Petrovic im Sturmboard-Interview


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Interview mit Trainer Mischa Petrovic am 12. Mai 2005:

Heute wieder mit dem Interview-Team Chandler und LARRY

Chandler (in der Folge "C"): Mischa, du bist jetzt eineinhalb Jahre bei uns als Trainer. Wie siehst du die Entwicklung der Mannschaft, vor allem die der jungen Spieler - mit wem bist du eher zufrieden, mit wem weniger?

Na gut, ich bin im Prinzip seit zwanzig Jahren in Österreich und bei Sturm, mehr oder weniger, und ich glaube in diesen letzten eineinhalb Jahren haben die Jungen natürlich einen Schritt nach vorne gemacht, natürlich durch die Arbeit und so, denn letztes Jahr haben wir bis zur letzten Runde gegen den Abstieg gekämpft; dieses Jahr haben wir mit einer vom Namen her schlechteren Mannschaft gespielt und wir haben es fünf Runden vor Schluss schon geschafft, unser Ziel zu erreichen...

Larry (in der weiteren Folge "L"): Warum mit einer "schlechteren" Mannschaft?

Ja weil Mujiri und Mario Hass, die praktisch 80 % unserer Tore gemacht haben, fehlten uns und die jungen haben gelernt, die Qualität zu kompensieren...

C.: Aber der Roli Linz ist doch ein guter Ersatz für den Mario?

...gut, aber ok, wir haben von der Qualität her eine schlechtere Mannschaft, aber die jungen haben gelernt, aber es ist ein typisches Problem junger Spieler, dass sie nach ein paar Partien schon glauben, sie sind Weltmeister. Nach dem Spiel gegen Bregenz denken sie, sie brauchen nicht mehr laufen und kämpfen. Das ist das Problem bei jungen Fußball-Spielern. Dann ist die Frage, wie reagiere ich jetzt. Wollen sie weiter trainieren oder glauben sie, sie sind schon fertige Spieler?

L.:

Dazu gleich meine Frage bezüglich der Neuzugänge für nächste Saison. Thema Ledwon: Es heißt, er ist ein Wunschspieler vom Trainer. Inwieweit kann er uns aus Trainersicht helfen?

Ich habe schon länger zu diesen Experten im Vorstand gesagt, was ich brauche, damit sie nicht das gleiche Theater machen wie früher, weil für mich hat DIESE Mannschaft, die ich jetzt habe Priorität und es ist wichtig, dass die meisten Spieler bleiben.

Das heißt, einer der Franks muss bleiben; ich habe ein Problem mit Eki Dag, dass er nicht weiß ob er bleiben will, ich habe Problem mit Bojan Filipovic, da laufen die Verträge aus.

Und dann habe ich gesagt, wir brauchen drei Spieler, weil Rojas weg geht, Brunmayr geht weg und einer der beiden Franks geht weg. Das heißt diese drei erfahrenen Spieler gehen weg und wir brauchen drei zusätzliche Spieler.

Wir brauchen einen Spieler fürs defensive Mittelfeld, das ist Ledwon, wir brauchen einen Spieler auf der linken Seite und ich habe schon dem Vorstand gesagt, wen ich will und dann habe ich ein Problem mit Eki Dag, der wahrscheinlich weg geht, denn er hat ein gutes Angebot aus der Türkei, also brauchen wir einen offensiven Spieler auf der rechten Seite. Und sie wissen das genau; aber wenn ich in der Zeitung lese, dass neben Ledwon als Wunschspieler auch ein anderer Spieler ist, den ich nicht wollte, dann bin ich ein bisschen beleidigt, wenn ich in der Zeitung lese dass Spieler beobachtet werden, die ich nicht will. Denn ich habe genau gesagt, welche drei Spieler ich will und ich brauche nichts anderes.

C.: Namen?

Für die linke Seite wollte ich Lasnik und für die rechte Seite als Ersatz für Dag einen Spieler von Bregenz.

C.: Was uns noch aufgefallen ist: Die Torhüter-Frage.

Es war schon früher so, dass immer wieder die Torhüter gewechselt wurden. Ist das ausgemacht, gibt es so etwas wie ein Rotationsprinzip?

Ausgemacht ist das nicht, es sind immer die Leistungen entscheidend. In Österreich, speziell bei Sturm, ist es sehr schwer ein Tormann zu sein. Der Druck ist enorm. Seit vielen Jahren ist immer der Tormann schuld. Das ist nicht so einfach.

Ich habe Radakovic geholt und ihn ins Tor gestellt, er war nicht gut, dann kam Christian, er hatte eine lange Chance gehabt, denn ich wechsle nicht nach ein zwei Spielen, sondern nach sieben, acht Spielen, aber er hat auch nicht so gespielt, wie ich mir erwartet hatte. Dann kam eben inzwischen Radakovic, aber jetzt gegen GAK lommt wieder Christian.

Aber ok. im Fußball ist das so, aber mit beiden Tormännern bin ich noch nicht zufrieden.

L.: Hat Radakovic noch ein "Trauma" vom letzten Derby?

Ja, das war ein bisschen die Überlegung, denn wenn man solche Fehler in einem Spiel macht wie letztes Mal, ist es vielleicht besser für ihn, ihn diesmal nicht spielen zu lassen.

C.: Wie ist das eigentlich von der psychologischen Seite her für die Tormänner? Für mich als außenstehenden scheint es die schwierigste Position zu sein, denn wenn der Tormann einen Fehler macht, ist es meist ein Tor und er ist Schuld! Wenn ein Stürmer nicht trifft, hat er noch eine Chance. Ist es also wirklich so gut, wenn man einen Tormann nach einem Fehler sofort rausnimmt? Ich weiß nicht, was der wirkliche Grund war, aber es fiel auf, dass nach dem Rapid-Spiel wieder der Radovan im Tor stand. Nur wegen diesem einen Fehler, den der Chris machte?

Das erste Problem hier im Fußball ist ein typisch österreichisches, sind Freundschaftsbeziehungen ("Freunderl-Wirtschaft" - Anm.) . Im Profi-Fußball gibt es keine Freundschaften, sind Namen nicht wichtig. Ich weiß das, ich bin zwanzig Jahre in Österreich, 17 Jahre österreichischer Staatsbürger; ich weiß, das ist ein enormer Druck. Alle wollen unbedingt, dass alle jungen Spieler eingesetzt werden sollen, wegen dieser Europa-Meisterschaft, ABER wenn Qualität nicht da ist, dann ist es egal, ob ich jetzt sage Rado oder Christian.

Weil im Profi-Fußball ist das so. Keiner fragte Sturm in der erfolgreichen Zeit, warum wurde 10 oder 15 falsche Spieler gekauft, die niemand braucht; aber wenn es schief geht, dann fragen sie heute, wer ist erster, zweiter. Und ich bin der letzte Trainer, der einen Spieler nach einem Fehler wechselt.

Christian hat nicht nur gegen Rapid den Fehler gemacht, auch das zweite Tor gegen Pasching war sein Fehler, nicht der von Silvestre. Denn der Ball war zwei Meter neben ihm.

Das Tor gegen Bregenz, zu weit vor dem Tor!

Ich bin als Trainer bekannt dafür, dass ich immer beiden Leuten eine Chance geben, mindestens fünf bis sechs Partien zu spielen. Es geht um Kontinuität. Es ist auch ein Problem für mich, dass einige Leute bei einigen Spielern wenige oder keine Fehler sehen wollen und bei anderen schon VOR dem Spiel Fehler sehen. Das ist das Problem. Für mich spielen Namen keine Rolle,...

Egal, wer spielt. Ich stehe auf jeden Fall immer hinter der Mannschaft, denn ich sehe, was sie in den letzten 18 Monaten gelernt hat.

L.: Was manche Beobachter und Sturm-Anhänger auch noch nicht so richtig verstanden haben, ist die Frage, warum - zumindest auf dem Papier - immer mit nur einem nominellen Stürmer gespielt wird?

Im modernsten Fußball ist der Begriff "Spitze" ein anderer, wie in Österreich. Wenn man sich Real Madrid anschaut, oder Chelsea. Heute ist es wichtig, dass alle Spieler in zwei Richtungen spielen können und müssen. Nach vorne und nach hinten.

Wer das nicht spielen kann, kann keinen modernen Fußball spielen. In Österreich ist das ein Problem, weil alle wollen, dass so wie früher gespielt wird.

Beispiel GAK: Wir spielen immer ungefähr gleich wie GAK, mit einer echten Spitze; Kollmann und Bazina.

Ich spielte mit Mario Haas und Mujiri. Ist ungefähr gleich. Oder Austria mit Rushfeld und Vastic. Vastic ist keine echte Spitze.

Nur: die Frage ist, die Leute sehen bei uns eine Spitze, bei GAK sind Bazina und Kollmann zwei Spitzen. Bei uns sind Mujiri und Haas, oder Filipovic und Linz keinen zwei Spitzen. Bei anderen sind Vastic und Rushfeld zwei Spitzen.

L.: ... wobei aber auffällt, dass zum Beispiel Filipovic doch sehr oft zu defensiv spielt.... Ist das seine taktische Aufgabe, oder geht das von ihm selbst aus?

Ich habe schon gesagt, in einer guten Mannschaft kann ein Trainer tolerieren, dass ein Spieler ohne Defensiv-Aufgaben dabei ist, alle anderen müssen sich in zwei Richtungen bewegen, wenn der Ball verloren geht. Deshalb gibt's im Fußball nur ein System, obwohl manche fordern vier hinten, fünf hinten oder drei hinten. Im Fußball gibt es aber von Anfang bis Ende nur ein System: Wenn eine Mannschaft den Ball hat und viele Spieler ins Spiel kommen und spielen, ist das ein Vorteil; wenn der Ball verloren geht und möglichst alle Spieler hinten stehen, ist das auch ein Vorteil. Und wer kann so ein kräfteraubendes System im Fußball spielen?

Bekommst du den Ball und spielst dein Spiel und hast vier spielerisch gleich starke Spieler, die das spielen können, ok, aber wenn du dann den Ball verlierst, kann ich nicht als Trainer nach hinten laufen und den gegnerischen Spieler aufhalten, das müssen sie dann auch selber machen. Und der, der in beide Richtungen - nach vorne und nach hinten - mehr macht, hat Vorteile.

C.: Die Medien schreiben, dass mit Szamotulski noch ein weiterer Tormann geholt werden soll. Wie wird sich das auf die derzeitige Situation mit Gratzei und Radakovic auswirken?

Wenn Szamotulski kommt, ist Radakovic weg. Er wird zweiter Tormann sein. Aber es ist eine finanzielle Frage, denn wir haben kein Geld.

L.: Wie wird es mit dem Roland Linz weitergehen? Was weiß du da schon?

Er sagte mir, er würde gerne bleiben, aber das Problem ist, dass er noch einen Vertrag mit Austria hat. Und die Frage der Finanzierung ist auch ein Problem.

L.: Was uns aufgefallen ist: es gibt vor den nächsten zwei Spielen jeweils Training in Messendorf und keine Kasernierung. Was ist da jetzt passiert? Es war doch jahrelang Tradition? Wie wirkt sich sich das auf den Rhythmus der Mannschaft aus?

Früher war es kein Problem, wenn es 10 Tage Kasernierung war, heute ist es Problem wenn es um 1000 Euro geht....

L.: Problem vielleicht nicht unbedingt....? Aber es fiel vielen Fans auf, dass es bei den nächsten zwei Spielen keine "Kasernierung" gibt.

Ja, ich weiß,....

..aber ich glaube es ist das größte Kompliment für diese Mannschaft!

Denn ich weiß, (ich habe lange selbst Fußball gespielt) welche Spieler ich vor eineinhalb Jahren übernommen habe...

...und das beste Kompliment für unsere Mannschaft ist, dass unsdie größten Gegner unsere Mannschaft nicht kritisieren können. Weil wir haben in diesen 32 Runden vielleicht fünf Spiele korrekt verloren, in allen anderen Spielen muss ich sagen, dass was diese Mannschaft spielerisch bringt, fantastisch war. Spielerisch fantastisch.

Zu allen Spielen möchte ich noch sagen, wenn wir gewonnen hätten, würde keiner ein Wort der Kritik sagen!

L.: Da drängt sich natürlich meine nächste Frage dazu auf. Was kann denn der Trainer dazu beitragen, dass Spiele eben NICHT KORREKT verloren gehen?

Das ist oft nur eine Geduldsfrage. Weil einige wollen einige wollen nicht. Wir haben 14 Leute in unserem Kader, die von den Amateuren kommen, davon haben mindestens 10 schon debütiert. Tommy Krammer, Gercaliu, Rauter, Diego, Gerry Säumel, Jürgen Säumel und so weiter, und so weiter und wenn man mich jetzt fragt, warum sie nach drei, vier Monaten ohne Fehler sind und keine Tore schießen, das ist unrealistisch. Diese Jungen brauchen natürlich Zeit, sie lernen, in jedem Spiel mehr....

L.: Bestes Beispiel Rapid, da dauerte es auch fünf Jahre....?

Die sind erst nach NEUN Jahren wieder Meister geworden.

C.: Es fällt aber vielen Fans auch auf, dass Sturm derzeit aus Standard-Situationen sehr wenig macht. Ich bin in letzter Zeit oft beim Training und sehe dass das auch nicht sehr oft trainiert wird. Heute beim Training wude ein Eckball passiv zweimal wiederholt. Wieso wird das beim Training so wenig forciert?

Das ist meine Philosophie, ich habe bei Osim gesehen, er hat nie nach dem Training solche Situationen trainiert, ABER was kann ich für mich ändern?

Ich kann Standard-Situationen traiinieren, wenn ich fünf Spieler vom GAK (oder vom nächsten Gegener) in der Verteidigung habe, wenn ich weiß, wie die laufen! Einige wollen nicht, einige stehn, das ist so....

Wir haben vorletztes Spiel gegen GAK 1:0 gewonnen durch ein Kopfball-Tor von Silvestre. Wir trainieren keine Standardsituationen, aber wir schießen Tore. Ich sage, dass wir gegen solche Mannschaften, wie GAK Leute brauchen, die finanziell erschwinglich sind und von der Körpergröße und Kopfball-Stärke möglich sind. Wenn du Leute hast, von denen 9 von 10 fast 1,90 sind.

C.: Aber wir haben mittlerweile mit Rottensteiner, Ertl und Linz auch keine kleinen Spieler. Die sind auch sehr kopfball-stark.

Wir haben in letzter Zeit wenig solche Tore bekommen...

L.: ...bekommen nicht, aber es geht hier auch ums "Tore Erzielen"?...

Ja, ich sage, ich bin "unglücklich", wenn wir ein Tor aus einer Standard-Situation schießen. Ein Tor schießen nach drei-vier direkten Kombinationen macht mich glücklicher. Standard-Situationen, das kann meine Mutter, sie nimmt ihr Buch, einmal erste Stange, eine zweite Stange, eine in die Mitte, dann mit dem Kopf nach Flanke, was kannst du machen,...

Ich bin kein Freund dieser Standard-Situationen...

L.: Letzten Sonntag meinte aber Helge Payer von Rapid sinngemäß, dass das Trainieren von Standardsituationen ein wesentlicher Teil des Erfolges von Rapid ausmacht.

Ich glaube wenn ich die Vergangenheit bei Sturm anschaue, dann sehe ich dass bei ca 60 Toren pro Saison zwei aus Standardsituationen gefallen sind. Keiner redet davon, wenn ich Erfolg habe, wenn ich keinen Erfolg habe, fragt jeder warum schießt Kienzl Elfmeter, warum nicht Mujiri, wenn Mujiri verschießt fragen alle, warum schießt Mujiri? Wenn du Erfolg hast, kannst du tun, was du willst.

Aber sonst muss einfach Ruhe sein.

Das ist jetzt einfach so, Standardsituationen sind kein spielerisch schöner Fußball, ich weiß dass wir nicht so viele Tore geschossen haben, aber wir spielen guten Fußball.

C.: Was uns leider auch sehr viel beschäftigt, ist die Tatsache, dass Sturm in den letzten eineinhalb Jahren kein Auswärts-Spiel mehr gewonnen hat. Unser letzter Sieg war in Kärnten mit 3:0. Ich hab ein bisschen nachgeblättert, es sind ganze neun Punkte geholt worden. Es spielt ja praktisch die gleiche Mannschaft zuhause und auswärts. Warum kann man nicht mal in Bregenz oder Salzburg in Führung gehen?

Ich kann nur sagen, was ich gesehen habe. Wir haben zweimal gegen Admira auswärts gespielt. Wir haben in diesen Spielen mindestens 12 nicht 100- sondern 1000%ige Chancen, wir haben gegen Salzburg die Latte getroffen, wir haben Spiele auswärts verloren, die normalerweise keine Mannschaft verliert. Das ist ein Prozess. Wir haben Spiele gespielt, da waren wir auswärts sogar besser als zuhause. Wir haben einige Partien verdient verloren, aber wir haben zum Beispiel in Tirol 2:0 verloren, obwohl wir so viel Chancen hatten, wir haben in Salzburg 1:0 verloren, sie waren einmal in unserem Strafraum und haben das 1:0 geschossen. OK. es ist vielleicht auch ein Komplex, aber ich glaube, dass wir diese Saison noch einmal auswärts gewinnen.

Quelle: www.sturmboard.net

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