[Fußballwelt] Oster-Wichteln


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Ergänzungsspieler

Wie jedes Jahr, so fanden wir uns auch dieses Jahr wieder in Radenkos Vereinsheim ein, um Ostern zu begehen. Während wir an Weihnachten auf das tatsächlich deprimierend langweilige vereinsheiminterne Wichteln verzichten, wird an Ostern ein regelrechter Spaß daraus. Allerdings unterlassen wir es seit letztem Jahr , unsere Geschenke zu verstecken, kam es doch zu unschönen Szenen , die mehr an eine wilde Plünderung erinnerten, denn an eine Ostereiersuche.

Dieses Jahr hatte ich Kreuz-Chen gezogen. Ich brauchte nicht lange zu überlegen. Die Entscheidung war schnell gefällt. Ein vierter Wutzler. Wie berichtet, besitzt er bereits drei umgebaute Tischfußballtische. In denen haben das Wunderteam, die ´54er Mannschaft und jene von Cordoba in Form kleiner Figuren oder winzigen Grabsteinen Aufstellung genommen. Ihnen fügte ich jetzt einen vierten hinzu.

Meine internationalen Favoriten in loser Formation: Dino Zoff, Roberto Carlos, Klaus Augenthaler, Eric Cantona, Paul Gascoigne, Horst Hrubesch, Diego Maradona, Socrates, Zico, Johan Cruyff und natürlich der unvermeidliche Ingo Anderbrügge.

Da alle noch leben, sich dies aber zumindest bei Maradona bald ändern kann, habe ich dem Figurensatz kleine Grabsteine aus Marmorsplittern beigegeben. So kann Kreuz-Chen den Tisch immer aktuell halten. Sorgfältig und mit einem wissenden Lächeln inspizierte der Beschenkte die Spieler, vor allem Ingo Anderbrügge.

Der neue Trainer bejubelte indes lautstark eine Büste von Lucius Sergius Catilina. Unzweifelhaft eine Gabe Schmidt-Rieses. Der wiederum erhielt zwei Vogelstangen, befestigt an einem mannshohen Stab. Am Ende des Stabs waren zwei halbreisförmige Neonröhren angebracht. Sie überwölbten die rechte bzw. die linke Stange. Knipst man die Röhren an, leuchten in einem satten Rot die Namen Hugin und Munin. Dass dies eine Idee Kreuz-Chens war, liegt auf der Hand.

Der geneigte Leser muss dazu wissen, dass der Stammtisch am letzten Wochenende beschlossen hat, Viktor anzuweisen seine Lockrufe unverzüglich einzustellen. Lediglich einmal noch dürfe er versuchen einen Adler für sich zu gewinnen, so lautete der Beschluss. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war ein Unfall von Kreuz-Chens Frau. Auf der Suche nach ihrem Mann, der seinem Freund G. bei dessen Arbeit im Wald zeitweise Gesellschaft leistete, lief sie zum dritten Mal seit Frühlingsbeginn gegen einen Baum. Wieder einmal hatte sie schamerfüllt die Augen niedergeschlagen, als sie an Viktors Felsen samt seiner entblößten Männlichkeit vorbeikam – und war dabei vom Weg abgekommen.

Die Stangen für Hugin und Munin sind deshalb auch so eine Art Trostpreis und Anerkennung für seine Bemühungen.

Während ich beobachtete, wie Hugin und Munin sich mit ihrem neuen Zuhause anfreundeten, hatte G. sein Geschenk ausgepackt. Es handelte sich um ein ferngesteuerten 60 cm langen Spielzeugpanzer, der kleine gelbe Kügelchen verschießt – bis zu 20 Meter weit! Dem blechernen Rattern der Ketten folgte das hörbare Hervorschnellen einer sich entspannenden Feder und schließlich der überraschte Aufschrei eines Tischgenossen und G.s markerschütterndes Lachen. Für einen Moment war ich mir nicht schlüssig wer der Vater dieser Idee war. Pecl oder der neue Trainer? Aber beim Blick auf mein Präsent – ein Formicarium inklusive einer wimmelnden Ameisenschar – konnte der Spielzeugpanzer nur von Pecl herrühren.

Der neue Trainer hatte in letzter Zeit aus seinem neuerwachten Interesse an Ameisen kein Geheimnis gemacht. Jeder am Tisch kennt die Theorien des neuen Trainers bezüglich der Ausbildung eines myrmekologischen Mannschaftsgeistes.

Plötzlich schaute der Sturmtank auf die Uhr, sprang auf und rannte mit der Fernbedienung des Panzers in der Hand zur Tür. Davor stand seine Freundin. Bekleidet mit einem ledernen Bikini, hatte sie eine rollende Biertheke für Radenko Pecl im Schlepptau. G. hatte beide über sein neues Spielzeug ganz vergessen. Ihre Gänsehaut war noch nicht ganz abgeklungen, als sie begann die von G. Stile eines Moderators laut ausgerufenen Erklärungen zu den Funktionen des Marmorblocks mit allerlei lasziven Körperbewegungen zu untermalen.

Pecl konnte seine Rührung nur schwer verbergen, liebäugelte sanftmütig mal mit diesem mal mit jenem Hahn und ließ seinen neuen Schatz den ganzen Abend nicht mehr aus den Augen, genauso wie die anderen Stammtischmitglieder. Egal ob wir den Ameisen Namen geben wollten, uns den Angriffen von Miniaturpanzern zu erwehren hatten, die Leuchtreklamen für Hugin und Munin an- und ausschalteten, die Figur des Ingo Anderbrügge mal hier und mal dorthin schoben oder sanft über das Antlitz von Catilina streichelten…

Dr. Artur Schienbein Schützer

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