatte er mit seiner stupenden Technik und Übersicht die Farbtupfer in einer zwar spannenden und intensiven, substanziell aber mittelmässigen Partie gesetzt. Noch mehr Aufmerksamkeit rief freilich das Duell der beiden besten Torschützen in diesem Uefa-Cup-Wettbewerb hervor: hier der Brasilianer Derlei, der einzige in Portos Team, der in allen 13 Wettbewerbsspielen auf dem Feld stand, dort der Schwede Henrik Larsson, ein Temperamentbündel und instinktiver Goalgetter. Beide hatten sie bis zum Endspiel je neun Treffer erzielt. Derlei machte den Anfang in diesem internen Duell mit dem 1:0 Portos, Larsson verwandelte mit einer Doublette den Rückstand in eine Führung, und des Brasilianers Schlusspunkt in der 115. Minute war weit mehr als ein persönlicher Erfolg. Er bedeutete die Entscheidung in der Verlängerung und liess die Lusitaner, deren nationales Fernsehen rund um die Uhr aus Sevilla auf Sendung blieb, bis in die Morgenstunden schwelgen über den wichtigsten Triumph seit dem Sensationssieg im Meistercup- Final von Wien gegen den FC Bayern München.

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So möchte man Fussball lesen, oder? :super:

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