Theater/Oper/Konzerte/Musicals


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Das Himmelszelt, Lucy Kirkwood
 
Ein Gerichtsdrama der anderen Art. Ein nagelneues Stück der jungen Autorin Lucy Kirkwood wird im Burgtheater erstmals deutschsprachig aufgeführt.
Das Stück ist im 18. Jahrhundert angesiedelt. Die junge Sally Poppy ist des Mordes für schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt worden. Der Gerichtssaal ist zu dieser Zeit den Männern vorbehalten. Da die Verurteilte aber behauptet schwanger zu sein gibt es eine Ausnahme. Zum Schutze des ungeborenen Lebens darf eine Schwangere nicht hingerichtet werden. 12 bürgerliche Mütter werden zu Geschworenen bestimmt und sollen feststellen ob die vermeintliche Mörderin die Wahrheit spricht und tatsächlich ein Kind erwartet, oder ob sie lügt um ihr Leben zu retten.
Die 12 Damen könnten unterschiedlicher nicht sein, einige erfüllen Klischees andere sind für viele Überraschungen gut. Die Angeklagte selbst erweckt kaum den Eindruck als wollte sie um ihr Leben kämpfen und die 12 Damen auf ihre Seite ziehen. Zunächst kämpft die ortsansässige Amme in Manier einer Frauenrechtlerin um das Leben der Beschuldigten, obwohl diese gerade ihr mit tiefer Ablehnung begegnet. Warum dem so ist, das erfährt man später im Stück. Die 12 Frauen erhalten die Macht etwas gegen die Männerdiktatur zu tun, ein Zeichen zu setzen. Die Amme Elizabeth Luke versucht das zu vermitteln, die meisten Damen, angeführt von der Geschworenenvorsitzenden Charlotte Cary, wollen ihr aber nicht folgen. Es entwickelt sich ein Krimi, zahlreiche Wendungen in der zweiten Hälfte des Stücks halten die Spannung stets aufrecht. Ein Stück in dem auch Gewalt, Dramatik und Psychologie nicht zu kurz kommen, ab und an auch mit auflockerndem Humor untermalt. Am Ende sind es wiederum 2 Männer welche die wichtigen Entscheidungen treffen - alles wie gehabt. Ein Arzt, gefordert von den meisten der Frauen wie auch von der Angeklagten selbst, stellt fest was auch die Amme ohne seine Hilfe problemlos festgestellt hat. Männliche Gewalt, ironischer Weise von einer Frau bestellt, führt das logische Urteil der 12 weiblichen Geschworenen ad absurdum.
Effektvoll inszeniert wurde das Stück von Tina Lanik. Die Kostüme sind in der Zeit der Handlung angesiedelt, der Gerichtssaal ist spartanisch gestaltet, die Drehbühne wird für dramaturgische Effekte genützt. Das Stück wird in der Zeit belassen. Es gibt keine zwanghaften Versuche die Handlung in unsere Zeit zu zerren, die Parallelen sind auch so erkennbar. Die Reduzierung der Frau auf Körperlichkeit wird immer wieder in den Vordergrund gestellt.
Dieser Körperlichkeit muss immer wieder Marie-Luise Stockinger Ausdruck verleihen. Schamlos gibt sie sich, frech, aggressiv, verschlagen und auch arrogant, am Ende dann verzweifelt und resignierend. Eine darstellerische Meisterleistung!
Die zweite tragende Rolle, die Amme Elizabeth Luke, wird von Sophie von Kessel gespielt. Auch sie überzeugt auf allen Ebenen.
Brillant auch das Kollektiv der Damen rund um die 2 tragenden Rollen. Barbara Petritsch, Dunja Sowinetz, Elisabeth Augustin, Katharina Pichler, Stefanie Dvorak, Sabine Haupt, Stacyian Jackson, Lilith Häßle, Alexandra Henkel, Paula Kroh und Safira Robens sind die Darstellerinnen dieses hervorrangenden Kollektivs.
Abgerundet wird das Ensemble durch 2 männliche Darsteller. Philipp Hauß überzeugt als Gerichtsdiener welcher die ganze Zeit im Gerichtssaal anwesend sein muss aber nicht reden darf. Dietmar König gibt in einem humorigen Kurzauftritt den überheblichen Arzt welcher den Körper der Frau als eine lebenslange Krankheitsgeschichte bezeichnet.
Ein sehenswerter Theaterabend!

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Marcel Prawy in Ausbildung

06.10.20 - SALOME - staatsoper

strauss' meisterwerk nach oscar wilde wird wieder an der staatsoper aufgeführt. am dienstag war eine durchaus gute vorstellung zu hören. geleitet wurde ein großartig aufspielendes orchester der wiener staatsoper von alexander soddy. bei den sängern fällt die bilanz zwiespältiger aus.

vida miknevičiūté als salome debütiert mit dieser serie in wien. die litauerin verfügt über einen dramatischen sopran, der in den fortestellen das haus erzittern läßt, jedoch ist bei den feinen pianopassagen noch luft nach oben. schauspielerisch hat sie ebenfalls noch defizite. carlos osuna war als narraboth kaum zu hören.

als herodias lieferte marina prudenskaya einen gelungenen auftritt, ihr gatte herodes wurde von vincent wolfsteiner gesungen. sein tenor ist für diese partie, die für einen charaktertenor geschrieben wurde, etwas zu tief. dass er also von den großen partien die schwächste leistung lieferte, ist nicht seine schuld, er ist schlicht fehlbesetzt. auch beim schauspielerischen ausdruck hinkt er großen kollegen hinterher.

der star des abends und zugleich retter des niveaus desselben war tomasz konieczny als jochanaan. die partie, mit der diese oper steht oder eben oft fällt, sang er furchterregend durchdringend. schon aus der zisterne dröhnte er wie kaum ein kollege auf der offenen bühne. zwar ist das eine oder andere knödel zu hören, doch gehört das bei ihm schon zum guten ton. unterm strich einer der beeindruckendsten jochanaans, die ich gehört habe, wenn nicht ohnehin der beste. zur sicherheit geh ich am samstag nochmal, um dies zu überprüfen.

aus der fülle der kleineren partien stachen thomas ebenstein (charaktertenor im ensemble, herr direktor!) als erster jude, wolfgang bankl als erster soldat und margaret plummer als page positiv heraus.

"salome" wird noch heute und am samstag gespielt.

bearbeitet von Marco Lecco-Mio

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Salome, Richard Strauss
 
Ein besonderes Klangerlebnis war die gestrige Salome in der Wiener Staatsoper!
Der großartige Alexander Soddy am Pult führte das Staatsopern Orchester zu einer wahren Meisterleistung. Detailverliebt, energisch, gefühlvoll, das Geschehen stets vorwärtstreibend, einfach mitreissend und zu jedem Zeitpunkt mit der Bühne verbunden agierte der Meister mit dem besten Orchester der Welt. Einfach großartig!
In der Titelpartie war Vida Mikneviciute zu erleben. Sie präsentierte einen hochdramatischen, silbrigen Sopran welcher das Haus erzittern lässt. Im Finale brillierte sie ganz besonders. In den lyrischen Passagen fehlt es ihr aber etwas an Ausdruck, die Piani sind nicht ihr Metier (kein Vergleich z.B. mit der großartigen Marlis Petersen im Theater an der Wien zu Beginn des Jahres). Darstellerisch interpretierte sie die Rolle auf eine ungewöhnliche Art, ohne großen Wahn, ohne auffällige jugendliche Trotzigkeit. Soziopathisch wirkte sie, am Ende hatte man fast das Gefühl, dass sie gar nicht weiß was sie jetzt mit diesem Kopf anstellen soll. Ein durchaus interessanter Zugang, auch wenn man sich mehr Interaktion mit Herodes wünschen würde und beim Schleiertanz gewisse Defizite nicht zu übersehen waren (aber sie ist Sängerin, keine Tänzerin!).
Vincent Wolfsteiner als Herodes und Marina Prudenskaya als seine Gattin Herodias bestachen durch Präsenz und aktives, auffälliges Schauspiel, waren auch stimmlich voll auf der Höhe.
Von den kleineren Partien waren Clemens Unterreiner und Wolfgang Bankl besonders positiv aufgefallen. Sie gestalteten den Ersten und Zweiten Soldaten mit Bravour. Abgestunken ist hingegen Josh Lovell als Narraboth. Er hatte bei seinem Rollendebut große Probleme mit der Größe des Hauses und des Orchesters, ist auch kein besonders guter Schauspieler - der Selbstmord war fast lustig anzusehen.
Gesanglich war Kammersänger Tomasz Konieczny als Jochanaan der Star des Abends. Sein durchdringender Bassbariton überwand auch aus den Tiefen der Zisterne mühelos das große Orchester. Seine besondere Stimme ist für diese Partie wie gemalt. Er hatte sichtlich Spaß an der Arbeit und spielte den Propheten auch beeindruckend.
Noch immer sehr sehenswert ist die 50 Jahre alte, gelungene Inszenierung mit tollen Kostümen und einem wirklich schönen Bühnenbild (Jürgen Rose) von Boleslaw Barlog.
Es war wieder ein schöner Abend in der Wiener Staatsoper. Das Publikum hielt am Ende den Atem an, erst etliche Sekunden nach dem der letzte Ton verhallte brachen der Applaus und die Jubelrufe los.
 

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Marcel Prawy in Ausbildung
10.10.20 - SALOME - staatsoper
 
am samstag ging die letzte vorstellung der ersten salome-serie der saison 2020/21 über die bühne der wiener staatsoper. wie schon von der zweiten aufführung ist zwiespältiges zu berichten. aus dem graben kam ein wahrer sturm des orchesters der wiener staatsoper, das von alexander soddy meist zu dröhnendem forte angeleitet wurde, dabei aber auch auf die feinen stellen nicht vergessen wurde. nicht alle sänger kamen mit der lautstärke zurecht.
 
anzuführen wäre hier der für den ebenfalls schwachen carlos osuna eingesprungene josh lovell, der sich nicht in szene setzen konnte, weder sängerisch noch schauspielerisch. anzuführen ist hier leider auch die salome dieser serie, vida mikneviciute, die einzig in dramatischen passagen einigermaßen glänzen konnte, doch auch dort viel zu unstet sang, kaum ein ton, der ohne vibrato gehalten werden konnte. sehr schwach präsentierte sich die litauerin in den pianopassagen, hier wurden töne unnötig forciert und konnte keinerlei spannung aufgebaut werden, obwohl die musik aus dem graben wahrlich nicht mit unterstützung geizte. 
 
marina prudenskaya als herodias gelang ein solider abend, wie schon ein paar tage zuvor war sie ein pluspunkt der aufführung, den ganz großen glanz blieb sie über beide besuchten vorstellungen gesehen aber schuldig. vincent wolfsteiner konnte sich im vergleich zur dienstags-vorstellung steigern, doch erneut sei eine lanze für die besetzung eines charaktertenors gebrochen. ein solcher kann durch sein schnarren die weinerlich- und ängstlichkeit der figur stimmlich ausdrücken, während er schauspielerisch könig bleiben könnte. wolfsteiner muss den herodes umgekehrt anlegen, denn sein heldentenor läßt diese karikatur eines königs kaum zu, während er diese versuchen muss, im schauspiel unterzubringen, was nicht immer gelingt. so lacht er über die prophezeiungen des jochanaan, wo er doch schon zuvor einen weisen mann, der von gott berührt wurde, in dem propheten erkannt hat. jammern auf hohem niveau, beim herodes messe ich so lange alle an moritz ablinger-sperrhacke, bis ich einen besseren erlebt habe. 
 
erneut der strahlende held der vorstellung war tomasz konieczny als kraftvoller und doch feinsinniger jochanaan, der eindringlich warnen, aber auch donnernd drohen konnte. das eindrückliche "du bist verflucht" wurde jedoch fast von der wucht des dirigats fortgeweht. von den kleineren partien muss man wolfgang bankl und clemens unterreiner als soldaten, thomas ebenstein als ersten juden, sowie die kurzfristig für amanda plummer als page eingesprungene stephanie houtzeel hervorheben. eine neue salome-serie wird es im jänner geben. mein nächster besuch in der staatsoper wird wohl erst wieder am samstag zu "don pasquale" sein, unwahrscheinlich, dass ich davor eine "entführung aus dem serail" schaffe. 
 

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Don Carlos, Giuseppe Verdi
französisch, Urfassung
 
Verdis große Oper Don Carlos in der französischen Urfassung war gestern Abend ein großer Erfolg des Kollektivs. Das Ensemble agierte in den 5 Stunden durchwegs auf sehr hohem Niveau. Die ungeliebte "Skandalinszenierung" von Peter Konwitschny tat der Freude des Publikums über das Gesehene keinen Abbruch.
Die "Aufreger" der Inszenierung aus dem Jahr 2004 sind eigentlich keine. Sowohl das Ballett "Ebolis Traum", welches zu einer pantomimischen Darbietung von 4 Hauptdarstellern in Richtung "spießbürgerliches Eheglück in der 1970ern" umfunktioniert wurde, wie auch das in die Gegenwart verlegte und als Event der Staatsoper (inklusive Videoeinspielung aus den Pausenräumen, da die Coronamaßnahmen eine Begegnung mit den Zusehern nicht möglich macht) maskierte Autodafe (Ketzer-Verurteilung und Verbrennung) sind zum Einen eine willkommene Auflockerung und zum Anderen das Highlight der Regieideen. Die Kostüme und Choreographien sind wohldurchdacht und gut anzusehen, das Bühnenbild bedeutungsschwanger und fad. Ein Hoffnungspflänzchen an der Bühnenkante vor einem Raum welcher mit weißen Wänden umgeben ist, viele Türen durch die man nur gebückt durchtreten kann, auch wenn man ein König ist und wo sich erst am Ende ein großer Durchgang auftut, wenn der alte Mönch/Kaiser das zum Tode verurteilte Paar rettet und aufrecht in eine bessere Welt führt. Einzig bei der viel kritisierten Ballettszene wird eine kleine (Spießbürger)Wohnung im 70er-Jahre - Stil als Kulisse präsentiert.
Da wäre in einem so großen Haus wesentlich mehr drin gewesen. Aber der Regisseur wollte eben gar nicht mehr.
 
Die Monumentalversion, also die Urfassung Verdis, welche von Bertrand de Billy akribisch rekonstruiert wurde, ist sehr interessant anzuhören. Sie ist etwas weicher, filigraner als die überarbeitete, italienische Version und für Liebhaber ist die Überlänge auch attraktiv.
Bertrand de Billy dirigierte das Staatsopern Orchester auch selbst. Er führte das Orchester mit Schwung und Kraft, zeigte auch Gefühl in den geeigneten Passagen, ab und an gingen die Pferde durch was sich dann in der Lautstärke bemerkbar machte, aber für die SängerInnen kein großes Problem darstellte.
Wie so oft muss man bei Verdi die herrlichen Chöre erwähnen und wie so oft war der Chor der Wiener Staatsoper in Hochform, ebenso wie jener der Opernschule.
Jonas Kaufmann sang und spielte die Titelpartie, aber er war nicht der Star der Aufführung. Er fügte sich in die Riege der tollen DarstellerInnen ein, glänzte mit seinen einzigartigen Piani und brillierte vor allem im letzten Duett. Ansonsten hatte er einen schweren Stand, im Vergleich zu seinem Bühnenpartner "Rodrigue" und den beiden Damen in den großen Partien. Seine Freude an der Arbeit sowie seine darstellerische Qualität machte er auch beim "Ballett" - Zwischenspiel deutlich.
Philippe II. gab Michele Pertusi. Er sprang für den an Covid19 erkrankten Abdrazakov ein und war ein guter Ersatz. Der Monolog im letzten Akt ist ihm sehr gut gelungen und auch darstellerisch wußte er zu gefallen.
Die beiden weiblichen Hauptpartien waren mit Malin Byström als Elisabeth und Eve-Maud Hubeaux als Eboli großartig besetzt. Der Höhepunkt der herausfordernden Partie der Elisabeth ist die große Arie im fünften Akt, nach fast 5 Stunden. Byström überzeugte mit ihrer wunderschönen Stimmfärbung sowohl im ersten Akt beim Liebesduett, wie auch bei ihrer Arie im letzten Akt und war über die gesamte Dauer hinweg gesanglich wie darstellerisch immer auf hohem Niveau unterwegs.
Wahrlich grandios performte Hubeaux. Schon bei der Schleierszene beeindruckte sie mit wunderbaren Koloraturen, danach steigerte sie sich noch weiter und überzeugte auf allen Linien. Verdienten Jubel gab es für sie, sowohl nach der Vorstellung wie auch schon während dieser nach ihrer Arie "O don fatale". Eine Glanzleistung!
Virginie Verrez war eine sehr gute Thibault und Robert Bartneck überzeugte in Doppelrolle als Graf von Lerma und Herold.
Roberto Scanduzzi gab den Großinquisitor furchterregend.
Großartig war Dan Paul Dumitrescu. mit sonorer, einfühlsamer aber kräftiger Stimme und mit sympathischen Spiel verzauberte er in seinen kurzen Szenen das Publikum als Mönch/Kaiser Karl V..
Der gesangliche Höhepunkt des Abends, auch mit dem größten Jubel bedacht, war Igor Golovatenko als Rodrigue. Ein satter Bariton mit beeindruckenden Höhen und unglaublichem Volumen. Nie kam ein angestrengter Ton aus seiner Kehle, nie hatte er Probleme über das Orchester zu singen, ganz egal wie sehr dieses aufdrehte. Und auch sein Spiel war auf den Punkt, stets agierte er mit vollem Einsatz und war voll in der Rolle.
 
Eine große Oper, ein großer Abend!

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Marcel Prawy in Ausbildung

17.10.20 - DON PASQUALE - staatsoper

gaetano donizettis hinreissende oper "don pasquale" wird derzeit wieder in einer ebenso hinreissenden inszenierung von irina brook in wien gespielt. bei der gestrigen aufführung glänzte einiges, gold war jedoch bei weitem nicht alles. marco armiliato leitete das orchester der wiener staatsoper und legte gleich flott los, jedoch konnten ihm die bläser, diesmal waren es die flöten, nicht immer folgen. dies besserte sich, sobald orchester und dirigent ein paar minuten gelegenheit gehabt hatten, zu einer einheit zu werden. 
 
als don pasquale war für diese serie, meiner erinnerung nach, michele pertusi vorgesehen gewesen. für ihn tritt nicola alaimo in wien als heiratswilliger senior auf und konnte sich anfangs überhaupt nicht gegen das ohnehin sparsam besetzte orchester durchsetzen. dies besserte sich im laufe der aufführung, was aber an armiliato lag, der die musik bei alaimos passagen deutlich zurücknahm. ihm zur seite stand ihm als diener eduard wesener. 
 
wie gewohnt präsentierte sich der in wien altbekannte bariton adam plachetka als malatesta eher polternd und im belcanto etwas unbeweglich. aber wie gewohnt konnte er das mit überbordendem schauspiel wettmachen und heimste wieder einmal großen applaus ein. als sein komplize in gestalt des notars ist in dieser serie erstmals nicht wolfram igor derntl zu hören, sondern das neue ensemblemitglied stefan asthakov. dieser verfügt über einen satten bariton und legt die kleine partie somit eine deutliche spur seriöser an als sein tenoriger kollege. sehr schön war auch sein komödiantisches talent zu sehen, das ein wenig an stan laurel erinnerte. 
 
als ernesto war dmitry korchak zu hören. der russe, der diese partie hier schon oft gesungen hat, war hörbar verkühlt, ließ sich aber nicht ansagen. und so nahm er sich die freiheit, spitzentöne abzukürzen, während seine stimme im piano heiser klang. nach "com'e gentil" ließ marco armiliato nahtlos weiterspielen, was den zögerlich einsetzenden applaus sofort wieder abwürgte. sollte sich korchak innerhalb der nächsten tage erholen, wird er sich auch in dieser serie deutlich verbessern.
 
nachdem nun die männlichen partien ihre ersten minuten allesamt zum einsingen genutzt hatten, trat slávka zámečníková in der partie der norina in erscheinung und präsentierte sich gleich unbeweglich in den koloraturen, was einen bitteren verlauf der aufführung befürchten ließ, jedoch legte sich ihre aufregung ziemlich bald. plötzlich saßen die spitzentöne und die flexibilität und so wurde ihr auftritt das highlight des abends und schien auch ihre kollegen mitzuziehen, die ja mittlerweile eingesungen waren. als ihre kammerfrau war waltraud barton zu sehen. 
 
am ende war es nach den anfänglichen schwierigkeiten also doch noch eine insgesamt gelungene aufführung von "don pasquale". in der kommenden woche werden noch zwei vorstellungen in dieser besetzung gespielt und nachdem das ensemble nun gelegenheit hatte, zusammenzufinden, darf man sich bei einem besuch wohl auf einen schönen abend freuen. lustig ist die oper ohnehin und bestens geeignet, sich oder den nachwuchs an das metier heranzuführen.
 
bearbeitet von Marco Lecco-Mio

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Porgy and Bess, George Gershwin
 
Ganz andere Klänge als gewohnt gab es gestern Abend im Theater an der Wien zu hören. Die Folk-Oper von George Gershwin, ein wahres Meisterwerk mit einigen Alltime-Hits wie "Summertime", "I loves you, Porgy", "I got plenty o' nothin", bietet neben klassischen Tönen auch Jazz, Blues, Gospel und Spirituals. Aber es bleibt eine Oper. Die Geschichte um eine afroamerikanische Gemeinde in der Mitte des 19. Jhdts. bietet alles was eine Oper haben muss: Mord und Totschlag, Liebe, Tragödie, große Gefühle, viele Tote und sie ist durchkomponiert. Ein großer Vorzug ist auch, dass die Themen Armut und Rassismus wohl leider für alle Zeit aktuell sind.
So spielt die hervorragend gelungene Inszenierung nicht im Amerika des vorletzten Jahrhunderts, sondern im Jetzt und Irgendwo. Das fällt aber nicht weiter auf, Regisseur Matthew Wild erzählt einfach die Geschichte, ganz ohne Adaptionen und ohne etwas zwanghaft ins Heute zu schleppen. Das Bühnenbild ist ein Containerdorf wie es überall enstehen könnte, die Insel für das Picknick ist eine Halde von Altkleidern, die Kostüme bunt und divers, Licht und Schattenspiele wunderbar eingearbeitet. Eine außergewöhnlich gute Inszenierung, vom Ensemble großartig umgesetzt, ein Meisterwerk!
Das Wiener Kammer Orchester - special extended, also um einige jazzerfahrene Musiker erweitert, spielte groß auf und bot eine bemerkenswerte Leistung. Geführt von Wayne Marshall war vom ersten Takt an viel Schwung in der Musik. Das Lebensgefühl, die Emotionen wurden wunderbar transportiert, die SängerInnen toll begleitet und in den wichtigen Momenten wurde auch die Lautstärke reduziert um den Stimmen noch mehr Kraft und Präsenz zu geben.
Und die Stimmen waren präsent. Es war ein Feuerwerk an großen Stimmen, das gesamte Ensemble überzeugte auf ganzer Linie.
Abgesehen von den beiden Polizisten in Sprechrollen bestand das ganze Ensemble, wie von Gershwin gewünscht, aus schwarzen Darstellern. Und man muss diesem Ensemble einfach gratulieren, es harmonierte hervorragend und bot auch darstellerisch einen außergewöhnlichen Abend. Lebensfreude und Energie wurden da direkt auf den Zuhörer/seher übertragen, Trauer und Mitgefühl ausgelöst.
Zwakele Tshabalala war ein darstellerisch hervorragender Drogendealer Sportin' Life, ein großartiger Schauspieler der auch sehr gut singen kann.
Ryan Speedo Green kennen wir aus der Wiener Staatsoper, er verfügt über eine wunderschöne Stimme und überzeugte als Jake auf allen Linien.
Tichina Vaughn war als Maria ebenso toll wie Mary Elizabeth Williams als Serena.
Norman Garrett gab den Mörder und Vergewaltiger Crown. Unsympathisch, überheblich, brutal, wie es sich gehört und mit einer wunderbaren Stimme ausgestattet.
Brandie Sutton war als Clara auf der Bühne zu erleben. Sie hat die schwierige Aufgabe den Abend mit "Summertime" zu eröffnen mit Bravour gelöst. Es ist sicher eine sehr schwere Aufgabe den größten Hit des Stücks, auf den alle gespannt warten, gleich zu Beginn vortragen zu müssen. Brandie Sutton schaffte es die Zuschauer sofort in den Bann des Stückes zu ziehen. Dass sie nicht nur eine großartige Sängerin sondern auch eine hervorragende Schauspielerin ist erlebt man dann im Laufe des Abends immer wieder, insbesondere im letzten Akt.
In den Titelpartien waren Eric Greene als Porgy und Jeanine De Bique als Bess zu erleben.
Jeanine de Bique verfügt über eine große Stimme und hervorragende Stimmführung, sie reisst einen mit ihrem schön timbrierten Sopran mit, bei "I loves you, Porgy" ebenso wie beim späten "Summertime" nach Claras Tod, großartig ihre Duette mit Porgy. Wunderbar sieht sie aus und überzeugend spielt sie die hin und hergerissene Drogensüchtige.
Eric Greene war ein Porgy der nicht den hilflosen Krüppel gab, dazu ist er einfach zu stattlich, zu groß, zu kräftig. Aber seine Interpretation der Rolle bringt eine sympathische Dynamik in das Stück, ein stolzer Mann trotz seines Handicaps. Seine darstellerische Leistung war ein wahres Erlebnis und ein Highlight des Abends. Die absolute Krönung war aber seine Stimme. Der Bariton füllt das Haus spielerisch leicht aus, singt locker über die volle Lautstärke des Orchesters hinweg, geht nie an seine Grenzen, erklingt in den kraftvollen und lautesten Passagen immer noch voller Samt in der Stimme - ein Erlebnis!
Am Ende gab es großen Jubel für alle Beteiligten, am lautesten bei den beiden Hauptdarstellern und dem Orchester.
 
Die Oper wird noch 4 Tage lang allabendlich aufgeführt, ein Besuch ist dringend empfohlen.
 

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Marcel Prawy in Ausbildung

26.10.20 - DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL - staatsoper

 
glaubte man den kritikern der premiere, mußte man beim besuch einer vorstellung dieser serie auf einiges gefaßt sein. am ende war nicht alles ganz so schlimm, "martern aller arten" mußte der zuhörer trotzdem erdulden, wenn er denn genauer hinhörte und -sah. wenigstens wurde man olfaktorisch verschont. die idee, den sänger_innen schauspieler_innen für die gesprochenen passagen zur seite zu stellen, ist an sich nicht so schlecht, doch muss man deswegen nicht derart gezwungen am text herumdoktern, dabei kann man in der oper immer nur verlieren. verantwortlich: hans neuenfels.
 
musikalisch geleitet wurde der abend von antonello manacorda und der legte dabei ein tempo vor, dem nicht immer alle folgen konnten und das auch nicht den sängern diente. die leichtigkeit, die mozart auszeichnet, war bei ihm leider nicht zu hören, dafür eher gehetze. in den kritiken der premiere nicht gut weggekommen ist goran juric, der den osmin gesungen hat. mir hat er gestern nicht so schlecht gefallen, einzig bei den schnelleren passagen ging ihm schnell die puste aus. der schauspieler an seiner seite, andreas grötzinger sprach mit deutlichem bundesdeutschen akzent. 
 
ebenso hörbar aus deutschland stammend klang der ruhrpottler christian natter, wohingegen der sänger der partie des belmonte, daniel behle, die sprechstellen sicher mindestens genau so gut absolviert hätte. er, von den kritiken gelobt, konnte mich nur bedingt überzeugen. zwar verfügt er über eine wunderschöne stimme, doch ist diese ein wenig klein für das haus am ring. 
 
akzentfrei deutsch sprach der schauspieler des pedrillo, der in wien sozialisierte ludwig blochberger, der sänger dieser partie war michael laurenz, der dabei überzeugen konnte. stella roberts war die schauspielerin der blonden, die von regula mühlemann mehr schlecht als recht gesungen wurde. mühlemann hat ein für die wiener staatsoper deutlich zu kleines organ, weshalb sie ständig forcieren muss. das alles hätte dem neuen direktor klar sein müssen, es war sein erklärter wunsch, dass mühlemann nach wien kommt, um dort maria nazarova zu ersetzen, traurig.
 
eine gute leistung konnte die schauspielerin der konstanze, emanuela von frankenberg zeigen. die sängerin dieser partie war lisette oropesa und sie wurde vom publikum gestern beinahe frenetisch gefeiert und ihre leistung war auf den ersten blick auch großartig, hörte man jedoch genauer hin, bemerkte man knödeln in den tiefen lagen und heiser und eng klingende höhen. ihr stimmumfang ist trotzdem beeindruckend. 
 
eine unterirdische schauspielerische leistung zeigte christian nickel als bassa selim und an seiner besetzung wird das versagen der direktion, die diese inszenierung und diese besetzung zu verantworten hat, am offenbarsten. an den bundestheatern gäbe es zuhauf leute, die akzentfreies deutsch, das man in deutschland offenbar nirgends notwendig hat, sprechen. man muss niemanden besetzen, der locker von einem sänger an die wand gespielt wird, das betrifft so manche besetzung. christian nickel legte den bassa selim als eine am wahnsinn entlang irrlichternde burgtheater-shakespeare-figur an, krächzte dabei, dass es ein graus war, keine adelige erhabenheit, keinerlei würde, eine karikatur eines bassa selim. 
 
die premierenserie von mozarts "entführung aus dem serail" ging gestern mit ebendieser vorstellung zu ende und das ist gut so, ich darf mich auf einen vielversprechenderen "eugen onegin" am samstag freuen.
 
bearbeitet von Marco Lecco-Mio

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  • 1 month later...
Marcel Prawy in Ausbildung
Gorer schrieb vor 19 Minuten:

Tosca heute live als Stream von der Staatsoper. Von der Besetzung her sollte es wert sein es anzuschauen, denke ich.

fixtermin vorgemerkt. tosca ist tricky, über die besetzung werd ich danach den stab brechen. 

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Baltic Cup Champion
Gorer schrieb vor 1 Stunde:

Tosca heute live als Stream von der Staatsoper. Von der Besetzung her sollte es wert sein es anzuschauen, denke ich.

 

Wird auch in ORF III ab 20:15 Uhr gezeigt.

Wir wären in der Loge 13 dabei gewesen. Eine Vorstellung um die mir besonders leid tut. :(

 

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Ministry of Sound
halbe südfront schrieb vor einer Stunde:

 

Wird auch in ORF III ab 20:15 Uhr gezeigt.

Wir wären in der Loge 13 dabei gewesen. Eine Vorstellung um die mir besonders leid tut. :(

 

Stimmt, aber dann halt nur zeitversetzt. Ah schade, das wäre sicherlich ein Erlebnis gewesen.

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Marcel Prawy in Ausbildung
halbe südfront schrieb vor 4 Stunden:

Loge 13

wie der direktor, reschbeggt.

13.12.20 - TOSCA - liveübertragung aus der staatsoper

na gut, mach ma's kurz: sensationelles dirigat und absoluter höhepunkt des abends dank dem musikalischen leiter bertrand de billy. 
der mesner wird mehr und mehr zur leibpartie von wolfgang bankl. stimmlich absolut überzeugend wie immer, dazu ein eher an rumetz', denn als an jener schauspielerischen interpretation des unvergessenen alfred sramek angelehntes spiel, was mir persönlich eher kombiniert.
gut auch evgeny solodovnikov als carlo ancelotti, wenn auch schauspierisch noch luft nach oben ist. 
der baron scarpia von wolfgang koch überzeugte vor allem im ersten akt, im zweiten wurde es schon eng und so war es denn auch schon an der zeit, dass der bösewicht das zeitliche segnet. sängerisch gut, schauspielerisch auch bei ihm noch nicht aller tage abend.
 
donna anna mit einem ersten akt des einsingens, gute und volle tiefen, in der höhe wird es dann langsam eng. im zweiten akt ein wirklich ausgezeichnetes "vissi d'arte", ihr sängerischer höhepunkt. schauspielerisch ist sie aber noch lange keine tosca, wie ich sie mir vorstelle, hier hat sie noch viel, viel konkurrenz. im dritten akt wirkte die stimme leicht angeschlagen, doch gibt sie bis zuletzt alles und liefert unterm strich eine ganz gute erste tosca in wien, ein vergleich mit manch einer in dieser partie bereits erprobten kollegin ihrer güteklasse sei ihr aber lieber erspart.
 
ihr gatte yusif eyvazov zeigt sich anfangs schauspielerisch zwar enorm verbessert, von einem opernschauspieler des 21. jahrhunderts ist er aber natürlich weiterhin meilenweit entfernt und je länger der abend dauert, desto mehr verfällt er in alte muster. das "vittoria!" war diesbezüglich geradezu lächerlich. als sänger war er technisch immer schon gut, seine stimme ist mir persönlich etwas zu trocken. der dem wirklich großen tenor eigene schmelz fehlt ihm. die wichtige arie im dritten akt, "e lucevan le stelle", interpretiert er anders als die meisten kollegen. bedächtiger, die leisen stellen fehlen aber, ein einheitliches forte dominiert. fehlerfrei, aber grobschlächtig. fürs sterben gibts auch keinen oscar. 
 
fazit: ein dirigat zum niederknien, richtig gut besetzte nebenrollen, ein adäquater scarpia. in den beiden grossen partien ein erwartungsgemäß durchschnittlicher yusif eyvazov und eine überraschend durchschnittliche anna netrebko. 
bearbeitet von Marco Lecco-Mio

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