Sigi Bergmann-Interview


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Ganz interessantes Interview, vielleicht interessierts wen... ;)

"Klitschko besitzt keine Nehmerqualitäten"

Sigi Bergmann kommentierte einschließlich Peking 2008 19 Olympische SpieleWien – Sigi Bergmann hat zwei große Leidenschaften.

Zum einen natürlich den Sport – im Speziellen das Boxen.

Über Jahre zog der heute 71-Jährige Hunderttausende TV-Zuseher mit seinen Kommentaren zu den diversen Sportübertragungen des ORF in seinen Bann.

Promovierter Historiker

Den Olympischen Spielen drückte der gebürtige Steirer seinen ganz eigenen Stempel auf.

Mit den Sommerspielen in Peking beendete Bergmann seine Tätigkeit als Kommentator beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

Doch wirklich in Pension ist der promovierte Historiker nicht. Als ATV-Boxkommentator und Autor ist er auch in seinem „Ruhestand“ sehr umtriebig.

Die Oper als zweite Leidenschaft

Und auch seine zweite große Leidenschaft nimmt nach wie vor einen großen Platz in seinem Leben ein: Die Oper.

Beim Interview-Termin mit LAOLA1 in Hütteldorf kommt die große Bedeutung dieser musikalischen Gattung des Theaters für ihn besonders charmant zur Geltung.

Das Gespräch wird durch ein Telefonat mehrere Minuten unterbrochen, in der Bergmann mit voller Passion eine zuletzt gesehene Oper reflektiert.

Im Gespräch mit LAOLA1 zeigt sich Bergmann ebenfalls voller Leidenschaft und spricht über die Verbindung zwischen Boxen und Oper, Doping und Olympia, Box-Krise und Marcos Nader.

LAOLA1: Viele bezeichnen Sie als Sportreporter-Legende. Wie gehen Sie damit um?

Sigi Bergmann: Das ist mir eher unangenehm. Denn dieser Begriff hat etwas mit der Historie zu tun und ich lebe immer noch im Hier und Jetzt. Aber mit 71 Jahren ist das vielleicht legitim.

LAOLA1: Wie war der Umstieg vom Vollzeit-Sportreporter in die Pension, die bei Ihnen sicherlich nicht klassisch ausfällt?

Bergmann: Ich hatte schon Probleme damit. Aber was ich nie für möglich gehalten habe, ist, dass mein Ruf immer noch hält – ich dachte, das wäre nach einem Jahr vorbei. Ich hätte das verstanden, denn wir leben in einer kurzlebigen Zeit. Aber die Leute erinnern sich besonders an meine Stimme. Das ist mir auch lieber, denn im Alter wird man auch nicht schöner.

LAOLA1: Werden Sie nach Ihrem Comeback in Peking doch noch in Vancouver 2010 kommentieren?

Bergmann: Ich habe 19 Olympische Spiele betreut und die letzten waren jene in Peking.

LAOLA1: Woher kommt Ihre Liebe zum Boxen?

Bergmann: Ich habe mich schon immer damit beschäftigt. Der Ursprung meiner Box-Begeisterung war nicht nur, dass ich auf der Universität einige in die „Goschn“ bekommen habe und Gott sei Dank aber auch die Schädel meiner Gegner bearbeiten konnte, sondern ebenso der historische Hintergrund. Der Boxsport war in der Antike ganz groß und ich habe in meinen Übertragungen immer gesagt: Das Boxen ist eigentlich die Quadratur des Kreises, weil der Ring eben ein Quadrat ist. Das Faszinierende ist für mich aber einfach diese Urdramaturgie: Zwei halbnackte Männer kämpfen auf einer Bühne. Und Männer kämpfen in allen Lebenslagen.

LAOLA1: Worin liegt die Verbindung zwischen ihren Leidenschaften Boxen und Oper?

Bergmann: Es gibt viele Verbindungen, die man wieder in dieser so genannten Urdramaturgie bündeln kann. Die Akteure stehen im Scheinwerferlicht und kämpfen – um was auch immer: Ruhm, Macht oder Geld. Einziger Unterschied ist vielleicht: Die Oper ist um einiges brutaler als Boxen, sie endet zumeist mit Mord und Totschlag.

LAOLA1: Was wären Sie lieber geworden – Profi-Boxer oder Opernsänger?

Bergmann: Da hätte ich nicht einmal eine Tausendstel Sekunde für diese Entscheidung gebraucht: Opernsänger. Ich habe immer gesagt, dass ich mit meinem Beruf unendlich glücklich gewesen bin – aber ich habe stets versucht, die Kunst in den Sport hineinzubringen. Das war bei „Sport am Montag“ der Fall – Jose Carreras und Placido Domingo waren beispielsweise bei mir zu Gast. Ich habe immer versucht den Sport hochzuheben, in dem ich immer eine Parallelschiene zur Kultur herstelle, und diese beiden als gleichbleibende Phänomene skizziert.

LAOLA1: Ihre schönste Boxerfahrung, die Sie jemals gemacht haben?

Bergmann: Da gibt es viele, im Speziellen aber die Kämpfe von Muhammad Ali. Der erste Kampf, den wir live übertragen haben, gegen Frazier. Dieser große Comeback-Fight, in dem Ali in Runde 15 zu Boden ging und Frazier gewonnen hat – zwei Millionen Österreicher haben sich das um vier Uhr in der Früh angesehen. Das hätten weder Luciano Pavarotti, noch die Beatles, noch die Rolling Stones zu Stande gebracht. Ali war einfach etwas Besonderes – er war ästhetisch perfekt und boxerisch ein Unikat. Ein Phänomen – umso mehr trifft mich sein Lebensschicksal.

LAOLA1: Analog zur vorigen Frage: Ihre schlimmste Boxerfahrung?

Bergmann: Ich habe natürlich mit Hans Orsolics mitgelitten. Er war ein ganz tolles Talent, er hatte das Zeug zu einem Weltmeistertitel. Physisch - mehr sage ich nicht. Er ist mit 27 Jahren in Pension gegangen, geschickt worden eher. Dass er dann total im Alkohol versumpft ist, ist unter diesen Umständen leider klar. In so einer Situation, wo du dein Leben mit 27 praktisch hinter dir hast, wird einfach zu Mitteln gegriffen. Umso mehr spricht es für ihn, dass er seit 20 Jahren keinen Tropfen Alkohol mehr getrunken hat - früher waren es vier Liter Wein pro Tag und Anderes. Der Hans war Gastwirt - das ist so als wäre ich Geschäftsführer einer Konditorei – und ich bin Diabetiker. Seine letzten Kämpfe haben mich schon erschüttert, auch weil ich den Hans als Menschen sehr gerne gehabt habe – ähnlich wie bei Ali.

LAOLA1: Marcos Nader ist momentan in Österreich der Name, mit dem man Boxen verbindet. Wie schätzen Sie seine Fähigkeiten ein?

Bergmann: Es ist so: Die Karriere eines jungen Profi-Boxers kann mit einem Schlag ausgelöscht werden. Aber von den Anlagen und der Einstellung zum Sport her, hätte Marcos das Zeug zu einem Großen. Und dass er jetzt im prestigeträchtigen Sauerland-Stall ist, beweist das. Aufgrund der Finanzkrise wird der Stall auch länger keinen mehr aufnehmen. Ich habe schon länger gesagt: Seit ich Marcos kämpfen gesehen habe, habe ich wieder Freude österreichisches Boxen zu sehen. Wie hart Marcos wirklich ist, kann ich aber nicht sagen.

LAOLA1: Was kann er erreichen?

Bergmann: Das ist noch zu früh, um es sagen zu können. Er hat noch zu wenige Profi-Kämpfe hinter sicher. Wohin es für ihn geht, kann man erst nach einigen Kämpfen mehr sagen.

LAOLA1: Was halten Sie von den Klitschkos?

Bergmann: Wladimir Klitschko ist Schwergewichts-Weltmeister und zweifelsohne ein guter Boxer, aber er besitzt keine Nehmerqualitäten. In seiner Karriere war er 16 Mal – das habe ich nachgezählt – am Boden. Und Nehmerqualitäten gehören einfach dazu - auch wenn er Weltmeister nach zwei Versionen ist, wird er daran früher oder später scheitern. Beide sind sehr gescheite und sympathische Typen, die sich gut verkaufen. Und beide sind sehr gute Boxer: Vitali war Weltmeister bei den Amateuren, Wladimir Olympiasieger 1996 in Atalanta. Sie können etwas, aber sie sind nicht so blendend, wie sie verbal auftreten.

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LAOLA1: Um den amerikanischen Boxsport scheint es momentan nicht gut bestellt zu sein...

Bergmann: Von den vier Weltmeistern im Schwergewicht kommen drei aus der Ukraine und einer aus Russland. Das muss für den amerikanischen Box-Fan das Desaster schlechthin sein. Bei den Olympischen Spielen in Peking war ein amerikanisches Box-Team am Start – so etwas Letztklassiges und Elendes habe ich noch nie gesehen. Diese Krise ist aber hausgemacht. Denn sie haben schlechte Trainer und die Boxschule an sich ist ebenfalls nicht gut. Die der Russen ist die beste. Das Amateur-Boxen ist entscheidend, momentan wird in den USA aber kein Wert darauf gelegt. Die Jungen werden gleich ins Profi-Geschäft gedrängt. Man sollte aber bedenken: George Foreman, Muhammed Ali, Joe Frazier, Floyd Patterson, Sugar Ray Leonard – alle waren Olympiasieger. Das ist der Beweis, dass man das Handwerkzeug braucht.

LAOLA1: Wie haben Sie die Boxkämpfe in Peking erlebt?

Bergmann: Es haben die ungeheuersten Schiebungen stattgefunden und das vor einem Millionen-Publikum. Die Punkterichter haben keinen „Genierer“ mehr gehabt. Dadurch haben die Chinesen auch hier ihre Medaillen erringen können. Also die augenblickliche Boxsituation ist sowohl bei den Amateuren als auch bei den Profis nicht gut.

LAOLA1: Und Peking an sich?

Bergmann: Peking als Veranstalter und als Organisator – so etwas wird es nie wieder geben. Das sind Wunderwerke der Architektur, aber geht wohl auch nur in einer Diktatur. Wenn aber das Ziel bei der Vergabe der Spiele war, mehr Liberalität zu schaffen, ist das gescheitert.

LAOLA1: Doping ist in Tagen wie diesen ein ganz großes Thema hierzulande. Wie sehen Sie die Situation?

Bergmann: Spitzensport ist grundsätzlich einfach gefährlich und absolut nicht gesund. Meine Meinung zum Thema Doping ist: Ich bin ein absoluter Gegner, denke aber, dass das notwendig ist, um zu gewinnen – und das ist einfach nur traurig. Da sind wir Sportjournalisten enorm schuld, weil wir immer weitere Steigerungen verlangen. Daher sind wir sicher mitbeteiligt. Und als quasi pensionierter Sportreporter traue ich mir auch zu sagen: Ich glaube, die Helden von Peking waren alle gedopt und die Chinesen haben die brutalen Kontrollen unterdrückt. Ich glaube, das an der Kinnform eines Michael Phelps ablesen zu können. Oder der 100-Meter-Lauf von Usain Bolt, bei dem er vorne weggelaufen ist und links geschaut hat, rechts geschaut hat und dabei Weltrekord erzielte. Ich kann es nicht glauben. Und auch bei Matthias Steiner im Schwergewicht – ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Ich weiß, dass es da Untersuchungen gibt und das wird alles noch einmal aufkommen.

LAOLA1: Wie sieht generell Ihre schönste Erinnerung als Reporter bei Olympischen Spielen aus?

Bergmann: 1988 war ich als Sportreporter in Seoul und meine Tochter als Teilnehmerin in der rhythmischen Sportgymnastik. Ich war trotz meiner Erfahrung so nervös. Und als wir und meine Kollegen – unter anderem auch Werner Schneyder für das ZDF – am Ring gesessen sind, und das Boxen verfolgt haben, wurde sie in einer Vorgruppe Erster. Da sind die Kollegen am Ring aufgestanden und haben mir applaudiert. Das war der Höhepunkt meiner Sportreporter-Karriere.

Bernhard Kastler

Quelle: LAOLA1.at

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