Die Sache mit den Scheichs


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Mit dem Nahen Osten hatten wir Fussballverfolger bis vor kurzem wenig am Hut.

Katar, Vereinigte Arabische Emirate, Kuwait? Das war fussballerisch gesehen das Gleiche wie Zypern, Kongo oder Neuseeland, nämlich; Niemandsland.

Ab und zu hörte man von alternden Ex-Stars, die ihren Leistungszenit nur noch aus dem Fotoalbum kannten und aufgrund ihres Namens und ihrer Berühmtheit in die Wüste geholt wurden, um vor dem Ruhestand noch einmal gutes Geld für lockeres Kicken zu verdienen. Das wars.

Die Wüsten-Engagements der Effenbergs und Baslers ließen damals auf den ersten Blick auf zwei Tatsachen schließen: Dort unten scheint irgendwo, irgendjemand viel Geld zu haben und dem Fussball nicht abgeneigt zu sein.

Inzwischen aber hat die Vermutung von damals eine neue Ära im Weltfussball eingeläutet, denn:

Die Scheichs sind da.

Am 01.September 2008 wurde der Stein ins Rollen gebracht und erschütterte die Fussballwelt:

die Abu Dhabi Investment Group, die zehn Prozent der weltweiten Ölreserven besitzt, kaufte den englischen, hoch verschuldeten Traditionsverein Manchester City.

Inzwischen hat man sich an die alltäglichen Scheich-Schlagzeilen gewöhnt: der Eine kauft Portsmouth, der Andere bezeichnet sich charmant als Bulldozer, der jedes Hindernis in der Fussballwelt aus dem Weg räumen werde, der Nächste will Aktionär beim AC Mailand werden.

Um die Gründe für den plötzlichen Ansturm der Scheichs zu erfahren, wenden wir uns für einen Moment zunächst vom Fussball ab und der allgemeinen Situation des Nahen Ostens zu.

Das Gebiet der heutigen Vereinigten Arabischen Emirate bestand bis vor 50 Jahren nur aus Sand, doch dann ging alles ganz schnell: In den 60er Jahren wurden die ersten Ölfelder entdeckt, 1971 schlossen sich die sieben Emirate Abu Dhabi, Dubai, Sharjah, Ajman, Umm al-Qaiwain, Ras al-Khaimah und Fujairah zusammen und teilten fortan den Ölreichtum, und danach wurde bis heute der technische Fortschritt zweier Jahrhunderte nachgeholt. So kommt es, dass wir heute bei Dubai an das teuerste Hotel der Welt denken und nicht an Wüstendörfer. Der aktuell reichste Scheich Fahd Ibn Abd Al-Asis soll 40 Milliarden Öl-Dollar besitzen und jeden Tag an die 3 Millionen Euro ausgeben.

Öl haben sie also, die Scheichs, Kohle dadurch auch reichlich, schön für sie. Sollen sie ihre Luxushotels, Einkaufszentren und Riesenvillen bauen, doch was wollen sie mit mittelmäßigen, englischen Fussballklubs?

Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan ist der Sohn des Gründervaters der VAE, besitzt 17 Milliarden Dollar und ist seit einem Jahr der Besitzer von Manchester City. Versetzen wir uns einmal in seine Gedankenwelt vor der Übernahme:

"Das mit Ferrari war wohl nix. Gut, jetzt gehören mir 5 Prozent davon und dadurch haben wir ab 2009 die Formel 1 bei uns in Abu Dhabi, weltbekannt bin ich aber immer noch nicht. Ich habe 17 Milliarden, verdammt! Mein Vater hat die Vereinigten Emirate gegründet! So einen kennt keiner außerhalb von Abu Dhabi? Das muss sich ändern.

Mal sehen, ich brauche etwas, das jeder kennt, jeder liebt, und dass mich dadurch auch bekannt macht. Finanziell lohnen muss es sich auch, bin ja schließlich Geschäftsmann. Hmmm...

Wie wärs mit Fussball? Ich kauf mir einfach ein stinknormales Mittelmaßteam, danach die besten Fussballer der Welt und schon bin ich der Held. Das ist es! Dieser eine Christiano Nochwas soll doch der Beste zurzeit sein? Oder ist es immernoch Zidane? Egal, um die Kleinigkeiten wird sich dann schon noch jemand kümmern. Mein Schwiegervater, der alte Schnösel aus Dubai, versucht ja seit zwei Jahren, Liverpool zu kaufen und kriegts nicht auf die Reihe. Wenn ich vor dem mein eigenes englisches Team hätte, wie würde der Alte wohl schauen! So mach ichs, England also. Mal sehen, wer dort die meisten Schulden hat.."

Dieser innere Monolog mag zwar ein wenig überspitzt sein und wichtige betriebswirtschaftliche und finanzielle Aspekte der Entscheidung außer Acht lassen, die Hauptmotivation der Übernahmewelle durch die reichen Scheichs macht er aber deutlich:

Ruhm. Anerkennung. Protz. Erfolg. Den Öl-Konkurrenten und anderen Schwerreichen zeigen, wo der Geldhammer hängt.

So soll der oben erwähnte alte Schnösel, nämlich Scheich Mohammed bin Raschid al-Maktum, hauptberuflich Herrscher von Dubai, über die erfolgreiche Übernahme seines Schwiegersohnes in der Tat so erbost sein, dass er nun mehr und verbissener als zuvor daran arbeitet, einen Premier-League-Klub sein Eigentum nennen zu dürfen. So ist das heutzutage bei den Superreichen der Welt:

Was früher Yachten, palastartige Anwesen und Luxusflugzeuge waren, sind heute internationale Fussballvereine.

Und auch die Ruhmrechnung ging auf: durch die Übernahme von Mancity war und ist der Scheich in aller Munde und auch die Fans hatte er kurz nach der Übernahme gleich auf seiner Seite: Nachdem ihnen als Antrittsgeschenk ein gewisser Robinho präsentiert wurde, waren sie begeistert, erschienen in Scharen als Scheich verkleidet im Stadion und wedelten mit Geldscheinen, auf denen das Gesicht des Scheichs abgedruckt war.

Ein Fussballnostalgiker würde wohl sagen: Ölmillionen hin oder her, Titel garantiert das noch lange nicht, da kann der Scheich noch so die reichen Muskeln spielen lassen. Die von Manchester City, schau sie doch mal an. Zehnter sind die geworden dieses Jahr. Zehnter! Pah! Da sieht mans, wichtig is immernoch aufm Platz!

Das stimmt, aber genauso gilt im Fussball auch: Wichtig is aufm Konto.

Denn wer dort am meisten hat, bei dem stehen die besten Spieler aufm Platz. Ein Jahr nach der Übernahme macht der Scheich ernst und so sind nach Robinho inzwischen Spieler wie Gareth Barry, Santa Cruz, Tevez und Adebayor unter Vertrag. Der sportliche Erfolg ist nur noch eine Frage der Zeit.

Wie ist das alles denn nun zu bewerten, die Scheichs, die Millionen, die Transfers?

Das muss jeder für sich selbst entscheiden, doch Irgendetwas fühlt sich bei der ganzen Sache nicht richtig an.

Irgendetwas stört Einen daran, dass ein Gareth Barry als Kapitän von Aston Villa den Fans zusichert, dass er nur der Champions-League wegen wechseln würde, um dann zum Tabellenzehnten zu gehen.

Dass die Manchester City-Fans in Zukunft zwar Weltstars zujubeln dürfen, im Hinterkopf aber immer haben müssen, dass diese Spieler vor zwei Jahren über ein Engagement bei City nur gelacht hätten.

Dass ein Robinho am 31.08.2008 erklärt: "Ich will nur zu Chelsea!", um zwei Tage und ein doppelt so hohes Angebot später bei City unterschreiben.

Geld über alles, Geld über Perspektive, über Erfolg, über Identifikation.

Robinho unterlief bei seiner Vorstellung in Manchester ein Versprecher, der das noch einmal unterstrich:

"Ich bin glücklich darüber, bei Chelsea zu spielen." , sagte er.

Ist ja auch fast das Gleiche.

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