Ronaldinho im Porträt


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Im ASB-Olymp

TEIL 1

Mixtur aus Garrincha und Beckham

Ronaldo de Assis Moreira wurde 1980 in einer Stadt geboren, deren Namen sein Gemüt geprägt zu haben scheint. Er kommt aus Porto Alegre - dem heiteren Hafen - und wird Ronaldinho genannt. So wie Ronaldo zur Zeit seiner ersten Teamberufungen, weil damals noch ein Abwehrspieler gleichen Namens aber mit älteren Rechten im Kader war.

"Dem Jungen bereitet es Vergnügen, wenn er Verantwortung übernehmen kann. Er beherrscht den Ball auf phantastische Weise und in Barcelona hat er dazu auch noch seine Fähigkeiten als Torschütze entwickelt", schwärmte Brasiliens Teamchef Parreira bereits vor über einem Jahr über diesen Fußballer: "Ich räume ihm auf dem Spielfeld alle Freiheiten ein, denn so jemanden darf man nicht in einen Käfig sperren."

Da hatte der Kicker gerade seine erste Saison beim FC Barcelona absolviert - und war von den spanischen Erstligatrainern auf Anhieb zum besten in diesem Land tätigen ausländischen Fußballer gewählt worden. Schon einige Wochen zuvor, als Real Madrid in der spanischen Meisterschaft den FC Barcelona empfing - und dieses Spiel im übrigen verlor -, urteilte Roberto Carlos über seinen Kontrahenten und Landsmann: "Ronaldinho ist jetzt schon die Nummer eins. In zwei Jahren wird er der Beste der Welt sein und eine Epoche prägen."

Ob beabsichtigt oder nicht: das war auch eine Spitze gegen Ronaldo - mit dem Ronaldinho nicht nur den Namen gemeinsam hat und von dem er sich in einigem grundlegend unterscheidet. Beide wuchsen von früher Kindheit an ohne Vater in ärmlichen Verhältnissen auf und begannen ihre Profi-Laufbahn abseits der brasilianischen Fußballhochburgen Rio und Sao Paulo - Ronaldinho bei Gremio Porto Alegre. Beide übersiedelten nach Europa, bevor sie als Fußballer ausgereift waren - Ronaldinho zu Paris Saint-Germain - und schafften auf diesem Kontinent den Durchbruch als Spieler des FC Barcelona.

Der von ehemaligen Devisenspekulanten gemanagte Ronaldo wurde von da an - zuerst nach Mailand und dann nach Madrid - mit dem obersten Ziel transferiert und vermarktet, im kürzest möglicher Zeit optimale Einnahmen zu erzielen. Bis an den Rand des totalen sportlichen Zusammenbruchs. Bei Ronaldinho hingegen trifft die sportlichen ebenso wie die ökonomischen Entscheidungen allen voran dessen älterer Bruder Roberto - der selbst Profi-Fußballer und knapp daran war, in Italien eine internationale Karriere zu schaffen. Nun plant er die Laufbahn des kleinen Bruders nicht nach dem Gesichtspunkt, wer gerade mehr für dessen Dienste zu zahlen bereit ist, sondern nach klaren sportlichen Etappenzielen - um so den Marktwert von Ronaldinho kontinuierlich zu steigern bis zum vorderhand angepeilten Höhepunkt: Bei der WM 2006 in Deutschland soll er der überragende Mann dieses Turniers sein. Um diesen Status dann langfristig zu vermarkten.

Reals Plan mit der "Comic-Figur" schlug fehl

Auch in dem Punkt sind die Aussichten hervorragend - obwohl die Gesichtsarchitektur des Fußballers etwas eigenwillig geraten ist: Etwa so, als wäre sie von einem Comic-Zeichner ersonnen worden. Ronaldinho sieht aus wie ein aus einem Berg von achtlos in die Ecke geworfenem Spielzeug hervorgekramtes Kerlchen von unschuldiger Schläue - ideal, um ein Produkt wie beispielsweise Play-Station zu bewerben. Das war die spontane Überlegung der Marketing-Fachleute von Real Madrid, als dort im Sommer 2003 erwogen wurde, den Spieler auf Vorrat zu kaufen, aber eine weitere Saison lang für PSG agieren lassen, um ihn dann ein Jahr nach dem Beckham-Transfer mit großem Mediengetöse nach Madrid zu holen.

Das war aber nicht im Sinne des Kickers, der umgehend von der französischen in die erheblich höher taxierte spanische Liga wechseln wollte. Und das war desgleichen nicht nach dem Geschmack seines geschäftstüchtigen Bruders, der den Benjamin nicht im Madrider Star-Ensemble aufgehen zu lassen beabsichtigte - daher also Barca bevorzugte. Dort war Ronaldinho vom ersten Tag an unumstritten die Nummer eins der Mannschaft - und das auf so spektakuläre Weise, dass ihn die Werbestrategen der spanischen Profi-Liga umgehend als Solisten für den TV-Spot engagierten, mit dem sie ihren Meisterschaftsbetrieb bewerben.

Der Garrincha des konsumierenden 21. Jahrhunderts

Zu sehen war der Kicker, wie er in kindlicher Ausgelassenheit auf der Freitreppe der Wallfahrts-Kathedrale von Santiago de Compostela mit dem Ball die unglaublichsten Kunststücke vollführt - um ihn letztendlich hoch oben durch die kostbare Verglasung des Turmfensters zu jagen. Was absolut nicht inszeniert wirkte und die Einschätzung des beim FC Barcelona für den Marketing-Sektor zuständigen Vizepräsidenten Marc Ingla bestätigte: "Er komplettiert sein außergewöhnliches technisches Talent mit authentischem, sympathischem, innovatorischem und dynamischem Auftreten. Das ist eine Konstellation, die sich die Hersteller von Markenartikeln für ihre Werbung nicht entgehen lassen." Zugleich aber ist Ronaldinho eine Figur, mit der sich das Fußball-Publikum selbst im fernen Brasilien noch immer identifizieren kann - weil er in vielem an den phantastischen Garrincha erinnert, über den der Autor Joao Pedro Stedile anmerkte: "Er war die Synthese der Brasilianer: arm, kreativ und solidarisch." Und er endete tragisch ...

kicker.de

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Im ASB-Olymp

TEIL 2

Umsorgt, bewacht und doch stets fröhlich

Damit seinem kleinen Bruder dieses Schicksal nicht widerfährt, führt Roberto de Assis Moreira ein strenges Regime. Er mietete in Castelldefels - wo auch Ronaldo während seines Barca-Jahres logierte - am Rande von Barcelona eine luxuriöse Villa an. Die bewohnt Ronaldinho stets umgeben von einem Teil seines großen Familien-Clans - der ihn umsorgt. In Wahrheit aber ebenso überwacht.

Den Haushalt führt die Mutter oder eine Schwester. Ein Vetter dient als Sekretär, ein anderer als persönlicher Fitness-Trainer ... Fremde dürfen das Haus nur mit ausdrücklicher Genehmigung von Bruder Roberto betreten - und Frauen überhaupt nur dann, wenn sie nahe Verwandte des Fußballers sind. Gleichwohl wurde jüngst bekannt, dass der Kicker in Barcelona der Vater eines inzwischen einige Monate alten Kindes ist.

Sein Lächeln vertrieb den Barca-Frust

Angesichts der eben geschilderten Lebensumstände verblüfft es jedenfalls, Ronaldinho unentwegt fröhlich gestimmt zu sehen. Sein sonniges Wesen habe das Klima im gesamten Kader enorm verbessert, versichern Barca-Spieler, die in der Mannschaft zuvor lange Frust-Perioden erdulden mussten. Seit dieser niemals durch Star-Allüren auffällige werdende Brasilianer mit von der Partie ist, entsteht sogar der Eindruck, an der verlogenen Klamotte von den elf Freunden, die beim Fußball erforderlich seien, könne doch etwas dran sein. Kein Mannschaftskollege ist - egal in welcher Situation - davor gefeit, von Ronaldinho auf offener Szene in aller Unschuld umarmt und geherzt zu werden. Der lernte sogar ein paar Worte Türkisch, um den unentwegt auf der Ersatzbank schmorenden Torhüter Rüstü (er ist inzwischen nach Istanbul zurückgekehrt) aufmuntern zu können, der keine seinen Mitspielern geläufige Sprache beherrschte und allein schon deshalb völlig isoliert war.

Einzelkönner, Teamplayer und Namensgeber

Auf dem Spielfeld ist der heitere Mensch von Porto Alegre ein überragender Einzelkönner, der zugleich so mannschaftsdienlich wie derzeit kein anderer Kicker seines Kalibers spielt - abgesehen allenfalls vom introvertierten Zinedine Zidane. Mit dem Franzosen kann er sich durchaus schon in Sachen Ballbeherrschung messen - und somit in der Fertigkeit, mitten im Spiel beiläufig Glanzpunkte zu setzen, die Feinschmecker von den Stühlen reißen. So wie Zidane die sogenannte Roulette zu seinem Markenzeichen gemacht hat, setzt Ronaldinho seine persönliche Duftnote mit einem Haken, den er chicle nennt - Kaugummi. Der beruht auf einem blitzartigen Wechsel bei der Ballführung vom Außen- auf den Innenrist - um aus einer solchen Dribbling-Situation heraus ansatzlos einen besser platzierten Nebenmann anzuspielen. Allerdings betont Ronaldinho, diesen Trick bei seinem Landsmann Rivelino - einem der Weltmeister von 1970 - abgeschaut zu haben.

Wie Zidane ist Ronaldinho ein genialer Spielgestalter mit einem enormen Aktionsradius - und der zusätzlichen Begabung, plötzlich im Strafraum aufzutauchen, um in den heikelsten Momenten spielentscheidende Tore zu erzielen. Aber der 25-jährige Brasilianer ist zudem antrittsschneller und wendiger - also dem 33-jährigen Franzosen in athletischer Hinsicht von Natur aus etwas überlegen. Folglich ist Ronaldinho dessen logischer Nachfolger als überragender Kicker der Gegenwart. Als der Brasilianer Ende 2004 von den Teamchefs und den Nationalelf-Kapitänen aller FIFA-Mitgliedsverbände erstmals zum Weltfußballer des Jahres gewählt wurde, bedurfte es jedenfalls - im Gegensatz zu Ronaldos letzter Kür zwei Jahre zuvor - nicht der Lobby der Sponsoren. Der jüngere Namensvetter kann nämlich viel mehr als nur Tore schießen. Er glänzt - so formulierte das der Barca-Experte von EL PAIS - durch "seine kindliche Kapazität, die Freude am Spiel zu übertragen." Aber am jogo bonito, wie das anspruchsvoll-attraktive Spiel in Brasilien genannt wird.

Das sahen wohl auch die Mitglieder der internationalen Spielergewerkschaft FIFPRO so, die Ronaldinho am Montag zum besten Fußballer des Jahres wählten.

kicker.de

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