Rassisten raus aus dem Stadion


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Commando Suff '05

junge Welt vom 17.01.2006

Sie spielen nicht nur

Rassisten und Sexisten aus den Stadien! Ein Kongreß linker Fußballfans tagte in Bremen

Tom Dorow

Wenn außerordentlich sympathische junge Menschen an einem Sonnabendmorgen um halb Zehn in der Bremer Straßenbahn über die Aufstellung von St. Pauli diskutieren, können sie nur auf dem Weg zum Winterkongreß des Bündnisses aktiver Fußballfans (BAFF) sein. Der fand am Wochenende in einem Jugendzentrum im Bremer Ostertorviertel statt (jW vom Freitag), wobei die Dominanz von Werder- und Pauli-Fans eine klare Sache war. Allgemein bedauert wurde das Fehlen von Vertretern aus dem Osten. Nur einer von Roter Stern Leipzig war da.

Am Sonnabend morgen hielt Dave Boyle, Vertreter der britischen Organisation Supporters Direct, einen Vortrag dazu, wie Fans Kontrolle über ihre Klubs erlangen können. Während in Deutschland noch überwiegend Vereinsstrukturen die Fußballkultur bestimmen, sind die Clubs in Großbritannien durchweg Privateigentum oder Aktiengesellschaften. Supporters Direct unterstützt Fanvereinigungen dabei, Trusts zu gründen, um die Aktienmehrheit in ihrem Club zu erlangen. In sechs Clubs der englischen Football Association (FA) konnte die Aktienmehrheit bereits gesichert werden.

Noch interessanter erscheint eine Tendenz, die auch in Deutschland zu beobachten ist. Fans, die von der kommerziellen Langeweile ihres Clubs die Nase voll haben, gründen eigene Vereine, setzen der Sitzplatzödnis und hirnlosen Stadionbeschallung lebendige Fußballkultur entgegen. Der FC United of Manchester etwa, ein nicht in der FA vertretener Club im Besitz der Fans, spielt regelmäßig vor 4 000 Anhängern, die auf Stehplätzen die alten »United«-Lieder singen und reichlich Alkohol konsumieren, was in den FA-Stadien verboten ist.

Im weiteren Verlauf des Kongresses fiel positiv ins Gewicht, daß einige Vereine antirassistische Klauseln in ihre Stadionordnungen aufgenommen haben, etwa der MSV Duisburg und St. Pauli. Teilweise wurden auch Ordner geschult, neonazistischen Kleidungscodes zu erkennen. Andererseits ist die Ignoranz diesem Thema gegenüber noch immer sehr groß, obwohl es in letzter Zeit vermehrt offenen Rassismus in den Stadien gibt, zuletzt bei Energie Cottbus– Dynamo Dresden, als ein »Juden«-Transparent mit dem Dresden-Logo ausgerollt wurde. Zwar erhielten die Täter Stadionverbote, weitergehende Maßnahmen der Vereine oder Sanktionen des DFB blieben aber aus, obwohl auch die Dresdner sich bei diesem Spiel mit einem »Hallo Kanacken«-Transparent übel hervorgetan hatten.

Immer wieder werden solche Vorkommnisse von Vereinsführungen und (auch linken) Medien mit Standardbegründungen verharmlost: Alles nur Provokation, heißt es. Oder: Das sind eben keine echten Fans. Es sind aber echte Fans und echte Nazis, die spielen nicht nur.

Die »aktiven Fußballfans« bekämpfen das Problem einerseits, indem sie jugendlichen Fans Alternativen zum verblödenden Nazi-Hool-Sein aufzeigen, andererseits dokumentieren sie Nazi-Übergriffe, machen Vereinen und dem DFB Druck, rassistische Übergriffe zu ahnden und Nazi-Gruppen nicht in die Stadien zu lassen. Antirassistische Paragraphen gehören in jede Stadionordung.

In einer anderen Arbeitsgruppe zum Thema Frauen in den Fankurven ging es um alltägliche Belästigungen durch blöde Sprüche oder Gesänge und in den letzten Jahren vermehrt speziell auf Frauen zugeschnittene, deshalb durchaus nicht weniger sexistische Werbung. Mit der Veröffentlichung des Buches »gender kicks« (hgg. von Antje Nagel, Nicole Selmer und Almut Sülzle, Frankfurt/Main 2005) wurde ein Anstoß zur Diskussion geliefert.

http://www.jungewelt.de/2006/01-17/034.php

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Commando Suff '05

Fans hinter Gittern

Organisierte Fußball-Anhänger fühlen sich von der WM ausgeschlossen – sie kritisieren Stadionverbote und hohe Ticketpreise

Von Steffen Hudemann, Bremen

Ohne Merchandising geht es auch bei den kritischen Fans nicht. Zwölf Euro kostet das T-Shirt zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006, blau oder schwarz, in allen Größen vorrätig. Doch anstelle dreier grinsender Ballgesichter zeigt das alternative Logo jene, die aus der Sicht der Fans das Turnier im Sommer übernehmen werden: die Polizei und die Wirtschaftsbosse mit dicker Zigarre und Eurozeichen in den Augen. Der Fan hingegen landet hinter Gittern. Sicherheitswahn und Kommerzialisierung, mangelnder Datenschutz und eingeschränkte Bürgerrechte – die WM in Deutschland bringt nach Ansicht des Bündnisses aktiver Fußballfans (Baff) wenig Gutes. Am Wochenende kamen ihre Mitglieder zu einem bundesweiten Kongress in Bremen zusammen.

Der Hamburger Detlef Butter ist treuer St.-Pauli-Fan, wie fast die Hälfte der rund 60 Teilnehmer, die in einem Jugendfreizeitheim diskutieren. Er hat sich keine WM-Tickets bestellt. „Die Datenerfassung, die dort vorgenommen wird, ist mir völlig suspekt“, sagt er. „Außerdem sind die Karten viel zu teuer.“ Der Fußball stehe längst nicht mehr im Mittelpunkt. „Es geht in erster Linie ums Geld.“ Vor allem aber fürchtet Butter, dass die WM ein Einfallstor für Repressalien gegen Fans sein wird. „Seit Deutschland sich um die WM beworben hat, ist die Zahl der Stadionverbote deutlich angestiegen“, sagt er. Davon seien nicht nur Hooligans betroffen. „So ein Stadionverbot handelt man sich ganz schnell ein.“ Das erlebte etwa ein Bremer Fan, der in Schalke ein bundesweites Stadionverbot bis 2008 erhielt – weil er, eigenen Angaben zufolge, auf einem Zaun gesessen und Aufkleber angepappt habe. Butter ist ziemlich zornig: „Als Fan musst du inzwischen deine Unschuld beweisen, man muss dich nicht mehr überführen.“

Was die Anhänger aus ganz Deutschland besonders bei Auswärtsfahrten erlebten, fülle ihrer Ansicht nach Bücher. Die vom Bündnis herausgegebene Sammlung „Die 100 schönsten Schikanen gegen Fußballfans“ war so erfolgreich, dass ein zweiter Teil folgen soll. Da würden ihnen etwa vor dem Stadion alte Einkaufszettel abgenommen, sagen die Fans. Denn damit könne man Feuer machen. Megaphone oder großflächige Transparente hätten im Gästeblock kaum noch Chancen.

Baff-Sprecher Johannes Stender hat sich trotz allem eine Karte für ein WM- Spiel in seinem Heimatstadion Kaiserslautern bestellt – und auch bekommen. „Ich will sehen, wie die WM in den Stadien aussieht“, sagt er. Auch er kennt das Dilemma, das viele auf der Tagung bewegt. Soll man die WM komplett boykottieren? Oder nutzt man sie für seine Anliegen und versucht, die Veranstaltung positiv zu beeinflussen, trägt damit aber womöglich zu einer gelungenen WM bei? Stender hat sich für die zweite Möglichkeit entschieden. „Wir wollen eine Gegenöffentlichkeit schaffen.“ So können die Fans sich vorstellen, vor Adidas-Fanshops gegen die Arbeitsbedingungen in der Dritten Welt zu demonstrieren oder vor einem Spiel eine Großdemo zu veranstalten. Damit hatten sie schon während des Confed-Cups in Frankfurt Aufsehen erregt.

Johannes Stender legt vor allem Wert darauf, die von ihm registrierte WM-Hysterie zu dämpfen. „Wenn sich zwei Besoffene im Stadion prügeln, ist das kein Grund für eine Hooligan-Diskussion.“ So etwas passiere bei jedem Schützenfest. Der Baff-Sprecher befürchtet, dass die umfassende Videoüberwachung auch nach der WM vorgenommen wird. Die Fans hoffen, wenigstens die bei der WM verbotenen Stehplätze auf Dauer erhalten zu können.

Dass das WM-Organisationskomitee nach der Studie der Stiftung Warentest und der Absage der Eröffnungsfeier in die Kritik gerät, empfinden viele hier mit Genugtuung. Dass viele Stadien bei einer Panik nicht sicher sind, wundert Detlef Butter nicht: „Wenn man die Stadien kennt, konnte man das ahnen.“ Und die Absage der Gala, nun ja, „ob das stattfindet oder nicht, ist mir als Fan total egal“. Um eines allerdings beneidet der 34 Jahre alte Hamburger die gesetzten Herren im Organisationskomitee. „Ich ärgere mich, dass ich nicht älter bin. Dann hätte ich die WM 1974 auf einem bezahlbaren Stehplatz erleben können.“

Quelle: http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/16.01.2006/2293138.asp

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