Come on England !


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WM-Extra: Kein anderes Land wird im Sommer von so vielen Fans begleitet werden - 11.01.2006 13:50

Come on England!

Sie kommen. Frank Lampard und Co. werden von 100 000 Fans zur WM begleitet. Die haben ein schlechtes Image. Aber: Stimmt das noch?

Erstaunlich, diese Fähigkeit zur Selbstironie, in diesem Zustand: Versoffen und versifft streunt Mark an der Gegentribüne des Waldstadions entlang. Auf dem Weg in seinen Block singt er grinsend vor sich hin: "We are drunken english bastards".

Die selbsternannten betrunkenen Bastarde haben an diesem Nachmittag des 18. Juni ’88 keinen Rausch, aber einen fiesen Kater. In ihrem Käfig, auf Stehplätzen eingesperrt wie Tiere, verhöhnen sie John Barnes und Co. Das hier, das ist nicht mehr "ihr" Team, die von Bobby Robson geführte Nationalelf verabschiedet sich mit einem erbärmlichen 1:3 im letzten Gruppenspiel gegen die Sowjetunion von der Europameisterschaft.

18 Jahre später, am 10. Juni 2006, beginnt für England der nächste große Titelkampf auf deutschem Boden. Wieder Frankfurt, diesmal gegen Paraguay. Bryan Robson heißt jetzt Frank Lampard, statt Glenn Hoddle spielt Steven Gerrard. Ihre Aussichten sind gut, die Hoffnungen groß. Aber: Wer sind die Marks von der Insel? 1988 gab es zur Begrüßung Knüppel statt Kultur, jetzt sollen sie Freunde sein. Die Erwartungen sind zwiespältig.

Ihr Ruf als nicht zu bändigende Horde mit Schlägern aus so genannten "Firms" – entstanden in den Siebzigern, gefestigt in Europapokal-Nächten der Achtziger, manifestiert zuletzt in den Neunzigern vor allem auf Länderspiel-Reisen - ist Furcht erregend.

Wehe, wenn sie losgelassen? Die WM in Japan und Südkorea 2002 war ein Indiz, die EURO 2004 der Beweis für eine Wandlung. Ihren Anfeuerungsruf darf man getrost auch als Einladung formulieren: Portugal erlebte einen friedlichen Feldzug im Zeichen des St.-Georgs-Kreuzes. Die England-Fans, 70 000, wurden wie schon zwei Jahre zuvor zu den besten des Turniers gewählt. Die EM war die erste große Endrunde auf europäischem Boden seit Jahrzehnten ohne Krawall.

"Wir sind jetzt die Party-Animals" - Interview mit Kevin Miles

Die Gründe dafür sind fast so vielschichtig, wie die Ursachen der "englischen Krankheit", die rasch auch schwer therapierbare Patienten auf dem Kontinent befiel. Die EM 1996 im eigenen Land war der letzte Anstoß für die Regierung, dem Hooliganismus mit drastischen Strafen, aber auch Präventionsprogrammen zu begegnen.

Kurze Prozesse mit Gewalttätern, Meldeauflagen und Ausreiseverbote bis an die Grenze des in einer Demokratie Vertretbaren wirken. In der Saison 2004/2005 sank die Zahl der Verhaftungen in England auf durchschnittlich 1,2 pro Spiel. Bei den letzten neun Länderspielen wurden insgesamt nur fünf Personen festgenommen.

Nahezu 4000 polizeibekannten Personen, die auf der Insel Stadionverbot haben, werden vor der WM 2006 die Reisepässe entzogen, kündigte der zuständige Deputy Chief Constable of Staffordshire, David Swift an. Undercover-Agenten, deren Zahl geheim gehalten wird, sollen sich unter die Deutschland-Reisenden mischen, 40 Bobbies in voller Montur die deutschen Behörden vor Ort unterstützen. Diese Maßnahmen gelten "jenen zwei bis vier Prozent von über 100 000, die auf Krawall aus sind", sagt Swift, der oberste Polizist seiner Majestät für die schweren Fußball-Fälle.

Um die anderen kümmern sich Kevin Miles und seine bis zu 20 Mitarbeiter in den mobilen und stationären Fan-Botschaften in enger Teamarbeit mit den deutschen Betreuern. Deren Mitarbeit im deutschen Sicherheitskonzept hat das britische Innenministerium unmissverständlich gefordert. Das WM-OK und die Koordinationsstelle Fan-Projekte (KOS) nutzen die englischen Erfahrungen auch für den Umgang mit Fans aus anderen Nationen - und nicht zuletzt für den mit den deutschen Kandidaten. Die Strategie: Die Fußballfreunde mit einer fröhlichen Atmosphäre empfangen. Die Polizei soll im Hintergrund präsent sein. Geht das gut?

Eine Antwort darauf gibt es bereits am Tag des Eröffnungsspiels. Wenn Deutschland in München auf Costa Rica trifft, sind auch die Engländer schon in Frankfurt, in bierseliger Erwartung ihres Auftaktspiels am Tag darauf. Beim "Public Viewing", Massenveranstaltungen mit Live-Übertragungen auf Großleinwänden, droht die größte Gefahr für Randale, nicht vor oder in den Stadien.

In England werden diese "Fanfeste" ausdrücklich begrüßt, zumal die Mehrheit der Landsleute ohne Tickets anreist. Kevin Miles: "Das Schlimmste wäre, wenn die das Spiel nicht sehen könnten." Das Beste also sei, auch in den Städten Stadionatmosphäre zu schaffen.

Bei der WM 1998 in Frankreich blieb es vor der Großleinwand nicht beim Singen und Saufen. Bei den Jagdszenen im Hafenviertel von Marseille, am Rand des englischen Auftaktmatches gegen Tunesien, waren englische Randalierer unter den Tätern, friedliche Landsleute, Frauen wie Männer, aber auch Opfer. Für Banden aus sozialen Brennpunkten ist der Besuch von England in der Stadt eben immer auch eine "Herausforderung". "Deshalb", sagt Kevin Miles, "ist es wichtig, dass auch Engländer sich sicher fühlen. Wir wollen ja nicht, dass keine Polizei da ist." Thomas Schneider (46), der Leiter der deutschen Fan-Projekte, erinnert an die EURO 2000. In Holland, wo die Fans entspannt empfangen wurden, war das Turnier weitgehend störungsfrei, in Belgien schürten martialisch auftretende Sicherheitskräfte und provokante Jugend- Gangs die Aggressionen.

"Erwähnt den Krieg nicht." - Sven Göran Eriksson (Nationaltrainer)

"Vorurteile abbauen, um Provokationen vorzubeugen", will der stellvertretende Botschafter Hugh Mortimer. Die britische Botschaft wird um 20 Mitarbeiter aufgestockt, mit Andy Battson wurde eigens ein Fußball-Attaché nach Berlin berufen. Die bedeutenden Tageszeitungen Großbritanniens veröffentlichten gleich nach der Gruppen-Auslosung die ebenso ernsthaften wie augenzwinkernden Tipps für Deutschland-Besucher. David Beckham und Co. rufen in TV- und Kino-Spots zu gutem Benehmen auf. Auch Nationaltrainer Sven-Göran Eriksson schaltet sich in diese Offensive ein: "Don’t mention the war" ("Erwähnt den Krieg nicht"), empfiehlt der 57-jährige Schwede. Was Tausende junger Männer sicher nicht davon abhalten wird, "Dambusters March" zu grölen und dabei, mit waagrecht ausgestreckten Armen schwankend, britische Flugzeuge im Anflug auf Deutschland zu symbolisieren. Oder "Ten german bombers" wie "Zehn kleine Negerlein" der Reihe nach singend abzuschießen. Bedeutender als diese politisch unkorrekten, aber harmlosen Gesänge ist der Kampf um Karten. Der englische Verband kann mit seinem Kontingent nicht einmal den offiziellen Fan-Cub der Nationalmannschaft - mit 25 000 Mitgliedern sind die "EnglandFans +" eine geschlossene Gesellschaft - befriedigen.

Wie Sportminister Richard Caborn appelliert auch Eriksson an die FIFA: "Kein anderes Land wird im Sommer von so vielen Fans begleitet. Um Problemen vorzubeugen, muss es für sie mehr Karten geben." Der Weltverband signalisierte bereits, dass die zahlreichen Rückläufe aus Paraguay und Trinidad und Tobago (15. Juni in Nürnberg) gar nicht erst in den freien Verkauf sondern direkt an England gehen könnten.

Und damit, so erwarten PolizeiExperten, auch an "deutlich mehr Frauen, Kinder und Familien" als je zuvor bei großen Turnieren. Gut möglich also, dass Mark Sohn und Tochter mitbringt. Auf jeden Fall aber ist ein frisches T-Shirt im Gepäck. Drauf steht: "Germany 1, England 5. Don’t mention the score".

Jörg Jakob

Quelle: Kicker.de

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