Die Toten Hosen: Interview mit Campino


Deth N´ Maiden

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To space and beyond

??? Campino, warum habt Ihr Euch entschieden, das neue Album "Zurück zum Glück" zu taufen?

Campino: Wir haben uns für diese Parole entschieden, weil wir glauben, dass sie die aktuelle Stimmung in Deutschland beschreibt. Alle haben Angst vor morgen, vor der Zukunft. Und jeder möchte sich daran festhalten, was er gestern hatte, zurück zu den glücklicheren Zeiten. Wir mochten dabei vor allem die Vorstellung, dass das Glück etwas Greifbares ist, zum Beispiel eine Person, bei der man einfach klingelt und fragt, ob man für zwei Stunden vorbeikommen kann. Wir selber waren ja auch schon mal auf dem "Kreuzzug ins Glück" in den 90ern. Heute lachen wir darüber und sagen: Da haben wir wohl den Trend verloren. Wir wollten sogar schon eine Zeitungsanzeige schalten: "Die Toten Hosen suchen den Trend. Bitte im JKP-Büro abgeben!"

??? Wenn der Slogan "Zurück zum Glück" also ironisch gemeint ist, was ist denn dann Deine persönliche Definition von Glück?

Campino: Es hört sich immer sehr banal an, was man als persönliches Glück bezeichnet. Man kommt doch immer wieder darauf, dass man sich wünscht, dass man gesund bleibt. Dass ich von meiner Leidenschaft leben kann, ist sicherlich ein Glück, aber das hört sich ja auch schon kitschig an (lacht). Ich finde, dass Glück ein total prostituiertes und geschändetes Wort ist, von der Werbung missbraucht. Man kriegt es doch überall in die Fresse gehauen: Glück, glücklich sein, jung und glücklich. Es gibt plötzlich nichts anderes Erstrebenswertes als DAS GLÜCK. Was soll das denn eigentlich sein?

??? Was an Deinen Texten auf dem neuen Album auffällt, ist, dass Du insgesamt sehr viele Fragen aufwirfst. Hast Du in der Zwischenzeit schon Antworten auf die Fragen gefunden?

Campino: Ich habe das beim Schreiben gar nicht realisiert. Das ist mir erst jetzt aufgefallen, nachdem ich ein paar Gespräche mit Journalisten hatte. Ja, ich würde heute komplett neue Texte schreiben. Das sind alles Momentaufnahmen, die eine Befindlichkeit ausdrücken. Die meisten Sachen sind vor anderthalb Jahren entstanden. Das war bei mir selber eine konfuse Zeit. Wir hatten gerade wieder eine Tournee hinter uns, ich wusste so für mich nicht, wie es weitergeht und habe dann gedacht: Jetzt fliegst du mal nach Australien, nimmst dir einen Jeep, fährst zum Ayers Rock und wirst dort eine Erleuchtung haben. Dann bin ich da hingefahren – und nichts hat Klick gemacht! Ich hatte lauter Fliegen in der Nase, im Mundwinkel und in den Ohren und musste einsehen: Da hättest du auch in Flingern bleiben können! Ich bin nach Hause gekommen und hatte auf der Reise nichts gelernt, außer: Du kannst soweit fahren, wie du willst, wenn du ein Problem hast, kriegst du es nicht durch Kilometerfressen gelöst.

??? Und was war das für eine Zeit, in der Du die Texte geschrieben hast?

Campino: Es sollte letztendlich nicht wichtig sein, in welcher Verfassung ich mich da befunden habe. Jedes Lied hat natürlich so ein Korn Wahrheit. Davon ausgehend entwickle ich aber meistens Geschichten, die mit dem Ursprung nichts mehr zu tun haben, aber immer einen Grund, warum sie da sind. Das sind meine und unsere Lieder, so lange wir die im Proberaum spielen. Aber wenn die CDs dann ins Presswerk gehen, sind die Stücke für alle freigegeben. Und wenn irgendein wildfremder Mensch da draußen das Lied hört und eine eigene Interpretation davon hat, dann besitzt die dieselbe Gültigkeit wie meine eigene auch. Da darf es nicht mehr wichtig sein, warum ich die Sachen geschrieben habe.

??? In einem Fragebogen hast Du kürzlich unter dem Punkt "Was ich mag" angegeben: "Psychotherapiesitzungen". Wie regelmäßig gehst Du zu Deinem Psychologen?

Campino: Ich war schon lange nicht mehr da, aber ich kann es jedem empfehlen. Diese Sachen sind in Deutschland ja mit so einem Tabu belastet – eigentlich alles, was Seele und Geist betrifft. Für jeden Schnupfen gehen die Leute zum Hausarzt und lassen sich irgendein blödes Mittel verpassen, obwohl es nichts bringt. Aber wenn sie ein seelisches Problem haben oder einen Knoten im Kopf, dann meinen die meisten immer noch, sie müssten das mit sich selber ausmachen. Wer die Hilfe von jemand Außenstehenden annimmt, gilt als verweichlicht. Dabei gibt es wirklich sehr viele Menschen, die Erfahrung im Auflösen von Problemen geistiger Art haben. Wir Menschen denken immer, wir seien so individuell oder so eigen, aber die Probleme, die wir haben, die haben Hunderttausende da draußen auch. Und die waren alle schon vorher bei dem Typen im Besprechungsraum, und der hat eine gewisse Erfahrung, kennt unsere Denkweisen. Selbst unsere ganzen Träume sind irgendwelche Schemen, das geht alles nach einem speziellen System. Wenn ich ein dickes Problem habe, und da ist ein Profi, dann lasse ich mir doch von dem Profi helfen. Dann will ich doch nicht, dass mir irgendein Amateur im Kopf rumfummelt.

??? Woher stammt Dein großes Interesse für die Psychoanalyse?

Campino: Mich hat das interessiert, seitdem ich Zivildienst gemacht habe, weil ich da auch einmal wöchentlich zu diesen Sitzungen hingegangen bin, freiwillig. Da gab es für die Studenten immer solche Sitzungen, zu denen Patienten gekommen sind und über ihre Krankheitsbilder gesprochen haben. Die sind vorne vom Arzt interviewt worden, und ich fand das immer faszinierend. Das hat mich immer weitergebracht. Die Zeit in der Psychiatrie war für mich genial.

??? Gab es eigentlich eine Phase in Eurer Bandgeschichte, die Du als Deine kreativste Zeit bezeichnen würdest?

Campino: Es gibt jede Menge dunkle und graue Momente, aber auch immer wieder Lichtblicke: Und irgendwann reißt der Himmel auf und du hast eine gute Idee. Selbst wenn ich in diesem Interview behaupte, dass ich die alten Lieder heute nicht mehr so schreiben würde, haben sie für mich immer noch eine Gültigkeit, weil ich in dem Moment genau so empfunden habe. Man kann auch überhaupt nicht berechnen, wann man ein Lied schreibt, das gut wird. Wenn ich das könnte, würde ich versuchen, dauernd gute Lieder zu schreiben (lacht).

??? Gab es mal einen Moment in den letzten 22 Jahren, in dem Ihr wusstet, dass Ihr gerade etwas Besonderem beiwohnt?

Campino: Ich erinnere mich an eine Session bei den Aufnahmen zum "Horrorschau"-Album. Da habe ich das Lied "Mehr davon" eingesungen, und es war einer der wenigen Momente in meinem Leben, dass mir ein "first take" gelungen ist. Die Anderen saßen alle in dem Abhörraum nebenan, und als ich fertig war, hat keiner irgendwas gesprochen. Es war irgendwie allen klar, dass wir da gerade einen echt guten Moment für uns erwischt hatten. Und das war einer der emotionalsten Momente, die ich je im Studioleben hatte. Ein anderes Lied, bei dem ich mich erinnern kann, dass hinterher auch Ruhe herrschte, war "Nur zu Besuch". Das ist auch ein Moment, den ich nicht vergessen werde.

??? Du hast neulich mal gesagt, dass die Hosen einen Teil ihrer Existenzberechtigung daraus ziehen, dass sie das beste Stück, zumindest inhaltlich, vielleicht noch nicht geschrieben haben.

Campino: Das ist meine Hoffnung. Das machen uns ja viele Schriftsteller vor, die im Alter immer besser und abgeklärter werden, die es verstehen, Spannungsbögen aufzubauen und nicht mit dem Kopf durch die Wand rasen. Wenn wir schon körperlich irgendwann an eine Grenze kommen, wo wir nicht mehr so wild rumrotzen können, dann denke ich, dass wir gedanklich noch alle Möglichkeiten haben, unsere Grenzen auszutesten. Wenn ich nicht hoffen würde, dass wir noch mal lichte Momente haben, dann würde ich auch nicht weitermachen wollen. Es geht darum zu verhindern, dass man sich nur noch selbst verwaltet.

??? Was Euch zuletzt mal wieder unterstellt worden ist, dass Ihr "Kontrollfreaks" seid. Stimmt der Eindruck?

Campino: Wir haben gar nicht so viel unter Kontrolle, wie wir gerne hätten. Man muss einfach Vertrauen haben in die Leute, mit denen man arbeitet. Und da haben wir im Laufe der Jahre sehr viele Vertraute und Freunde dazu gewonnen, die versuchen, das in unserem Sinne zu handhaben. Dass wir auch immer wieder Opfer von irgendwelchen Sachen werden, das sehen die Leute oftmals gar nicht. Das war zum Beispiel so, als hier diese Tageszeitung angerufen hat und meinte: "Wir wissen, dass Ihre Freundin schwanger ist! Was sagen Sie dazu?" Ich hatte dann eine halbe Stunde Zeit, um mich zu entscheiden, was ich mache. Ich wusste, dass das auf jeden Fall am nächsten Tag in der Zeitung stehen würde, ob ich mich äußere oder nicht. Um diese "Exklusivstory" zu torpedieren, haben wir dann eine dpa-Meldung herausgegeben. Das hatte zur Folge, dass manche Fans dachten, warum ich es nötig habe, solche privaten Sachen zu erzählen. Und andererseits hat die Zeitung noch mal angerufen und uns bedroht, weil wir ihre Geschichte kaputt gemacht hätten. Wir würden schon sehen, was wir davon hätten, wenn wir uns mit denen anlegen.

??? Warum lasst Ihr Euch denn dann gerade jetzt für die MTV-Show "Friss oder stirb" beobachten?

Campino: Die MTV-Geschichte ist ja keine Container- oder eine 24-Stunden-Kontroll-Situation. Wir lassen die Kameramänner zwar nah ran – aber immer in dem Wissen, dass wir noch "Stopp" rufen können. Sonst würden wir das gar nicht machen! Und wir nehmen dabei auch in Kauf, dass wir dabei nicht immer spitze aussehen, dass sie Schwächen von uns zeigen und in Momenten drauf halten, die nicht gerade bejubelnswert sind. Das machen wir alles, um ein authentisches Bild hinzukriegen, was einer Rockband in Deutschland so passieren kann. Dass dabei gewisse Grenzen trotzdem bestehen bleiben, das ist selbstverständlich.

??? Breiti hat ja durchaus ein Problem mit der allgegenwärtigen Kamera. Wie geht Ihr damit um?

Campino: Ich finde es gut, dass wir jemanden in der Band haben, der bei diesem Thema ein bisschen als Bremse fungiert, weil man manche Sachen in der Euphorie vielleicht wirklich übertreibt. Dadurch wird eine Diskussion freigesetzt, die im Zweifelsfall nur gut sein kann. Ich weiß auch, dass ich am Anfang viel naiver an die Sache rangegangen bin. Ich habe mir gedacht: Wir haben doch schon Theater und Radio gemacht, jetzt spielen wir halt ein bisschen mit der Kamera rum. Ich habe inzwischen gemerkt, dass wir uns da mit einem Medium beschäftigen, von dem wir nicht immer so eine Ahnung haben.

??? Du hast gesagt, dass Du Dir so eine Show, wie ihr sie gerade auf MTV habt, auch über eine andere deutsche Band angeschaut hättest. Wo unterscheiden sich die Hosen von anderen deutschen Bands?

Campino: Das weiß ich nicht, weil ich ja nie in einer anderen Band war außer ZK (lacht). Ich habe schon davon gehört, dass die Bandstruktur bei anderen Gruppen eine andere ist. Wir teilen ja zum Beispiel immer alles, was wir so verdienen. Das habe ich von anderen Bands bisher noch nicht gehört. Selbst wenn ich in irgendeine Talkshow gehe, und da werden 1000 Euro bezahlt, dann wandert das in die Bandkasse. Dasselbe machen wir mit Autorenrechten und mit Lizenzen für Stücke. Und das ist nur ein Beispiel dafür, dass es uns um eine demokratische Fairness innerhalb der Band geht. Jeder hat auch immer dasselbe Stimmrecht. Ich glaube schon, dass das bei anderen Gruppen ergebnisorientierter ist. Außerdem kann ich von uns sagen, dass wir noch Freunde sind. Wie da die Konstellation z. B. bei den Fanta 4 oder Ärzten ist, dazu kann ich überhaupt nichts sagen. Da stecke ich nicht drin.

??? Das wichtigste Werkzeug, um Euer Ding durchziehen zu können, ist Eure eigene Plattenfirma JKP. Die habt Ihr in den 90ern gegründet, um nicht mehr auf die großen Labels angewiesen zu sein. Welche Funktion hat sie heute?

Campino: Heutzutage möchte man eigentlich gar nichts mehr machen wie die Major-Labels (lacht). Wir haben als Plattenfirma schon sehr viel früher angefangen, das zu machen, was eine Plattenfirma von heute eigentlich tun sollte. Eine Plattenfirma muss heute viel mehr sein, als sie das im klassischen Sinne eigentlich war. Es geht in diesem Haus mehr darum, verschiedene Dinge miteinander zu kombinieren, alles unter einem Dach zu sein: ein bisschen klassische Plattenfirma, aber auch Anwalt in diversen Streitfragen, Promotioninstrument, Musikverlag, Ideenpool und Basislager für viele Aktionen. Es reicht nicht mehr aus, das Bindeglied zwischen Presswerk und einer Band zu sein und zwei, drei Flyer rauszubringen. Es muss eine andere Existenzberechtigung her für die Plattenfirmen. Es geht darum, sich zusätzliche Serviceleistungen für die Leute draußen und für die gesignten Bands auszudenken.

??? Wie unterscheidet sich JKP davon?

Campino: Die Leute von JKP essen die Ideologie der Band mit Löffeln in der Mittagspause. Wenn hier angerufen wird, weiß die Sekretärin eigentlich schon, ob wir absagen oder mitmachen, weil sie unser Gedankenprinzip versteht. Jede Menge Müll bleibt dann ja schon hängen, ohne dass es überhaupt besprochen wird. Hier kommen ja die abstrusesten Anfragen rein – von Werbung bis hin zu einem Engagement bei den Kommunalwahlen. Und wie viele Bundesligaklubs uns schon für ihre Vereinsfeier haben wollten, damit wir "Bayern" zum Besten geben. Das ist eine Zahl, die bei Uli Hoeneß Grauen hervorrufen würde (lacht).

??? Du hast in diesem Jahr gesagt, dass sich nun fast jeder eine Meinung über Euch gebildet hat. Gelingt es Dir gegenüber Journalisten noch, das eine oder andere Klischee aufzubrechen?

Campino: Letztendlich ist es so: Es ist alles gesagt. Die Journalisten, die keinen Bock auf uns haben, setzen sich auch gar nicht mehr mit uns an einen Tisch. Ich will meine Kraft aber auch nicht mehr damit verschwenden, mit Leuten zu reden, die nicht zuhören wollen. Ich finde es eigentlich toll, mit Leuten zu reden und könnte das endlos tun, wenn es um Musik geht. Aber ein Gespräch besteht aus einem Dialog, aus gegenseitigem Interesse und Respekt. Und wenn der nicht da ist, und man einfach nur vom Boss geschickt wurde, weil man seine Zeilen haben will, dann ist das Zeitverschwendung. Das ist auch das Gute an unserer Fernsehsendung: Wir bestimmen alle Themen selbst und das ist – bei aller Mühe – eine großartige Chance, so einen Quatsch zu machen.

??? Wer auch in der MTV-Show auftaucht, sind Bands aus einer jüngeren Generation wie die Donots oder Beatsteaks. Was hat es Dir bedeutet, als die Beatsteaks bei "Rock am Ring" ein Stück von Euch gecovert haben?

Campino: Das Alter von den Bands ist mir egal. Ich bin einfach nur froh, dass es in Deutschland auch noch andere Gruppen gibt, die eine Musik machen, die in meinem Herzen noch was bewegt, halt auch Gitarrenmusik. Ich finde zum Beispiel auch die letzte Sportfreunde-Stiller-Platte echt gut. Dass die Beatsteaks ein Lied von uns gecovert haben, war ein guter Moment für uns, weil das auch ein Zeichen von Respekt ist. Das macht ja keiner älteren Band Spaß, wenn da eine junge Band sagt: "Die alten Säcke hauen wir jetzt weg!" Dann müsste man sich immer wieder beweisen und sagen: "Hört mal zu, Bürschchen, schaut Euch mal an, was wir losmachen!" Und das wäre doch leicht pubertär (lacht). Mir macht das wesentlich mehr Spaß, am Nachmittag zu denen in die Garderobe zu gehen, mit denen zu lachen. Und dann schauen wir uns deren Auftritt an, hinterher sind die auch noch bei uns und nachher wird was getrunken. Das ist eine andere Generation, aber von der Seele her wären wir in denselben Lagern gewesen, wenn wir zur selben Zeit aufgewachsen wären.

??? Ist es also jetzt an der Zeit, dass auch die Opinion-Leader die Hosen nicht nur respektieren, sondern auch richtig cool finden können?

Campino: Ich bin der Letzte, der etwas dazu sagen kann, ob man uns cool finden kann. Ich kann da immer wieder nur das Beispiel AC/DC anführen. Zuerst waren die nur großartig, dann waren sie out und galten als lächerlich und peinlich – und irgendwann drehte sich das dann wieder. Die sind schließlich Kult geworden, weil sie so lange immer dasselbe gemacht haben. Und heute sind die jenseits von Gut und Böse.

??? Spätestens seit der Geburt Deines Sohns Lenn Julian musst Du zwischen Düsseldorf und Berlin pendeln. Wie hältst Du die Balance zwischen Band und Familie?

Campino: Das funktioniert bisher sehr gut, weil meiner Freundin und mir klar war, dass das toughe Zeiten werden. Die Platte war ja letztendlich länger geplant als das Kind. Und wir wussten, dass wir da jetzt durch eine harte Brandung gehen müssen. Aber wenn man sich sicher miteinander ist, wenn man Vertrauen hat und das zusammen durchziehen will, übersteht man so etwas auch locker. Ich habe wahnsinnige Lust, dann alles mit meinem Sohn zusammen zu erleben. Wo das Wesen jetzt da ist, möchte ich sehen, wie es sich entwickelt und Freude an kleinen Sachen haben. Ich freue mich jetzt jedes Mal, wenn ich nach Hause komme.

??? Wo ist denn zur Zeit "zu Hause" für Dich?

Campino: Zu Hause ist immer da, wo meine Freundin und mein Sohn sind! Und es tut immer weh, aus der Tür rauszugehen und sich abzuseilen, weil man wieder auf Tour geht oder längere Zeit weg ist. Es ist aber auch irgendwie ein großartiger Schmerz; einen solchen hatte ich noch nie. Ich bin vorher noch nie aus einer Tür gegangen, und es hat einen Stich gegeben. Wenn ich dann wieder unterwegs bin, ist das aber auch mein Leben. Ohne dieses ständige Unterwegssein könnte ich halt auch nicht existieren. Ich habe jetzt beide Seiten. Und das ist ein Plus in meinem Leben. Da ist weit und breit kein Minus zu sehen.

??? Ist der Eindruck richtig, dass Du mittlerweile eine Geisteshaltung erreicht hast, die Dich mit vielen Dingen entspannter umgehen lässt?

Campino: Das können eigentlich nur Leute beurteilen, die mehr mit mir zu tun haben. Ich würde mich freuen, wenn es so wäre, aber ich habe manchmal den Verdacht, dass es nicht so ist. Ich würde aber auf jeden Fall dran arbeiten wollen. Ich finde es gut, in einem Spiel bis zur 90. Minute zu laufen und zu kämpfen. Das erwarte ich auch als Zuschauer. Aber nach der 90. muss es auch mal gut sein! Und wenn man verloren hat, kann man einmal "Scheiße" rufen, dann Mund abwischen und weiter. So sehe ich das auch in meinem Leben. Letztendlich kippt kein Sack Reis davon um, ob die neue Platte gut gefunden wird oder nicht. Natürlich wollen wir immer nur das Beste, geben uns totale Mühe, aber es ist auch nicht das Zentrum der Welt. Das muss man zwischendurch auch immer wieder mal relativieren.

??? Der Titel "Zurück zum Glück" legt den Verdacht nahe, dass das neue Album ein zentrales Motiv hat...

Campino: Wir mögen zwar eigentlich rote Fäden und haben das "Horrorschau"-Album und die Rote-Rosen-Platten als Konzept angelegt, aber so ist es bei "Zurück zum Glück" nicht. Diesmal ist es eher so eine Bandbreite, die wir treffen wollten, in alle möglichen Richtungen. Wir wollten uns selbst beweisen, dass wir noch ein Brett fahren können. Gleichzeitig wollten wir aber auch Grenzen sprengen und uns an Neuland rantrauen, das wir früher nicht betreten hätten. Das Ganze soll wirklich keine Grundaussage oder etwas Wegweisendes haben. Ich bin schon glücklich, wenn bei manchen Liedern gesagt wird: So wie die das beschreiben, so fühle ich mich auch, das kann ich nachvollziehen. Und wenn die Leute bei "Walkampf" anfangen zu lachen und drüber nachdenken, wie man so einen Scheiß machen kann, dann wäre ich auch happy.

??? Beim "Auswärtsspiel"-Album hast Du mal gesagt, dass das das Titelstück von Social Distortion inspiriert war. Gibt es diesmal Stücke auf dem Album, die ähnlich entstanden sind?

Campino: Solche Stücke gibt es immer. Bewusst oder unbewusst spiegelt sich immer das wieder, was man gerne hört. Ohne jetzt behaupten zu wollen, dass wir auch nur in die Nähe der Red Hot Chili Peppers kämen, aber wir hören deren Musik einfach unheimlich gerne. Und man merkt bei manchen Stücken einfach, wo Kuddel so etwas herholt – auch dass er die Audioslave-Platte sehr oft gehört hat und dass wir die Foo Fighters mögen. Red Hot Chili Peppers und Foo Fighters sind allerdings Genies. Sich daran messen zu wollen, wäre anmaßend und blöd. Man kann sich die aber auch anhören, ohne so sein zu wollen wie die. Die neue Platte von Social Distortion ist übrigens ein Hammer. Die Stimme von Mike Ness könnte ich 1000 Jahre lang versuchen nachzuahmen, das würde ich so nicht hinkriegen. Trotzdem kann ich sagen: Lasst uns daran orientieren, was die für eine Energie transportieren!

??? Zu den einzelnen Titeln des neuen Albums: Zuerst hieß es "Friss oder stirb", jetzt "Kopf oder Zahl" – darf man das so interpretieren, dass sich mit den Hosen auch 2004 keine Kompromisse machen lassen?

Campino: "Kopf oder Zahl" ist in der Tat eine "Take it or leave it"-Geschichte. Ich fand es reizvoll zu sagen "Wir kommen in Frieden", das aber in einem Tonfall, der nicht unbedingt friedlich ist. In Grunde könnte das auch "Leck mich am ***** " heißen, nur wir drücken das einfach ein bisschen netter aus. Es heißt ja dann weiter: "Du hast die Wahl". Jeder kann also selbst entscheiden. Wir meinen damit: Du bist willkommen, aber wenn du keine Lust hast, ist uns das auch scheißegal. Wir brauchen da nicht für irgendwen rumbuckeln und müssen uns niemandem andienen.

??? Das Stück "Wir sind der Weg" könnte man als ein Loblied auf Euer Leben verstehen, das von ständigen Touren geprägt ist...

Campino: Wenn es bei dem Stück eine Widmung gegeben hätte, dann wäre das sicher für die Typen gewesen, die immer mit uns kommen und uns überall verteidigen, die nach Buenos Aires fliegen oder in Sofia stehen, aber auch mal in Köln-Nippes antreten, wenn es sein muss. Und es geht darum, dass man schon viel erlebt hat, die Sache aber trotzdem immer weiter geht und nicht langweilig wird. Es gibt dann doch immer wieder neue Städte und immer wieder einen neuen Grund, warum man so ein Abenteuer zusammen durchzieht.

??? Die erste Singleauskopplung "Ich bin die Sehnsucht in Dir" wurde als Video-Clip von Philipp Stölzl in Szene gesetzt. Hat er mit seiner Darstellung den Kern getroffen?

Campino: Mir hat das Video sehr gut gefallen. In unserer Bandgeschichte ist mir das nicht oft passiert, dass ich das Gefühl hatte, dass derjenige, der das Video gedreht hat, ein Lied eins-zu-eins so verstanden hat, wie ich es gemeint habe. Und Philipp Stölzl hat es sogar noch weitergetragen. Ralf Schmerberg hat das mit "Pushed Again" auch mal geschafft. Bei "Ich bin die Sehnsucht in Dir" gefällt es mir, dass das Video und das Stück eine Einheit sind. Mir ging es im Text darum festzustellen, dass alle von Sehnsucht reden, aber jeder Mensch etwas Anderes darunter versteht. Trotzdem ist die Sehnsucht für alle der Motor, der sie am laufen hält. Und genau das hat auch Philipp Stölzl in dem Lied gesehen.

??? Siehst Du die Zusammenarbeit mit anderen Textern als eine Bereicherung?

Campino: Ich bin immer der Meinung, dass ich bei solchen Sachen von anderen Leuten lernen kann. Einen Text zu schreiben, ist ja etwas ganz Intimes. Jeder Mensch hat dabei ein System und geht immer gleich ran, ich leider auch. Das beengt mich natürlich, weil ich gewisse Schranken habe. Wenn ich dann jemand Anderem dabei zuschauen kann, wie der mit Ideen umgeht, dann bin ich manchmal voll beeindruckt. Zu sehen, wie andere ihre Suppe kochen, kann einfach nur gut sein, das ist immer ein Gewinn.

??? Mit wem triffst Du Dich sonst noch, um Dich auf dem Gebiet weiterzubilden?

Campino: Letztens habe ich mich zum Beispiel mit einem Jungen von der Berliner Reggae-Band Die Ohrbooten getroffen. Die haben noch keine Platte draußen, aber schreiben wirklich sehr gute Texte. Da hat der Typ dann einen Block gezückt, einfach nur ein Wort aufgeschrieben und Assoziationsketten dazu. Das ging so schnell bei dem, dass ich nur noch mit offenem Mund da stand. Der hätte sechs Lieder über das Thema schreiben können! Der hat das auf einer Schule gelernt. So ein System habe ich für mich selbst einfach noch nie angewendet. Ich war aber begeistert, was da für Sachen rausgekommen sind.

??? Statt "Zurück zum Glück" oder "zurück ins Licht" (in "Wunder") heißt es in "Weißes Rauschen" nun "Zurück zu Dir". Du hast das Texte schreiben mal mit dem Blick in den Rückspiegel verglichen – auch diesmal wieder ein Instrument?

Campino: Bilanz ziehen schadet ja nicht. Um zu gucken, wo es nach vorne geht, musst du gucken, wo du herkommst. Bei "Weißes Rauschen" wollte ich offen lassen, ob es da um jemanden geht, der ein Drogenproblem hat oder um einen, der den Weg nicht mehr zurück zu seiner Beziehung schafft. Mit weißem Rauschen lebe ich seit 25 Jahren, weil das der Testpegelton bei jedem Tonband von uns ist.

??? "Alles wird vorübergehen" und "Herz brennt" sind die ruhigeren Nummern des Albums. Wie bei "Nur zu Besuch" scheint es hier so zu sein, als ob Du da mal wieder sehr autobiograpisch herangegangen bist...

Campino: So einen Text wie "Nur zu Besuch" kann man nicht wiederholen. Ich habe das auch nie versucht. Es sind zwar beides ruhiges Stücke, aber von der Thematik geht es um zwei verschiedene Dinge. "Alles wird vorübergehen" sagt, dass man nichts festhalten kann, weshalb man es auch nicht probieren sollte. In schlechten Zeiten kannst du dir sagen, es wird schon weitergehen. Und wenn du eine gute Zeit hast, dann kannst du das auch nicht einkonservieren. Man sollte das Leben einfach nehmen, wie es kommt, und die glücklichen Momente würdigen.

??? Worum geht es in dem anderen Stück?

Campino: In "Herz brennt" geht es um eine Beziehung, die noch nicht gelaufen ist, wo aber in der ursprünglichen Liebe mittlerweile soviel Gift drin ist, dass es einen einfach nur fertig macht. Echten Liebeskummer zu erfahren, richtigen Schmerz durch Liebe, das ist wohl mit der intensivste Schmerz, den es gibt. Da kannst du nichts gegen machen, als auf die Zeit zu hoffen. Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie sehr man unter so was leiden kann, egal wie alt man ist und egal wie viel man schon erlebt hat. Da gibt es keine Pillen gegen.

??? Gott und Glaube ist spätestens seit der "Opium fürs Volk" ein festes Thema in Euren Liedern, jetzt auch wieder in dem Stück "Beten"...

Campino: Gott, Glaube, Religion, Moral, Gesellschaft – das sind Sachen, da kann man nicht einmal eine Meinung zu haben und das war es dann. Das ist ein ständiger Dialog und eine ständige Auseinandersetzung, die bis zum Tod nicht ausdiskutiert sein wird. In "Beten" geht es darum, dass man noch so sehr so tun kann, als ob man nichts mit der Kirche zu tun hat, aber wenn es zu einer Totalkatastrophe kommt, dann ist das immer noch der letzte Ort, wo sich alle versammeln. Da sitzt du dann in der Bank und erwartest Trost, obwohl du dich jahrelang nicht blicken lassen hast und obwohl du auch rational gar nicht erklären kannst, wo das Bedürfnis jetzt plötzlich herkommt. Es fällt uns oft gar nicht auf, wie sehr wir im Alltag von dieser christlichen Kultur geprägt sind.

??? Ist das Zufall, dass das Stück ansatzlos in das nächste ("Wunder") übergeht?

Campino: Ich würde das gerne inhaltlich erklären, aber hier habe ich nur gedacht, dass das keine Pause haben darf, um die Wucht zu halten. Manchmal treffe ich mich mit Funny van Dannen, wir holen Notizbücher raus und dann fliegen so Ideen über den Tisch. Jeder darf sich dann das rausgreifen, was er gebrauchen kann. Funny hat mir bei diesem Stück auch mal wieder ein bisschen bei den Strophen geholfen. Den Refrain hatte ich vorher schon aufgeschrieben.

??? In Deutschland denkt man wahrscheinlich bei "Wunder" erstmal an "Wunder gibt es immer wieder", aber auch die Ramones sangen schon "I believe in miracles"...

Campino: ...und es ist eines der besten Ramones-Lieder. Wunder ist ein großes Wort, aber eigentlich geht es ja um etwas ganz Kleines. Es geht darum, dass man noch nicht so alt und abgefucked ist, dass man nichts mehr vom Leben erwartet. Wir haben schon eine ganze Menge erlebt, aber ich glaube immer noch daran, dass Sachen passieren werden, mit denen man nicht rechnet.

??? Das Titelstück "Zurück zum Glück" darf man wohl getrost als Euren Kommentar zur Lage der Nation bezeichnen. Was denkst Du über Deutschland zwischen Reform-Stau und Hartz-Demonstrationen?

Campino: Nach der Sachsen-Wahl kommt das Stück ja noch mal eine Runde verschärfter rüber: "Vorbei an Landtagswahlen, vorbei an ein paar Nazis". Es geht um die Angst vor morgen, die alle haben. Alle halten sich so fest daran, was einmal war. Und dieses "Zurück zum Glück" ist gerade so etwas wie ein unausgesprochener Ruf in unserem Land. Für mich ist das eine ironische Parole. Man kann ja nicht zurück zu diesen Tagen, das muss man einfach akzeptieren.

??? Was denkst Du über den Wahlausgang in Sachsen und Brandenburg?

Campino: Ich denke, dass so eine latente Sympathie für Nazi-Theorien immer da war. Jetzt haben sich da Einige geoutet, und es ist ihnen noch nicht mal peinlich. Und das finde ich gut, weil sich da jetzt keiner mehr verstecken kann. Es besser so, als wenn die alle ihr Kreuzchen bei der CDU machen, aber eigentlich genau dieselben Arschlöcher sind. Der Feind kämpft jetzt streckenweise mit offenem Visier. Um ihn zu bekämpfen, ist das die angenehmere Art der Kriegsführung, als das weiterhin so ein Salonfaschismus stattfindet. Ein Arschloch, das sich "Ich bekenne mich" auf die Jacke näht, ist mir allemal lieber als ein heimliches Arschloch.

??? "Die Behauptung" ist ein Stück, das sich nicht zuletzt durch die klassische Instrumentierung abhebt – was war die Idee dahinter?

Campino: Das ist in der Phase entstanden, als wir uns mal wieder in ein Haus in Spanien eingemietet hatten. Wir hatten einmal am Tag eine Bandprobe mit allen. Da wird dann aber auch mal festgestellt: Heute Nachmittag arbeitet jeder für sich alleine. Das ist dann eine konzentriertere Arbeit und du kannst dich auf eine einzelne Idee besser einlassen, die die Anderen sonst aus Ungeduld vielleicht verstoßen würden. Hier stammte der Erstentwurf von Kuddel, und ich fand die Musik sofort super. Die hat für mich bis jetzt etwas Paranoides und Bedrohendes und steigert sich zum Wahnsinn. Es fiel mir dann auch relativ schnell ein Text dazu ein. Das ist schon ein extrem sperriges Stück, das wir extra in die Mitte der Platte gesetzt haben, um zu nerven. Das ist nichts, was man beim Frühstück leise im Hintergrund laufen lassen sollte.

??? Das einzige englische Stück auf der Platte heißt "How do you feel?" Warum singt Ihr nicht öfter auf Englisch? Schließlich seid Ihr mit Vom und Dir anderthalb Engländer in der Band...

Campino: Es freut mich sehr, dass wir uns so etwas von Zeit zu Zeit leisten können. Uns macht das sehr viel Spaß und in Argentinien oder Polen kommen die englischen Stücke auch immer gut an, weil die das leichter verstehen. Es ist Zufall, dass diesmal nur eins dabei ist. Ich würde gerne gerade mit Vom noch mehr machen. In diesem Fall habe ich wieder mit T.V. Smith zusammengearbeitet, und das ist einfach die Konsequenz der Zusammenarbeit mit ihm, dass ein englischer Text rausgekommen ist, weil er kein Deutsch spricht. Ich fühle mich aber immer gut verstanden von ihm, wenn es darum geht, Sachen in Englisch auszudrücken.

??? Beim Stück "Freunde" könnte man leicht denken, dass es die Beziehung der Hosen untereinander beschreibt. Ihr habt aber ins Booklet geschrieben, dass es bei dem Titel nicht um Euch geht...

Campino: Es sind sicherlich viele Parallelen da, weil wir auch schon lange zusammen sind, aber ich wollte nicht, dass das so rüberkommt, als würden wir uns da selbst abfeiern. Es ist ein Lied über das freundliche Bescheißen in einer Freundschaft, also dass man seinem Kumpel begegnet und dem sagt, dass er gut aussieht, obwohl man denkt: "Der sieht aber ganz schön geschafft aus!" Darüber wollte ich schreiben und dann ist mir das wohl etwas aus der Hand geglitten. Dauernd meinten irgendwelche Leute, dass das doch wohl ein Lied über uns sei. So war es aber nie gedacht. Ich würde mich wohler fühlen, wenn mir die Leute sagen würden, dass sie so eine Situation auch von sich kennen.

??? "Walkampf” ist keinesfalls eine politische Meinungsäußerung, sondern die alkohol- und sinnfreie Party-Nummer des Albums...

Campino: Das ist das erste Sauflied von uns, ohne dass Alkohol erwähnt wird (lacht). Es war wichtig für uns, das mit drauf zu nehmen, weil die restliche Platte etwas gedankenlastig ist. Da gehörte ein Gegengewicht gesetzt, um klar zu machen, dass wir auch über uns selbst lachen können und nicht alles so ernst nehmen. Es ist ansonsten einfach gaga – und mir gefällt einfach die Vorstellung, was die Leute denken werden, wenn sie das das erste Mal hören. Es gab aber durchaus eine Diskussion in der Band, ob man so einen Scheiß bringen kann. Wir haben das aber immer schon gemacht. "Eisgekühlter Bommerlunder" hat sich ja über die Jahre sehr verselbständigt. Aber wir haben es damals auch nur gesungen, weil der Text so scheiße war. Selbst "Opel-Gang" war anfänglich ein total ironisches Lied. Wir sind dann selbst hinterher von dem Lied gedreht worden und fanden plötzlich Opels gut. Aber als wir es geschrieben haben, fanden wir Opels lächerlich.

??? Das Stück "Goldener Westen" handelt vom Selbstverständnis des Westens und dem Begriff der Freiheit. Geht hier der Credit an George W. Bush?

Campino: Er ist sicherlich einer der Fahnenträger der ganzen Sache, aber das Lied ist durchaus weitergehend gemeint. Es geht einerseits darum, dass uns Amerika seine Lebensphilosophie als die allgemeingültige verkaufen will. Und dass wir letztendlich viel amerikanisierter sind, als wir alle das glauben. Andererseits meine ich damit den ganzen Westen, also auch Europa mit seinem selbstgefälligen Demokratie-Gequatsche.

??? Darf man das Schlusslied "Am Ende” als Deinen Beitrag zur Suche nach dem Sinn des Lebens sehen?

Campino: Das waren ein paar Gedanken, die schnell da waren. Es geht auch hier wieder darum, dass man zu selten das Hier-und-Jetzt würdigt. Es geht darum, wie viel unserer Zeit mit irgendwelcher Alltagsscheiße verschwendet ist. Dass wir uns über irgendeinen Kleinmist aufregen, weil wir mitten in der Schlacht überhaupt keinen Überblick haben, was in unserem Leben überhaupt sinnvoll ist und was wir davon wollen.

??? Ihr habt das Stück im Booklet Kuddels verstorbenem Vater gewidmet – warum?

Campino: Kuddels Vater ist durch seinen Tod von einer langen Krankheit erlöst worden. Das ging über Jahre. Kuddel hat empfunden, dass er dieses Lied gerne seinem Vater widmen würde.

??? Im Dezember geht es mit dem neuen Album auf die "Friss oder stirb"-Tour. Was darf das Publikum erwarten?

Campino: Wir wollen auch im Dezember wieder über die volle Distanz gehen, wir wollen vor eigenem Publikum Offensivfußball bieten, uns nicht hinten rein stellen und absichern, sondern nach vorne spielen und ein möglichst frühes Tor erzielen (lacht). Wir hoffen vor allem, dass die neuen Lieder für unser Publikum Relevanz haben, dass die genauso gewürdigt werden wie die alten. Wenn ich dann sehe, dass die Leute auf das neue Zeug abfahren, dann macht es mir auch höllischen Spaß, in unserer Vergangenheit rumzukramen und ein paar Perlen auszupacken. Ich möchte da auf keinen Fall einen "Suzy Quattro für Arme" abgeben und immer wieder nur "Alex" und "Bommerlunder" spielen. Ich würde mich freuen, wenn die Leute schwitzen und sagen: "Ich habe die Hosen jetzt zwölf Mal gesehen, aber das nächste Jahr fahre ich wieder hin!"

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