toni pfeffer interview


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ballestererfm: Wie wird Toni Pfeffer die WM in Deutschland erleben?

Toni Pfeffer: Wie ein Großteil der Österreicher vor dem Fernseher. Ich habe vergeblich versucht, Karten zu bekommen und bekrittle auch ein bisschen die Vorgehensweise der FIFA. Es ist recht und schön, dass man die Sponsoren bei Laune hält, aber die Zuschauer sind auch nicht unwichtig. Wenn nur ein Drittel der Karten in den freien Verkauf geht, sorgt das zu Recht für Unmut.

Sie haben die WM aber auch schon aus einer anderen Perspektive mitbekommen. Wie fühlt es sich an, als Fußballer zu einer Endrunde zu fahren?

Angesichts der jetzigen Situation kann man das gar nicht hoch genug einschätzen. Als österreichischer Fußballer bei einer WM dabei zu sein, ist eigentlich das Höchste, was man erreichen kann. Sicherlich hat es auch schon andere Aussagen gegeben, ich bin aber der Meinung, dass man die Kirche im Dorf lassen sollte. Das hat jetzt nichts mit übertriebenem Nationalstolz zu tun: Aber wenn ich mit dem Adler auf der Brust im Stadion gestanden bin, in die Zuschauer reingeschaut und die Bundeshymne mitgesungen habe, dann war das immer etwas Großes für mich. Zu einer WM zu fahren, ist noch einmal ein Tupferl drauf. Ich hatte das Glück, bei zwei Endrunden dabei zu sein, was bisher noch von keinem Österreicher übertroffen wurde.

Die WM in Italien war für viele Fans hierzulande eine Enttäuschung. Auch für Sie?

1990 haben wir uns alle zusammen, inklusive der Öffentlichkeit, zu viel Druck auferlegt. Wir hatten diese Riesenergebnisse in der Vorbereitung: 3:2 in Spanien, wo sich niemand erinnern konnte, wann das Österreich zum letzten Mal gelungen ist, zuhause den regierenden Europameister Niederlande geschlagen, das Unentschieden gegen Argentinien… Daraufhin hat die Öffentlichkeit gefordert, wir müssen Weltmeister werden – übertrieben gesagt. Aber zumindest ins Achtelfinale sollten wir schon kommen. In der ersten Partie hatten wir ein bisschen Pech, obwohl man gegen die Italiener immer 0:1 verlieren kann. Als wir zum zweiten Spiel in Florenz aufgelaufen sind, war alles Rot-Weiß-Rot eingefärbt. Die Fans waren wie aufgezuckert, sie wollten einen Sieg sehen. Und wir waren wie gelähmt. Bei meinem Rückpass hab ich die Schwarzwälder Kirschtorte in den Schuhen gehabt und so unsere Heimfahrt beschleunigt.

Wie hat sich die Szene aus Ihrer Sicht abgespielt? Haben Sie die Bilder noch vor sich?

Man muss sich mit solchen Dingen irgendwann abfinden. Aber ich erinnere mich, dass ich mit dem Gesicht zur Outlinie gestanden bin und bedrängt war. Der Robert Pecl wirft mir den Ball her und ich passe zurück. Dass der Chovanec das übernasert und der Linde ein Schnarcherl macht, was er jetzt nach langer Zeit auch endlich zugibt, konnte ich nicht wissen. Wäre er nicht angeschraubt gewesen auf der Linie, passiert das nicht. Klarerweise war es trotzdem meine Schuld. Hätte ich nach dem Match eine Schaufel gehabt, ich hätte mich auf der Mittelauflage eingegraben. Ich bin zu den Journalisten gegangen und hab gesagt: »Gebt’s ma de volle Kanne, i bin schuid, dass ma ham foan!« Da waren sie so perplex, dass sie eine Zeit lang gar keine Fragen stellen konnten. Im Endeffekt haben sie mit angezogener Handbremse über mich geurteilt. Das Groteske bei der 98er-WM war, dass mich Journalisten im Vorfeld ernsthaft gefragt haben, ob ich den Rückpass schon verdaut habe. Alles schön und gut, aber das war acht Jahre her.

Wann hatten Sie ihn denn verdaut?

Ich habe längere Zeit gebraucht – sicher eineinhalb, zwei Jahre. In der Zwischenzeit wurde die Rückpassregel eingeführt. Da bin ich natürlich auch wieder gehäkelt worden, dass sie das extra wegen mir gemacht hätten. Man hat mich sogar als Fleisch gewordenen Rückpass bezeichnet. Den Kollegen hab ich mir allerdings zur Brust genommen. Ab diesem Zeitpunkt war er mir recht gut gesinnt.

Vor der WM in Frankreich gab es andere Vorzeichen als 1990, die Ergebnisse in der Vorbereitung waren nicht so überzeugend. Was haben Sie sich persönlich erwartet?

In der Gruppe mit Kamerun, Chile und Italien war der zweite Platz greifbar. Kamerun hatte in der Vorbereitung allerdings Dänemark auswärts 2:0 geschlagen und der Ernst Weber ist zurückgekommen von dem Match und hat gesagt, wenn nicht ein Wunder passiert, hauen uns die die Hucke voll. Das hat den Taktiker Herbert Prohaska dazu verleitet, die Sicherheitsvariante auszupacken. Im Nachhinein haben sie ihn geschimpft, dass es ein Wahnsinn sei, so vorsichtig zu spielen. Eigentlich muss ich aber den Ernst Weber bei der Nase nehmen, weil er die Stärke von Kamerun übertrieben hat.

Österreich ist 1990 wie 1998 in der Vorrunde ausgeschieden. Worin lagen die Unterschiede der beiden Teilnahmen?

Aus Frankreich haben wir uns mit Anstand verabschiedet. Ich bin froh, dass ich nach der verunglückten WM von 1990 mit dem Rückpass noch einmal die Chance bekommen habe, zu beweisen, dass ich doch nicht so schlecht bin. Dieses Vorhaben ist uns gelungen, obwohl die Leute davor gesagt haben: »Feiersinger okay, aber die zwei Pfosten Schöttel und Pfeffer, da wird’s rascheln.« Körperlich waren wir sehr gut beisammen, der Herbert hat den Schwerpunkt im Vorfeld auf Regeneration gelegt, das war goldrichtig. Bei der ersten WM haben wir vielleicht ein bisschen zu energisch versucht, unsere Defizite auszumerzen.

Was ist Ihr schönstes WM-Erlebnis?

Die Vorlage zum 1:1 gegen Kamerun in Toulouse. Corner von Feiersinger in der 92. Minute, ich verlängere mit dem Kopf und der Toni Polster kann nicht mehr ausweichen und macht den Ausgleich. Da ist sehr viel Druck von mir abgefallen.

Sie sind ja nicht nur als Fußballer, sondern auch als Sänger in Erscheinung getreten. Wie würde Toni Pfeffer ein Lied über die aktuelle Lage der Nationalmannschaft nennen?

Grundsätzlich möchte ich mich zu dem Thema nicht negativ äußern, weil ich weiß, wie es ist, wenn man kritisiert wird. Österreich steckt in einer schwierigen Situation. Für meinen Geschmack wurde mit der Verjüngung zu lange gewartet. Ich hätte mir erwartet, dass man die WM-Qualifikation ad acta legt und beginnt, kontinuierlich eine Mannschaft aufzubauen. Die Vorzeichen, sich zu qualifizieren, waren nicht so gut. 2008 ist eine Riesenchance, aber ich fürchte, dass wir das Ganze ein bisschen verschlafen haben. Wie es geht, zeigt uns die Schweiz.

Was fehlt Österreich zu einem Level, mit dem man auch bei der Heim-EM bestehen kann?

Zu meiner aktiven Zeit hatten wir einige Legionäre, die ihre Erfahrung aus den starken Ligen mitgebracht haben. Ein Polster, ein Herzog, ein Feiersinger haben der Mannschaft ihren Stempel aufgedrückt. Auch wenn Scharner und Pogatetz jetzt in der englischen Liga spielen, ist das zu wenig. Es fehlt ein Stamm, der eine gewisse Qualität mitbringt. Prohaska hat immer seine Leute gehabt und sein Team nur punktuell verändert. Diesen Stamm vermisse ich jetzt. Der Nachwuchs hat es sich verdient zu spielen. Aber wo sind die Leute, die bei der U19-EM Dritter geworden sind? Salmutter und Säumel spielen, weil Sturm finanzielle Schwierigkeiten hat. Mössner ist vierter Stürmer bei Mattersburg. Das kann es nicht sein. Die Jungen müssen in der Liga spielen. Ich bin mit 22 bei der Austria in die Kampfmannschaft gekommen. Ein halbes Jahr später habe ich im Team gespielt. Das ist schnell gegangen, aber man muss das von einem 22-Jährigen auch erwarten können.

Können Sie sich vorstellen, 2008 zur Europameisterschaft als Sänger ein Comeback zu geben. Vielleicht mit Toni Polster?

Ich würde den Toni gerne unterstützen. Es heißt ja, dass er schon wieder eine CD aufnimmt. Ich bin schon sehr gespannt drauf. Ich hab einmal gesagt, dass er ein Musikgehör hat wie ein Sprengmeister nach 40-jähriger Berufserfahrung. Da war er ein bisschen beleidigt. Aber der Toni verkauft sich ausgezeichnet und ich wünsche ihm alles Gute. Was den EM-Song betrifft, bin ich der Ansicht, dass man an uns nicht vorbei kommt.

quelle: derstandard.at

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