Nettes Stani-Interview


badest

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JUSTICE
"Bin ich denn einer, der alles weiß?"

Erst kommt die Arbeit. Ob dann auch der Erfolg kommt, hängt von vielen Faktoren ab: Stani Tschertschessow über seine Fußball-Philosophie.

TT: Sie haben sich mit Ihren bisherigen fünf Spielen bei nur einer unglücklichen Niederlage, dem 2:3 in Pasching, als Coach die Latte hoch gelegt. Die Fans erwarten von Tschertschessow große Dinge. Kennt der große Stani so etwas wie Angst vor den Aufgaben?

Tschertschessow: Erstens habe nicht ich die Latte hoch gelegt. Wir, also die Mannschaft und der Betreuerstab, haben dies getan. Ich möchte da sogar die Fans mit einbeziehen. Ohne die geht ja nichts. Angst hätte ich nur, wenn mir Versäumnisse bewusst wären.

TT: Sie sind ja gewissermaßen unter autoritären Strukturen bei Spartak Moskau zu einem großen Sportler geworden. Auffällig, wie demokratisch Sie ihre Chefrolle anlegen.

Tschertschessow: Das System meiner Sozialisierung hat mich zwar geprägt, aber auch skeptisch gemacht und den Glauben an die Eigenverantwortung genährt. Das Wort Demokratie hat bei mir früher Sehnsüchte

ausgelöst. Jetzt bin ich da, lebe danach.

TT: Gibt es nicht viele Spieler, die nach Autorität geradezu lechzen?

Tschertschessow: Wer sagt denn, dass ich keine Autorität bin? Ich beweise sie jeden Tag. Ich bereite mich auf jedes Training vor, arbeite hart, lebe für den Erfolg, denke positiv, gehe vor Rückschlägen nicht in die Knie. Autorität muss man jeden Tag vorleben.

TT: Sie fanden jüngst sogar die Zeit, beim Hallenturnier der Fanklubs dabei zu sein?

Tschertschessow: Wer auf die Fans herunterschaut, hat keinen Charakter. Die Spieler und die Zuschauer müssen sich auf Augenhöhe begegnen. Das ist von mir keine Masche, sondern Überzeugung. Deshalb bin ich über jeden einzelnen Fan froh. Und besorgt, wenn er nicht mehr ins Stadion kommt. Ich will wissen, was die Zuschauer bewegt.

TT: Warum glauben Sie, dass der große Zuschaueransturm im Herbst ausgeblieben ist?

Tschertschessow: Da müssen wir die Fehler bei uns und nicht beim Publikum suchen. Vielleicht haben wir im Umfeld zu wenig für die Fans getan. Vielleicht müssen wir mehr Aufklärungsarbeit leisten und den Fans klar machen, dass auch unserer Mannschaft Grenzen gesetzt sind. Je mehr der Fan weiß, desto besser wird er uns verstehen.

TT: Was muss der Fan verstehen, wenn es im Frühjahr nicht so läuft wie es alle erwarten?

Tschertschessow: Er muss wissen, dass der Abgang von Sammy Koejoe ein großer Aderlass ist. Dass ein neuer Spieler wie Benni Akwuegbu Vertrauen braucht. Er soll wissen, dass eine Mannschaft ein diffiziles Gefüge ist. Zum Beispiel konnte ich keine Trainingseinheit mit unserem Wunsch-Mittelfeld arbeiten. Zur schweren Verletzung von Theo Grüner kamen die zeitweisen Ausfälle von Ali Hörtnagl, von Jerzy Brzeczek, von Alexander Hörtnagl. Wir mussten und müssen improvisieren. Auch bei all unseren Testspielen.

TT: Sie haben es als Tormann sogar in die Europa-Auswahl gebracht, sind in Russland eine Ikone. Sogar ein Weltstar wie Andriy Shevchenko erinnert sich bei seiner Feier zur Wahl zum Fußballer Europas an ihre Glanztaten als Keeper. Warum leiten Sie nicht das Tormanntraining?

Tschertschessow: Das ist ganz einfach: Weil ich mit Walter De Vora einen exzellenten Co-Trainer habe. Ich vertraue ihm. Er dankt es mir. So einfach ist das. Ich werde mich nie in sein Training einmischen. Und nie einen Tormann wegen eines Fehlgriffs kritisieren. Ich weiß ja selbst, wie es ist, wenn man danebengreift. Glauben Sie mir: Ein Stani weiß, wie sich ein verhöhnter Keeper fühlt.

TT: Gibt es so etwas wie ein oberstes, übergeordnetes Prinzip in ihrer Trainerphilosophie?

Tschertschessow: Sicher! Und das lässt sich sogar auf ein Wort reduzieren: Charakter. Wir waren in den Tests in der Türkei zweimal im Rückstand und haben gewonnen. Das ist Charakter. Wer verletzt ist und so intensiv arbeitet wie Grüner oder Alex Hörtnagl, hat Charakter. Wen Niederlagen und persönliche Rückschläge stärker machen, hat Charakter. Wer Charakter hat, auf den kann man bauen. Wenn einer mit aller Kraft will, aber nicht kann, hat er mich dennoch zum Freund.

TT: Angeblich gibt es bei Ihnen nach dem Spiel keine Kritik, sondern Diskussionen?

Tschertschessow: Wer bin ich denn? Bin ich einer, der alles weiß? Sicher nicht! Ich will von den Spielern dazulernen, erfahren, warum sie was getan oder nicht getan haben.

TT: Wie ist Ihr Gefühl vor dem Bregenz-Spiel?

Tschertschessow: Ich habe gar kein Gefühl. Nur die Gewissheit, das Bestmögliche getan zu haben. Und einen Glauben: Den, dass wir alles für einen Sieg tun werden. Und dass man dennoch dafür die Gunst des Fußballgottes braucht.

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Das Gespräch führte Hubert Winklbauer.

Quelle: www.tirol.com

gutes interview, guter trainer.

bearbeitet von badest

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