[Fußballwelt] Die Mannschaft im Wald


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Ergänzungsspieler

Während meines gestrigen Spazierganges traf ich zufällig unsere Kampfmannschaft. Die Spieler waren in Arbeitskleidung und zogen mit schwarzen Bändern über den Schultern im Gänsemarsch an mir vorüber. Sie seien auf dem Weg zu Viktor Schmidt-Riese erklärte der neue Trainer, als er sich zu mir gesellte.

Es hatte etwas von einer Parade, die wir da abnahmen. Unwillkürlich spannte sich mein Körper. Vielleicht lag das aber auch an dem Blick des neuen Trainers. Gründlich inspizierte er Mann für Mann, keine Unregelmäßigkeit entging ihm. Nebeneinander stehend, Haltung annehmend und ungewollt zackig fragte ich: „Warum?“ Der neue Trainer wartete mit seiner Antwort bis der letzte Spieler an uns vorbei defiliert war. „…sollen auch in den Wald. Müssen mal ein wenig Dampf ablassen. Sense und Kopfballungeheuer waren ein wenig wild in letzter Zeit. Wird jetzt im Wald abgestellt. Hat bei G. auch gewirkt. Seitdem: keine Anzeige mehr, keine Rauferei….“ Seine Worte peitschten durch die Luft. „Gut, weitermachen…“ was meinerseits parodistisch klingen sollte, erinnerte mich an das raue Bellen eines Unteroffiziers. Ich musste an den damaligen Konkurrenten des Trainers denken. Jenen, der in der Form einer Birne die wahren Werte des Fußballs zu entdecken glaubte. Mit welchen Maßnahmen diszipliniert er wohl seine Mannschaft? Ich folgte wortlos dem seltsamen Zug , die zeitweisen Sprints und die Liegestützintervalle bedachte ich mit demselben kritischen Blick wie der neue Trainer, die leidvollen Blicke der Spieler ertrug ich stoisch. Ich unterdrückte jeden Zweifel an dem sportwissenschaftlichen Sinn dieser Aktion. 15 Punkte in den letzten sechs Spielen, da kann der neue Trainer gar nicht so falsch liegen.

Am Waldrand angekommen, entdeckte ich Schmidt-Riese. Er stand nackt auf einem Felsen; seine blonde Mähne wehte im Wind während er mit eulenartigen Lauten versuchte einen Adler anzulocken – Mitte März! Die beiden Raben, die er Hugin und Munin nennt und bislang die einzigen Vögel sind, die auf sein Werben angesprungen sind, sitzen eifersüchtig auf seinen Schultern.

Der Übungsleiter ließ Halt machen. Die Spieler sollten sich ein Beispiel an ihm nehmen. „Sense, nur ein Wort und Du springst den Rest des Tages ebenfalls im Adamskostüm durch den Wald,“ kläffte der neue Trainer warnend in Richtung unseres Vorstoppers. Schmidt-Riese indes zeigte sich unbeeindruckt von seinem Publikum. Mit Inbrunst und geschlossenen Augen setzte er alles dran doch noch den einen oder anderen Herrscher der Lüfte für sich zu begeistern.

Nach einer Viertelstunde, legten die Spieler die mitgebrachten Schnüre an. Die Arbeit begann, begleitet von den Rufen Viktors. Je zwei Teammitglieder hatten die Aufgabe mindestens zwei Bäume zu fällen und mit reiner Körperkraft zur einen Kilometer entfernten Kogge in Schmidt-Rieses Garten zu transportieren. Deshalb also die Schnüre.

Zwei Stunden später lagen überall im Wald verstreut erschöpfte Männer. Kaum imstande zu gehen, schleppte sich die Mannschaft wieder in Richtung Dorf. Sich gegenseitig stützend hatten die Spieler keine Kraft mehr den schallenden Gruß Viktors zu erwidern. Lediglich zu einem ermatteten Kopfschütteln waren sie fähig.

Dr. Artur Schienbein-Schützer

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