Rapid-Geschichte, von mir live erlebt


Recommended Posts

Wichtiger Spieler

reise nach innsbruck 26.5.98

eigentlich hätte ich ja vorgehabt, mit dem zug um 7 uhr 20 zu fahren, aber die nervosität und die kälte beutelte mich schon um 5 uhr aus den federn und so saß ich, nach einem kurzen frühstück am westbahnhof, schon um 6 uhr 50 im zug nach innsbruck. kurz nach der abfahrt sagte der schaffner durch, daß der zug statt wie vorgesehen um 11 uhr 51 erst um ca. 14 uhr in innsbruck ankommen werde, da im oberösterreichischen frankenmarkt (zwischen linz und salzburg gelegen) ein zug entgleist sei und daher die hauptstrecke nicht passierbar sei. anstattdessen fuhr der zug nun statt der normalroute wien - linz - salzburg - (rosenheim) - kufstein - innsbruck über die binnenstrecke wien - amstetten - selzthal - bischofshofen - kitzbühel - innsbruck. der schaffner, von mir persönlich befragt, konnte nicht genau sagen, ob die nunmehr geschätzte ankunftszeit auch realistisch sei, er meinte sogar, daß wahrscheinlich noch eine halbe stunde mehr zu veranschlagen sei und so war nicht einmal klar, ob der zug überhaupt zum spielbeginn um 15 uhr 30 in innsbruck sein würde.

wie immer bei tagesreisen hatte ich im speisewagen platzgenommen und trank erst pfefferminztee, später einen kaffee. das wetter war nicht besonders schön zwischen wien und amstetten, aber im teletext hatte ich gelesen, daß der westen österreichs vom wetter begünstigt sei. im speisewagen waren wenige leute; da der zug bis innsbruck keinen planmäßigen aufenthalt hatte, war auch nicht zu erwarten, daß er sich füllen werde. außer mir saßen nur drei junge burschen da, biertrinkend, kartenspielend und leicht lärmend, ihnen galt das interesse der plump wirkenden kellnerin, die den umsatz mit hilfe ihrer weiblichen reize steigern wollte. später kam noch ein älterer mann, vermutlich ein ungar oder rumäne, vorerst in begleitung seiner tochter, die später durch seine frau, die inzwischen, wie ich später mitbekam, auf das kind der tochter aufgepaßt hatte, ersetzt wurde, er aß ham and eggs und trank dazu bier, während frau und tochter sich an alkoholfreie getränke hielten. schön langsam avancierte ich mit meinen frühstücksgetränken zu außenseiter, was ich dadurch änderte, daß ich ein bier bestellte.

der zug war nunmehr in richtung waidhofen an der ybbs unterwegs, man sah den sonntagsberg mit seiner doppelkirche, später die rauchfänge von böhlerwerk, ehe man die mittelalterlichen umrisse von waidhofen sah. weiter ging es ins oberösterreichische hinein nach gaflenz, ehe der zug bei weyer ins ennstal einfuhr. der himmel wurde jetzt noch dunkler und die grüne enns wirkte wild, dazu kam, daß die bahngeleise viel näher an den fluß führten als die straße. erste felsberge wurden sichtbar und schließlich durchquerte das ennstal das gesäuse, der wasserfallweg wurde passiert, die planspitze und die anderen bergriesen waren von dunklen wolken verdeckt. erst als wir admont erreichten, heiterte sich der himmel auf. nun konnte auch der geschäftsmann, der inzwischen mit frau und tochter im speisewagen platz genommen hatte, offensichtlich durch die verspätung seinen termin in innsbruck versäumen würde, mit dem handy des schaffners telefonieren, denn im gesäuse und auch vorher war dies nicht möglich gewesen, da der empfang durch die berge gestört gewesen war und lächerlicherweise hatte er diesen für ihn ärgerlichen umstand damit erträglicher gestalten wollen, indem er die ganze zeit davon sprach, daß man eben aus allem immer das beste machen müsse.

in selzthal blieb der zug dann etwa zwanzig minuten stehen, da man offensichtlich auf der eingleisigen strecke den gegenzug abwarten mußte, und in mir erwachte wiederum die angst, daß die ankunft sich doch bis nach 15 uhr 30 verschieben könnte und das wäre doch blöd gewesen, daß, wenn man schon wegen eines fußballspiels so weit fährt und ohnedies, da der letzte zug nach wien am samstag bereits um 17 uhr 30 fährt, die letzten zehn Minuten sausen lassen müssen wird, nicht einmal dem anpfiff beiwohnen konnte. aber schließlich setzte sich der zug doch wieder in bewegung und auch die sonne zeigte sich wieder. es war nun halb zehn uhr und es war schwer abzusehen, wie lange die fahrt noch dauern würde. denn in die rechnung des schaffners waren wohl lange außerplanmäßige wartezeiten nicht einkalkuliert, so daß ich damit rechnete, daß sich nunmehr die voraussichtliche anfkunftszeit auf etwa 15 uhr verschoben hatte. bis bischofshofen würde die strecke eingleisig bleiben, sodaß damit zu rechnen war, daß sich aus diesem umstand weitere wartezeiten ergeben würden. um elf uhr erreichten wir schladming und schön langsam bekam ich hunger und ich erwog mir, ein mittagessen zu bestellen. es wurde ein dreigängiges menü, bestehend aus spaghetti carbonara, kalbsschnitzel in weißweinsauce mit bandnudeln und einer schokoladentorte. getränkemäßig war ich schon beim zweiten bier angelangt und bremste mich mit einem radler ein wenig ein, um nicht zu betrunken zu werden. auch das essen tat ein übriges und so spürte ich in zell am see, als ich mein mahl beendet hatte, schon gar nichts mehr vom alkohol. ich genoß die schöne gegend und beschloß, als wir kitzbühel passierten, zu zahlen und mich in ein abteil zu setzen.

ab bischofshofen war mir auch klar, daß wir spätestens um halb drei in innsbruck sein würden, fragte auch noch einmal beim schaffner nach und dieser teilte meinen optimismus. erst jetzt wurde mir bewußt, welch glück es gewesen war, daß ich in diesen zug eingestiegen war und nicht, wie ursprünglich geplant, gar erst um neun uhr zwanzig zu fahren, beim zurückfahren würde ich erfahren, daß sogar der zug um sieben uhr zwanzig erst um sechzehn uhr in innsbruck angekommen war, da er ja von bischofshofen nach salzburg fahren mußte, da dort ein planmäßiger aufenthalt vorgesehen war. der zug, in dem ich mich befand, erreichte innsbruck schließlich um vierzehn uhr, nachdem er bei kaiserwetter das inntal mit all seinen kirchen, burgen und bergriesen durchbraust hatte. man spürte schon im zug, daß für die meisten menschen in tirol dieser tag ein richtiges badewetter beschert hatte, das man auch, ging man nach den menschenmassen, die sich irgendwo im blickkontakt zur eisenbahn sonnten, nutzte.

als ich aus dem zug ausgestiegen war, fielen mir weder polizisten noch rapidler auf, erst vor dem bahnhof waren ein paar fc-tirol-fans zu sehen.

den weg zum stadion hatte ich mir aus der zu saisonbeginn noch existenten zeitschrift "spoat" herausgezeichnet. klar war, daß das stadion ganz in der nähe des bahnhofs sein mußte, im "spoat" war von einem fußmarsch von ca. einer viertelstunde die rede. zuerst ging also die straße, die am bahnhofsgebäudeeingang vorbeiführte, nach rechts, ehe ich zu einer straße kam, die nach einer unterführung ambraser straße heißen sollte. diese ging ich über die illbrücke stadtauswärts, dann bog ich, wie vorgemerkt, rechts die hunoldstraße hinein, ehe ich das gebäude der innsbrucker rettung erblickte. weiter ging ich am illufer, ehe ich links das stadion erblickte. nunmehr suchte ich den richtigen eingang und mußte um das stadion und das angrenzende, sehr gut besuchte stadionbad herumgehen, da ich den innsbruckfans zum haupteingang an der nordtribüne gefolgt war. ich prägte mir sodann den weg zurück ein, da ich es ja zum zug sehr eilig haben würde, kaufte mir eine karte und betrat so etwa um dreiviertel drei das stadion. die ordner und polizisten wollten gar nicht glauben, daß ich auch ohne fankleidung zu den rapidfans gehörte, also holte ich aus meinem plastiksackerl meine rapid-schirmkappe und setzte sie auf. in lustenau oder salzburg hätte ich sie früher aufgesetzt, doch vor den tiroler fans hatte ich nach den ereignissen in letzter zeit doch etwas mehr respekt.

der sektor der rapidfans war sehr klein, außerdem waren die zäune so angelegt, daß man nur ca. 75 % des spielfelds ohne mühe überblicken konnte. obwohl nur etwa hundert bis jetzt da waren, bekam man leichte platzangst. wie würde das erst sein, wenn sich da um die tausend einfinden würden? die pralle sonne erreichte uns ohne jedes hindernis, wenigstens war ein verkaufsstand für getränke und speisen und auch sanitäre anlagen vorhanden. ich sah wenige bekannte gesichter, offensichtlich hatten einige tiroler rapidfans den weg ins stadion gefunden, die man sonst auf rapidmatches weniger sah. ich trank einen halben liter übrigens sehr wohlfeile orangenlimonade und machte mich auf die suche nach einen halbwegs akzeptablen platz, denn gute waren ja überhaupt nicht vorhanden.

ehe das spiel begann, wurden noch einige feuerwerkskörper, die sehr viel rauch entwickelten, angezündet. die sonne brannte unbarmherzig herunter und das spiel konnte beginnen. die erst halbzeit dominierten wir ziemlich, innsbruck kam kaum über die mittellinie, auch das nicht sehr zahlreich erschienene heimpublikum blieb eher ruhig. wir spielten in folgender aufstellung: hedl; schöttel, zingler, hatz; penksa, braun, ratajczyk, freund, michi wagner, wetl; pürk. kurz vor der pause wurde der legendäre innsbrucker rekordniedertreter streiter ausgeschlossen und so konnten wir in der zweiten halbzeit gegen zehn mann spielen. komischerweise aber wurde das spiel in der zweiten halbzeit vorerst ausgeglichener. pürk haute jedoch endlich eine unserer zahlreichen chancen hinein und nun drängten die dezimierten innsbrucker. böse erinnerungen erwachten und unsere freunde schöttel, hatz und ratajczyk taten sich wieder dabei hervor, den gegner mit unnötigen abspielfehlern zu stärken. kurz vor beginn der rapidviertelstunde kam rene wagner für michi wagner und ich bereitete mich bereits darauf vor, früher zu gehen. wir hatten einige schöne chancen, sogar einen stangenschuß, doch es fiel kein tor und so mußte ich weggehen, ohne daß der sieg fixiert worden war. ich ging also richtung ausgang, wo ich einen ordner noch einmal um erlaubnis, zum zug gehen zu dürfen, bat. dieser quittierte im tiroler doppel-ch-ch-dialekt meine bitte mit dem kommentar "daunn schlaichchch die haolt" und ich war aus dem stadion. um zum bahnhof zu kommen, mußte ich das stadion wiederum teilweise umrunden und so kam ich auch bei einem offenen ausgang eines eher neutralen sektors vorbei und schaute noch einmal dem spiel zu. ich war kaum angekommen, sah ich pürk allein auf das tor der tiroler zulaufen und deren tormann tschertschessow zu überheben: 2:0! das war der vizemeistertitel! somit konnte ich beruhigt zum bahnhof traben und ich rannte beim tor hinaus, mußte unwillkürlich noch eine jubelbewegung machen, worauf mich ein vorbeikommender tiroler fragte, ob denn die innschbrucker den ausgleich geschossen hätten, was ich leider verneinen mußte, und so eilte ich zum bahnhof. der zug hatte ohnedies verspätung und so konnte ich ein paar rapidfans, die den abpfiff doch noch abgewartet hatten, nach dem endgültigen spielausgang fragen: es war beim 2:0 geblieben.

mit einer viertelstündigen verspätung fuhr der zug ab und wir fuhren wiederum durch das inntal bis wörgl, dann aber planmäßig über kufstein und das deutsche eck nach salzburg. der speisewagen war, da er teil des zuges zürich - wien war, ein schweizerischer. bekanntlich ist dort das preisniveau um einiges höher als bei uns, aber da ich ansonsten ein liebhaber der schweizer küche bin und ich auch einigen hunger hatte, konnte ich mir es nicht verkneifen, einige köstlichkeiten, so etwa ein pizza-rösti, bestehend aus kartoffelrösti, überbacken mit mozzarella und tomaten, mit diversen blattsalaten als beilagen, ebenso wie internationale biere und weine zu verkosten.

in salzburg stieg eine gruppe männer und frauen ein, die von so interessanten dingen wie vorstandsbeschluß, wie froh sie doch seien, daß überhaupt ein vorstand gewählt worden sei, berichteten. da einige frauen irgendwelche tücher in einer bestimmten farbe umhatten, bekam ich den verdacht, daß es sich um funktionäre einer bestimmten partei, die in jenen tagen durch allerlei innerparteiliche streitereien von sich reden gemacht hatten, handelte. eine frau fiel dabei besonders auf, eine blondine mit brillen wie ruth maria kubitschek, bekleidet in einer blauweißen tracht, den speisewagen mit einer bosna in der hand betretend, zwar mit anderen von der partie an einem tisch sitzend und dennoch auch zu parteifreunden an anderen tischen redend. irgendwo im speisewagen saß ein jüngerer - ganz in grünweiß gekleideter - rapidfan mit seiner freundin und schmuste mit ihr, was die blauweißgetrachtete äußerst erzürnte. vor wut schnaubend, empört keifend, blickte sie zustimmungsheischend in die runde, mußte jedoch bald feststellen, daß es leute, wie zum beispiel mich gab, die sie auslachten. nach einem weiteren viertel rotwein, einem kleinen käseteller und einem kirschkuchen, verließ ich den speisewagen, setzte mich in ein leeres abteil und verschlief die strecke wels - st.pölten und kam erst bei neulengbach wieder zu mir. schließlich kamen wir etwa um dreiundzwanzig uhr in wien an und ich fuhr nach hause.

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
Auf anderen Seiten teilen

Wichtiger Spieler

Reise nach Lustenau 13.3. - 15.3.1998

.

Am Abend mit S. im Orpheus Essen; zweieinhalb Viertel Retsina, am Bahnhof um ca. 22 Uhr 45, auch andere Rapidfans gesichtet, eingecheckt in den Liegewagen nach Innsbruck, Abfahrt 23 Uhr 30, ein Bierchen, geschlafen von ca. 0 Uhr bis 4 Uhr, volle Besetzung im 6er Abteil, der erste Blick aus dem Fenster um ca 5 Uhr 30: hohe, schneebedeckte Berge, während in der Umgebung von Wien kein Schnee mehr sichtbar ist, Ankunft in Innsbruck um 6 Uhr 26, ein sehr trüber Tag, aber trocken. Umsteigen in den EC nach Bregenz, Abfahrt 6 Uhr 31, die Rapidfans lärmen, in den Speisewagen, es stellt sich heraus, daß es sich bei den Fans um die Ultras handelt. Eine Melange. Die Ultras sind zu 15, haben aber nur für 13 eine Karte gelöst. Die Überzähligen verstecken sich vorm Schaffner, in Landeck schnappt sie aber die Gendarmerie. Im Speisewagen lärmen die Ultras mittels Casettenrecorder, irgendetwas volksdümmlich-piefkinesiches. Aus dem Speisewagen, ich beobachte die morgendliche, nicht mehr besonders winterliche Landschaft im Arlberggebiet, bis wir St. Anton erreichen. Dann wird es finster, wir fahren durch den Arlbergtunnel. Wir kommen heraus und wir sind in einer tiefverschneiten Winterlandschaft bei Langen. Den Berg hinunter nach Bludenz, dort verliert sich der Winter wieder ein wenig. Weiter nach Feldkirch und durchs Rheintal nach Bregenz. Dornbirn, Bregenz und Lustenau liegen ganz eng nebeneinander, in einem Kreis von ca. 10 km. Wir erreichen um 9 Uhr 10 Bregenz, in die Kälte hinaus, der Himmel ist bedeckt, kein Niederschlag, erste Orientierung, ich habe ca. 45 Minuten Zeit, ein kleines Wurstsemmerl, Spaziergang am See, Blick nach Lindau, Erinnerung an den Besuch dort vor 18 Jahren, die Seebühne gesichtet, dort türmen sich Autowracks (?). Irgendwie ist mir nicht gut, vielleicht ist es die Kälte, die die schneebedeckten Berge in der Nähe ausstrahlen. Die Leute in Bregenz sind sehr freundlich, vor allem aber sehr gesprächig, man wird dauernd angesprochen, Kleinigkeiten wie eine zu lange rotbleibende Ampel oder die Automatik einer Zugtür bieten Stoff für freundlichen Smalltalk.

Um 10 Uhr 03 fährt der Zug nach Lustenau. Wie ich schon nachgelesen habe, war es gar nicht so klug, daß ich zum Bahnhof Lustenau gefahren bin. Besser wäre es gewesen, schon in Dornbirn auszusteigen und von dort mit dem Bus weiterzufahren, aber ich hatte schon die Fahrkarte bestellt, als ich das erfahren habe. Um 10 Uhr 15 erreicht der Zug Lustenau. Der Bahnhof ist im Norden, wogegen sich das Stadion ganz im Süden des Ortes befindet, wie ich aus einem Blick auf einen in der läppisch kleinen und verlassenen Wartehalle aufgehängten Marktplan ersehe. Ich erblicke einen einsamen Rapidfan, auch der sucht in der Wartehalle nach Informationen hinsichtlich des besten Wegs ins Stadion. Wir betrachten gemeinsam den Stadtplan, ich meine, daß es ein weiter Fußmarsch wird. Der Rapidfan jedoch fragt den Bahnhofsvorstand, der nicht wissen will, wo das Stadion ist und dann einen jungen Burschen, der sich als Lustenaufan deklariert und meint, er sage uns nur den Weg, wenn seine Mannschaft das Match gewinnen würde. Schließlich fahren wir mit einem Autobus, der Richtung Dornbirn fährt, kreuz und quer durch den langgezogenen Ort, der über keinen klaren Ortskern verfügt.

Wir erreichen das auch in der Stadionbeschreibung des SPOATS angeführte Gasthaus Engel, gehen gemeinsam zum Stadion, an einer OMV-Tankstelle vorbei, ehe wir die Flutlichtmasten erblicken. Wir marschieren geradewegs hinein ins Stadion, sehen dort, wie gerade einige Funktionäre im Zeltdorf das kleine Volksfest, das bei jedem Spiel stattfindet vorbereiten. Gespräch mit einem der Funktionäre, zuständig für das Zelt der Lustenau-Amateure. Erzählte, er sei erst um fünf ins Bett gekommen, habe keinen Bock auf die Arbeit als Schankbursche , aber sein Verein brauche das Geld. Weiters berichtet er von sehr trinkfesten FC Tirol- und Ried-Anhängern, von Raufereien mit FAK-Anhängern, die bei der letzten Schlappe von zynischen Lustenau-Fans provoziert worden seien. Ansonsten gibt er sich eher pessimistisch, was die Chancen seiner Mannschaft betrifft. Ebenso ein anderer, bereits etwas älterer Funktionär, der mehr über den Fußball selbst, über den Markt Lustenau und seine Umgebung, sogar über Eishockey plaudert. Bemerkenswert ist seine Einschätzung, wonach er glaubt, daß alle Vereine östlich von Tirol gegen Lustenau zusammenhalten würden, weil ihnen der Weg dorthin zu weit sei. Ein gewisser Minderheitskomplex ist nicht zu überhören. Immerhin lobt er auch Kühbauer und Ipoua, bedauert sogar, daß der nicht spielen würde. Nach einer Weile wandten sich die Funktionäre wieder anderen Dingen zu und wir gingen in ein nahegelegenes Wirtshaus zum Mittagessen.

Mein neuer Freund erzählte, daß er vom Schwechater Fanclub Tornados sei, daß er der einzige seiner Partie sei, der hergefahren sei, weil er wie ich vorhabe, alle österreichischen Stadien einmal zu besuchen. Danach plauderten wir über die Mannschaft, erzählten von unseren bisherigen Erlebnissen bei Auswärtsspielen, dann kam das Essen, ich aß Scholle gebacken mit Kartoffelsalat, wir tranken Bier dazu. Die Kellnerin war sehr freundlich und fragte uns, ob nicht mehr Rapidfans kommen würden, sie hoffte offensichtlich auf ein besseres Geschäft und wir erzählten ihr, daß der Bus, mit dem wir fahren wollten, wegen zu geringem Interesse nicht zustandegekommen war. Beim letzten Spiel im Herbst, so erzählte sie uns, seien sehr viele Rapidler mitgekommen. Auch sie erzählte uns ausführlich über Lustenau, vom Fußball, von den vielen Jugoslawen und Türken, die sich im Ort angesiedelt hätten und auch von den Freiheitlichen, die schon seit Menschengedenken den Bürgermeister stellte. Sie hielt sich dabei von irgendwelchen Werturteilen frei, sie hatte überhaupt eine sehr positive Einstellung, was sich besonders zeigte, als ich sie darauf ansprach, ob das Zeltdorf beim Fußball nicht ihr Geschäft schädige und sie antwortete, daß das ja ohnehin nur alle vierzehn Tage sei und daß es ja andererseits wieder viele Leute in ihre Gegend bringe, die sonst wohl nicht dorthin gekommen wären.

Wir bezahlten und gingen wieder zum Stadion, schauten, ob schon Karten verkauft werden würden. Die Ultras, einige Funktionäre und auch ein paar Gendarmen warteten vor dem Stadion, man verhandelte wegen Transparentaufhängen, ein Schoitl verscheuchte die Anhänger wieder von der abgesperrten Zone, wohl in der nicht unberechtigten Sorge, daß sie sich sonst keine Eintrittskarten kaufen würden. Der Schwechater verschwand im Stadion, um sein Transparent aufzuhängen und kam nicht mehr so schnell wieder. Ein weiteres Bierchen aus der Dose, daß ich austrinken wollte, bevor ich ins Stadion ging, weil es mir sonst abgenommen werden würde und dann war die Blase voll, aber es war weit und breit kein WC und so mußte ich noch einmal ins Wirtshaus, sagte der Kellnerin, bei ihnen sei es doch ein wenig wärmer und trank sodann ein weiteres Bierchen, beobachtete eine große Gruppe Lustenauer, die sich scheinbar vor jedem Match dort trafen. Waren sie untereinander, wurde ihr Dialekt noch unverständlicher. Außerdem kamen noch ein paar Rapidler, die aber allesamt für sich bleiben wollten und so ging ich um ca. 14 Uhr ins Stadion, wo ich meinen Schwechater Freund wiedertraf. Dann holte ich mir ein weiteres Bierchen, fratschelte die Ultras aus, wo ihre Freunde geblieben waren, denn sie waren auf einmal nur mehr zu zehnt und erfuhr, daß einige von ihnen gar nicht zum Spiel gehen würden. Da stellte sich mir natürlich die Frage, warum diese Burschen sich eine so zeit- und kostenintensive Reise aufbürdeten und zweifelte ein wenig an der Version ihrer Freunde, daß sie irgendwo saufen seien und vermutete eher Wickel mit der Gendarmerie oder ähnliches.

Die Zeit verging wie im Flug. Neben uns waren nur durch fünf Meter getrennt, ein Teil der Lustenauer Fans und ich bandelte mit denen ein wenig an, in dem ich ihnen zurief: "Auf die Grünen!" Und: "Heute gewinnen sicher die Grünen!", da ja die Farben beider Vereine grünweiß waren. Drei junge Burschen keppelten freundschaftlich zurück, man zog einander ohne besondere Gehäßigkeit auf, manche tauschten sogar die Schals aus. Die Mannschaftsaufstellung: Koch; Jerkan; Schöttel, Ratajczyk; Wimmer, Heraf, Freund, Wetl, Pürk; Wagner R., Penksa, also wurden Hedl seine letzten Fehler doch zum Verhängnis. Dann begann das Spiel und es war genau 13 Sekunden alt und es stand 1:0 für uns. Die ca. 70 Rapidfans waren aus dem Häuschen, die Lustenauer beobachteten uns leicht säuerlich. Danach waren wir überlegen, Wimmer, Pürk waren einmal eine echte Flügelzange, die Stürmer Penksa und Rene Wagner spielten zwei, drei Chancen heraus. Nach fünfzehn Minuten wurden die Lustenauer stärker, ohne daß sie besondere Chancen herausspielten, das Spiel ging hin und her, allerdings wurde unsere Offensivkraft schwächer. Außerdem zeigte es sich, daß die Solidarität der Nichtwiener stärker war als jene der Ostösterreicher östlich von Tirol und der Tamsweger Schiedsrichter Hänsel pfiff tendenziös, daß sich Unmut ausbreitete. Kurz vor der Pause fingen wir aus einem zu Unrecht verhängten Freistoß das 1:1, die Mauer stand schlecht.

In der Pause nach dem Würstel- und Bierholen eine kleine Unterhaltung mit den Gendarmen, Frage an den einen kleinen dicken mit dem Bart, ob er aus Lustenau sei. Nein, er sei aus Bregenz, sei bei der Einsatzgruppe und sei normalerweise für Demonstrationen zuständig. Welche Demonstrationen? Bauern mit Traktoren? Nein, von linken oder rechten Türken, dann wieder von solidarischen Österrreichern. Ob er auch in Wien eine Schule vergleichbar unserer Finanzschule besucht habe? Sei er auch dort "in Österreich" begrüßt worden. Lachen. Ja, ein dreiviertel Jahr habe er zwischen Mödling und Bregenz hin und herpendeln müssen, obwohl er schon eine Familie gehabt habe, während die Kurskollegen in einer halben Stunde zuhause gewesen seien. Aber das Würstel, eine Vorarlberger Knackwurst, ? genannt und dort nicht kalt, sondern warm verspeist, werde kalt. Das mache nichts, meinte ich, wir im Osten seien kalte Beamtenforellen, wie die Knackwürste bei uns genannt würden, gewöhnt. Nichtsdestoweniger mußte ich es nun essen und auch das Bier austrinken und so stellte ich mich wieder zu den Fans, ehe der Schiedsrichter die zweite Hälfte anpfiff. Wir hatten noch ein paar gute Möglichkeiten auf das 2:1, verhauten aber - wie in letzter Zeit immer - alle.

Nach dem Schlußpfiff hätten die Gendarmen uns noch einige Zeit zurückhalten müssen, aber ich sagte ihnen, ich müsse zum Zug und prompt ließen sie mich gehen. Leicht angeheitert durch den ganzen Ort, eine Straße führte direkt vom Stadion zum Bahnhof, dazwischen noch ein Döner Kebab, der Weg zog sich. Am Bahnhof angekommen merkte ich, daß ich bis zur Abfahrt meines Zuges noch eine dreiviertel Stunde Zeit hatte, setzte mich auf ein Bankerl. Irgendwie war ich nun müde. Ich mußte aufpassen, nicht einzuschlafen, denn sonst hätte ich nicht nur den Zug nach Bregenz versäumt, sondern wäre, da es der letzte war, überhaupt in dieser Straßensiedlung Lustenau, festgesessen.

Wieder in Bregenz durchquerte ich die Altstadt, es war inzwischen dunkel geworden, die Gebäude waren hell beleuchtet. Am Bahnhof setzte ich mich in ein italienisches Restaurant, aß dort ausgezeichnet und billig. Um 21 Uhr 42 würde mein Zug abfahren und ich konnte dann schon eine halbe Stunde früher einsteigen, checkte mich in den Liegewagen ein und schlief ein. Erst in der Nacht erwachte ich wieder kurz, schlief bald aber wieder weiter und wurde erst wieder zum Frühstück um halb sieben Uhr geweckt. Da schien dann die Sonne. Der Zug kam pünktlich um 7 Uhr 35 am Westbahnhof an und ich fuhr gleich nach Hause.

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
Auf anderen Seiten teilen

Join the conversation

You can post now and register later. If you have an account, sign in now to post with your account.

Gast
Auf dieses Thema antworten...

×   Du hast formatierten Text eingefügt.   Formatierung jetzt entfernen

  Only 75 emoji are allowed.

×   Dein Link wurde automatisch eingebettet.   Einbetten rückgängig machen und als Link darstellen

×   Your previous content has been restored.   Clear editor

×   You cannot paste images directly. Upload or insert images from URL.



  • Folge uns auf Facebook

  • Partnerlinks

  • Unsere Sponsoren und Partnerseiten

  • Wer ist Online

    • Keine registrierten Benutzer online.