Cagliari - Bologna, 1:0


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Bester Mann im Team

Die „Unvollendete“ von Schubert war gestern (sprichwörtlich gesehen; tatsächlich war sie ja schon 1822). Ab heute beschäftigt sich die Welt mit meiner unvollendeten Stadionsinfonie.

Irgendwann – aus heutiger Sicht zu spät – beschlossen alle Spielstätten der WM 1990 von mir besucht werden zu wollen. Harmonisch wurde der Stiefel von Udine bis Palermo durchmusiziert bis nur noch Bari und Cagliari übrig blieben. Eile war nur geboten als mir im Sommer die Neubaupläne auf Sardinien zu Ohren kamen. Sodann wurde nach Veröffentlichung des Spielplanes eine Reise in die Inselhauptstadt geplant. Doch schon vor der Abreise die ernüchternden Misstöne: Das anvisierte Stadio Sant’Elia wurde wegen akuter Gefährdung der Zuschauer gesperrt, die Heimspiele trägt Cagliari ab sofort in einem noch in Bau befindlichen Stadion in der Nachbarstadt Quartu aus. Die Unvollendete Stadionsammlung war geboren! Dem geprügelten Stadionkomponisten blieb nur noch die sentimentale Umrundung des vergitterten Objektes im Stadtteil Sant’Elia. So musste sich Schubert also gefühlt haben als er in h-Moll komponierte.

Mit fachmännischem Blick hätte ich diesem Ground die sofortige Freigabe für ein letztes Spiel gegeben (aber das hätte ich wohl auch, wenn es aus vergilbtem Papier gebaut wäre). Warum ließ man dieses Prachtstück nur so vergammeln? Diese Frage sollte in der Geschäftsstelle des Vereins geklärt und bei dieser Gelegenheit auch gleich das Ticket für das morgige Spiel in Quartu mitgenommen werden. Zu Fuß wurde die Stadtautobahn für den Weg ins Zentrum gewählt. Weil Drittens wenig Verkehr, es Zweitens der kürzeste Weg war und weil Erstens ein Fußgänger auf der Autobahn in Süditalien keine Sau interessiert.

Die Ticketfrage wurde mit einem vernichtendem „solo abbonati“ beantwortet.

Der Hintergrund: Nach der behördlichen Sperre des Stadions Sant’Elia musste das Stadion Is Arenas in Quartu auf die Schnelle mittels Stahlrohrtribünen Erstligatauglich gemacht werden. Zum ersten Spiel gegen AS Roma wurden ohne statische Freigabe Tickets zum Verkauf angeboten. Dies beantwortete der Verband prompt mit einer Spielabsage und einer 0:3 Strafbeglaubigung. Mittlerweile wurde eine Längsseite mit fünf- bis sechstausend Plätzen freigegeben, was ein klein wenig mehr als der Anzahl der Dauerkartenbesitzer entspricht. Also: Solo abbonati und… Journalisten! Musste eben mal die Habt-ihr-Flaschen-mein-mail-nicht-bekommen-Masche angewendet werden…

Architektonisch spielt das Stadio Is Arenas keine großen Partituren. Ein Stahlrohrprovisorium eben, das – wie alle Provisorien im Süden – wohl lange Bestand haben wird. Vier eigenständige Tribünen, eine davon überdacht, der Gästeblock in ein Eck gepfercht. Einen Augenschmaus bietet jedoch die gut erkennbare alte Tribüne dieses Grounds, auf der ein Teil der neuen Stahlkonstruktion aufsteht.

Ironischer Weise wird die Ostseite des Stadions von der Via Beethoven begrenzt. Dessen zehnte Sinfonie wird ja auch als eine Unvollendete bezeichnet (sofern man die vorhandenen Fragmente dieses Stückes grundsätzlich als Sinfonie durchgehen lassen will). Ob die Straße schon immer so hieß oder erst kürzlich zu meiner Zweifelsehre so benannt wurde will ich nicht wissen. Jedenfalls sammelten sich an deren Ende zirka dreißig Mann der „Sconvolts“ (ein Einheimischer hat mir das etwa mit „die Bekifften“ übersetzt), der hiesigen Ultragruppierung. Diese sind als non tesserati naturgemäß auch non abbonati und mussten daher an diesem Nachmittag leider draußen bleiben. Irgendwie erinnerte dieses Häufchen ein wenig an die aktuelle Situation beim LASK, auch wenn die Umstände andere sind.

Aus der Entfernung zeigten sie sich vorerst wenig musikalisch. Als sie beim näherkommen jedoch meinen Dirigentenstab als Fotoapparat enttarnten bot einer ein Tänzchen an, worauf aber dankend verzichtet wurde.

Das Spiel begann schleppend, man will doch der Tabellensituation gerecht werden. Und da sich die Tabelle bekanntermaßen erst nach dem Schlusspfiff ändert, begann auch die zweite Spielhälfte auf unterem Serie A-Niveau. Erst der Führungstreffer eine halbe Stunde vor Schluss beflügelte die Heimmannschaft derart, dass sie am Ende dem 2:0 näher war als die Gäste dem Ausgleich.

Ohne Ultras keine Stimmung, so ist es nun mal. Wer etwas Anderes sagt liegt ganz einfach falsch. Auch die geschätzten einhundert Gäste entstammten dem Normalo-Segment (trotz mitgebrachter Schwenkfahnen) und stehen bei ihren Heimspielen wohl nicht in der Curva Andrea Costa des Stadio Dall’Ara.

Ohne Stadio Sant’Elia keine Komplette Stadionsammlung, so ist es nun mal. Und so wird es auch in ferner Zukunft noch sein, wenn die Menschheit Schuberts Siebente oder Beethovens Zehnte hört und dabei an meine Unvollendete „Italia 90“ denkt…

Foto guckst du da:

https://picasaweb.google.com/101341654167437892390/ItalienQuartuSantElenaStadioIsArenas#

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