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Wahnsinniger Poster

Ich war über die Jahreswende in Saudi-Arabien und weil es da noch keinen Thread gibt, will ich hier mal ein wenig meine Erfahrungen schildern:

Wizz Air bietet Direktflüge nach Dschidda JED und Riyadh RUH an, was ich in Form eines Gabelflugs ausgenutzt habe (bei Wizz Air sind allerdings als Point-to-Point-carrier diesbezüglich getrennte Buchungen nötig). Alternativen gäbe es mit Umsteigen zu Hauf. Saisonal ginge auch Saudia direkt.

Erste Station war Dschidda: Sehenswert ist vor allem die Altstadt Al-Balad, welche komplett renoviert wurde bzw wird. Teilweise sind die Bauarbeiten noch im Gange, man kann aber bereits sehr viele der traditionellen Häuser mit Roshan (Holzerker) in voller Pracht sehen. Hinzu kommen traditionelle Cafes und Souks. Zumindest einen halben Tag kann man hier sehr entspannt in orientalischer Athmosphäre inmitten des UNESCO-Welterbes verbringen.

Was die Corniche betrifft ist diese an einzelnen Punkten, welche aber leider sehr weit auseinander liegen, sehenswert. So kann man (nachts) die King Fahds Fountain im Süden anschauen, zum Sonnenuntergang lohnt der Jeddah Waterfront Park mit Jeddah Sign und Island Mosque bzw sehr weit nördlich der Marina Yacht Club mit der prächtig gelegenen Al Rahmah Mosque (Floating Mosque). Unbedingt auslassen würde ich hingegen den Jeddah Flagpole: Angeblich der zweitgrößte Flaggenmast der Welt befindet sich daran zu 95% der Zeit keine Flagge, sodass man lediglich einen Riesenmetallständer inmitten eines vielbefahrenen Kreisverkehrs sieht. Mit Abstand die meistüberschätzte und unspektakulärste Sehenswürdigkeit weltweit, für die ich jemals Zeit und Geld investiert habe. Wer noch Zeit übrig hat, kann die Al Tayebat International City, welches von einem Blogger zu Recht als merkwürdigstes Museum der Welt bezeichnet worden ist: Es bietet sich in den verwinkelten Räumlichkeiten eines ehemaligen Stadtpalastes ein Sammelsurium von Artefakten, die im weitesten Sinn mit Saudi-Arabien bzw dem Islam zu tun haben. Als Besucher wird man ob der Vielzahl der Ausstellungsstücke ohne hervorgehobener Highlights erschlagen und verirrt sich in der labyrinthartigen Anordnung, manches wäre aber dennoch wert, genauer in Augenschein genommen zu werden.

Mit dem Flugzeug (dieses Mal mit Saudia, alternativ fliegt auch die Flynas) ging es dann nach Al'Ula, DEM saudischen Touristen-Hot-Spot mit der Nabatäer-Stadt Hegra, und weiteren archäologischen Highlights sowie zahlreichen Naturschönheiten in der großen arabische Wüste.

Hegra selbst kann nur mit offiziellen Touren besucht werden, was im Vergleich zur (größeren) Schwesternstadt Petra in Jordanien doch ein größerer Nachteil ist. So muss man alles im Voraus planen, ist zeitlich gebunden und wird letztlich mit einem Riesenreisebus mit 50 anderen Touristen durch die Überreste der Stadt gekarrt. An vier Ausstiegsstellen gibt es während der zweistündigen Führung Möglichkeit sich die Füße zu vertreten und Fotos zu schießen, die Bewegungsfreiheit wird aber auch hier stark eingeschränkt. Auch wenn dies nicht unbedingt meiner Vorstellung von Individualurlaub entspricht: Hegra ist es wert, trotzdem besucht zu werden. Die in den Fels gehauenen Grabmäler inmitten der Wüstenlandschaft sind einfach überwältigend schön.

Ebenfalls sehr sehenswert (und ebenfalls nur mittels offizieller Führung zu besuchen) sind die Ausgrabungen der lihyanitischen Hauptstadt Dadan. Bei den Lihyaniten handelt es sich um eine antike Hochkultur, die insbesondere in der Schlucht des Jabal Ikmah tausende Petroglyphen hinterlassen haben, die heute zum UNESCO-Weltdokumentenerbe zählen. Für geschichtsinteressierte Besucher ist die diesbezügliche Führung ein absolutes Must-See.

Die Altstadt Al'Ula besteht aus einer modernen Flanier- und Fressmeile, bei der man sich an der altarabischen Architektur orientiert hat und den Ruinen der tatsächlichen Altstadt. Direkt daneben kann man durch die Oase Al'Ula mit ihren Dattelpalmen spazieren.

Weiteres angeboten werden noch Wanderungen in der Wüste bzw Oase, Safaris sowie Sternbeobachtungen. Ich habe mich für letztere entschieden, im Gebiet der Gharameel Nature Reserve gibt es so gut wie keine Lichtverschmutzung, der Sternenhimmel ist daher in nahezu unberührter Schönheit zu betrachten. Ein imposantes Naturerlebnis inmitten einer Marslandschaft welches durch einen arabischen Geschichtenerzähler (und Sterndeuter) abgerundet wird. Das Erlebnis ist aber nicht ganz billig und die Fahrt von Al'Ula nach Al Gharameel dauert rund 1 1/2 Stunden. Persönlich hätte ich mir fast etwas mehr erwartet, denn auch in Österreich (und natürlich auch an vielen weiteren Orten der Erde) gibt es genügend Plätze mit wenig Lichtverschmutzung (und sohin einem ähnlich unverfälschtem Blick auf den Nachthimmel). Sohin ist "Stargazing at Gharameel" zwar wunderschön, aber sicher nicht einzigartig.

 

Ganz nett sind auch Felsformationen wie der "Elephant Rock" oder der Aussichtspunkt "Harrat Viewpoint", wo sich speziell um den Sonnenuntergang gut chillen lässt.

Ein knapp 1 1/4-stündiger Saudia-Flug mit einer Boeing 777 (!) brachte mich dann nach Riyadh, zur letzten Station meiner Reise. Riyadh verfügt neuerdings über eine Metro, welche die Sehenswürdigkeiten kostengünstig verbindet. Man sollte die Metro nutzen, das Riyadh an und für sich ein verkehrsreicher, flächenmäßig riesiger Moloch ist.

Die modernen Skyskraper, insbesondere das Kingdom Centre mit der Skybridge ist sehr fotogen. Ein Besuch der Skybridge ist recht teuer, zahlt sich aber aufgrund des Rund-Um-Blicks vor allem nachts aus. Die Mall im Kingdom Centre ist aber äußerst enttäuschend, kein Vergleich mit den Malls in Dubai. Sehr enttäuschend war auch der Faisaliah Tower mit "The Globe". Letzterer war nachts mangels Beleuchtung kaum auszumachen und sieht der Tower am Tag nicht sehr spektakulär aus.

Ganz nett für einen Spaziergang ist der Deera Square (eigentlich heute Alsafat Square) und die dortige Umgebung mit diversen Souks, dem Fort Masmak (derzeit leider renovierungsbedingt nicht zu besichtigen), dem Clocktower, den alten Stadttoren und dem Gerichtsviertel.

Die eigentliche Hauptsehenswürdigkeit Riyadh liegt aber außerhalb der Stadt in Dir'iyya: Das UNESCO-geadelte At-Turaif Heritage Center: Die Saudis haben die Keimzelle des Wahhabitentums, sohin die in Lehmbauweise errichtete Stadt an den Grenzen des heutigen Riyads, liebevoll restauriert und befinden sich vor Ort neben den Gebäuden auch kleinere Museen sowie ein modernes Viertel mit zahlreichen Restaurants und Cafes (Bujairi Terrace). Der Eintritt ist (vor 14:00) kostenlos und ist der Ort jedenfalls sehenswert.

Wettermäßig soll man sich nicht täuschen lassen: Im Winter ist es in Saudi-Arabien recht kühl, in der Wüste selbst wird es nachts sogar extrem kalt. Eine Winterjacke, Haube, Schal und Quartiere mit Heizung (!) waren daher lebensnotwendig.

Ansonsten ist Saudi-Arabien ganz anders, als andere Reiseziele. Religiös höchst konservativ gibt es (bei Körperstrafe) keinen Alkohol oder Schweinefleisch, die Abaya ist allgegenwärtig (aber keineswegs Pflicht), in Restaurants und der Metro gibt es eigene Räume für Frauen ("family") und Männer ("single"). Moscheen (sowie die heiligen Stätten in Medinah und Mekka) darf man als Nicht-Muslim nicht betreten. Beispielsweise darf man aber die Toiletten von Moscheen nutzen. Das Leben ist aber keineswegs nur puritanisch-freudlos, wie man in den Vergnügungsvierteln (zB eben Bujairi Terrace oder Yacht Marina Club Jeddah) merkt. Trotz konservativer Staatsreligion ist das Land weltoffener als erwartet und investiert in moderne Errungenschaften, Technik und die Wissenschaft. Die Menschen sind (außer hinterm Steuer) sehr freundlich, können aber selten (gut) englisch. Was den Tourismus betrifft ist alles erst im Aufbau begriffen, es mangelt noch an Kartenmaterial und (guten) Reiseführern. Selbst Online-Blogs sind selten aktuell, da alles im Umbruch befindlich ist. Wasser ist fast überall gratis, bei den touristischen Sights gibt es auch immer "Willkommenszentren, wo gratis Goodies wie Fruchtsäfte, Datteln und Kekse verteilt werden. Generall ist das Leben aber nicht billig, Hotels sind teuer (dafür aber auch auch sehr luxuriös). Fortbewegen kann man sich am besten mit Uber (in den Städten), der Metro (in Riyadh) oder Mietauto (in Al'Ula). Letzteres ist dort ziemlich notwendig, auch wenn es bereits Shuttle-Dienste gibt. Diese verkehren aber meist nur vom Parkplatz zur Sehenswürdigkeit. Aufpassen muss man auf die Verkehrsregeln. Es gibt vergleichsweise viele Radarfallen und die arabischen Zahlen sollte man können, um die Geschwindigkeitsbeschränkungen zu kennen. Ansonsten ist vieles in englisch angeschrieben, ansonsten hilft der Google Übersetzer (mit Kamerafunktion).

bearbeitet von schmechi

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