Rudolf Mütz - der vergessene Präsident


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Botaniker

Ich eröffne diesen Thread um ein Thema, abseits des tagesaktuellen Geschehens, zu bearbeiten, das mich seit gestern in seinen Bann gezogen hat.

 

Ich hab gestern mal wieder die Admira-Chronik von Bernhard Garaus durchgeblättert, und bin dabei auf einen Mann gestoßen, dessen Name mir bis dahin nie bewußt untergekommen ist.

Rudolf Mütz war Direktor der Pollakwerke, die die Admira in den ersten Jahrzehnten unterstützt haben, und (soweit ich das bis jetzt herausgefunden habe) von 1924-1930 Präsident und Manager der Admira. Er hat die goldenen Jahre mit Siegl, Runge, Stoiber, Schall, ( := ), Janda, Koch und anderen eingeleitet und war damit für den Aufstieg zur österreichischen Spitze verantwortlich, ohne den die Admira wahrscheinlich längst den Weg anderer Wiener Vereine aus dieser Zeit, wie Hertha, Rudolfshügel oder Libertas in die Vergessenheit angetreten hätte.

Als Jude ist er nach dem Anschluß zunächst nach Jugoslawien geflohen, und wurde nach den spärlichen Quellen, die ich bis jetzt gefunden habe, 1943 in einem KZ (welches, hab ich auch noch nicht herausgefunden) ermordet.

Mich hat das an die Geschichte von Kurt Landauer, den Präsidenten von Bayern München, unter dem sie in den 30ern ihre ersten Meistertitel feierten, erinnert, der ebenfalls nach dem Krieg in Vergessenheit geraten ist und dessen Andenken, durch die Initiative von Bayern-Fanclubs (ich glaub v.a. der "Schickeria München") erneuert wurde, was zu offiziellen Ehrungen durch den Verein und, ich glaube, auch einen ARD TV-Film geführt hat.

https://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Landauer

http://www.zeit.de/sport/2014-10/kurt-landauer-fc-bayern-film

https://www.11freunde.de/interview/wer-war-kurt-landauer

 

Ich erwarte jetzt keine ORF-Film über Rudolf Mütz, dazu ist die Admira heute nicht bedeutend genug, aber vielleicht können wir als Fans in einer ersten Phase alle möglichen Informationen über diesen Mann zusammentragen und das in weiterer Folge an den Verein für irgendeine Art von Ehrung herantragen.

Was ich bis jetzt seit gestern spärlich zusammengetragen habe:

Zitat

1909 übersiedelte die Admira auf die mittlere der "Pollak-Wiesen", einem Areal von drei, zwischen Schrebergärten und Zinshäusern gelegenen Grünflächen unweit der 1898 errichteten Textilfabrik Pollack's Söhne in der Jedleseer Jubiläumsgasse, heute Deublergasse 1-5. Der an die Fabrik grenzende, eingeplante Sportplatz wurde am 15. Oktober 1911 mit einem Spiel gegen den FC Ostmark eröffnet. Die Firma Pollak war auch Förderer des Klubs, und ihr Leiter, Direktor Rudolf Mütz, von 1924 bis 1930 Vereinspräsident, danach Ehrenpräsident. 

Zitat

Der "Anschluss" und die damit einhergehende Gleichschaltung des Wiener Fußballbetriebs im März 1938 brachten auch für die Admira einschneidende Veränderungen. Ihr langjähriger Gönner und Ehrenpräsident Rudolf Mütz wurde, da er jüdischer Herkunft war, seines Vermögens beraubt und musste, ebenso wie etwa WFV-Präsident Josef Gerö, nach Jugoslawien fliehen, wo Mütz nach der deutschen Besetzung im Jahr 1943 ermordet wurde.

https://www.wien.gv.at/wiki/index.php?title=Admira

 

Zitat

Nach Jugoslawien verschlug es im Übrigen eine Reihe "rassisch" verfolgter Fußballfunktionäre wie ÖFB-Kassier und Admira-Ehrenpräsident Rudolf Mütz und Austria-Manager Robert Lang, die nach dem deutschen Einmarsch 1941 ermordert wurden...

 

https://books.google.at/books?id=dHKCrsx7JH0C&pg=PA55&lpg=PA55&dq=rudolf+mütz+admira&source=bl&ots=5m7ymswEHG&sig=jbTx1Yzh-7dTn2HaxR2zRnR3Tn4&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwivgb_bmtrYAhUCApoKHT5YBfgQ6AEIOzAD#v=onepage&q=rudolf mütz admira&f=false

 

Zitat

Zum anderen galt die Admira wegen des Engagements der lokalen Fabrikbesitzer als »schwarzer« Klub. Denn Fabrikanten wie der später im KZ ermordete Pollak-Direktor Rudolf Mütz und mein Großvater, der eine kleine Heftklammern-Fabrik betrieb, oder christlich-soziale Beamte wie Hans Kotzaurek leiteten die gesamte Erste Republik hindurch den Verein.

 

http://www.ballesterer.at/heft/weitere-artikel/das-aus-fuer-die-graue-maus.html

Zitat

Rudolf Mütz

Geburtsdatum: 15.11.1879 in Wien

Letzter bekannter Wohnort:

1010 Wien, Riemerg. 14/10

Deportation

ehem. Jugoslawien/unbekanntes Lager am

Todesdatum

15.05.1943

http://www.lettertothestars.at/liste_opfer.php?numrowbegin=50&id=56815&action=search&searchterm=riemergasse&history=&locked=0

Die bedeutendste Quelle, an die ich leider aber noch nicht rangekommen bin, ist wohl dieser Artikel von Georg Spitaler und Admira-Intimus Matthias Marschik:

Rudolf Mütz - der vergessene Präsident, in: Eppel, Peter u.a. (Hg.) Wo die Wuchtel fliegt. Legendäre Orte des Wiener Fußballs. Ausstellungskatalog, Wien 2008, 66

aus dem Ausstellungskatalog der Ausstellung des Wien Museums anlässlich der Euro 2008

https://www.amazon.de/Wo-die-Wuchtel-fliegt-Legendäre/dp/3854094930

Vielleicht hat den ja wer; ich hab in der Zwischenzeit ein paar Quellen angezapft, um ihn zu bekommen. Ansonsten würde ich die Autoren auch mal direkt kontaktieren - sind ja keine ganz unbekannten. Gut, das ist jedenfalls das, was ich in der kurzen Zeit über Google zusammengetragen habe, aber vielleicht habt ihr ja irgendwo noch weitere Informationen? Vielleicht gibt es heute noch lebende Angehörige? 

bearbeitet von schallvogl

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Botaniker

Hier hab ich übrigens noch ein paar interessante Daten über die Firma Pollack (oder Pollak), bei der Mütz als Direktor gearbeitet hat.

http://www.ahnenwiki.at/produktkatalog/die-werke-der-wiener-firma-hps-hermann-pollack-soehne-c/

Gegründet als Textil-Zwischenhandel vom jüdischen Geschäftsmann Hermann Isak Hirsch Pollack in Südmähren

dann übernommen von seinem Sohn Leopold Freiherr Pollack von Parnegg der die Umstellung auf Textilproduktion mit zahlreichen Fabriken in der ganzen Monarchie vorgenommen hat

https://www.deutsche-biographie.de/sfz96714.html

stiftete 1906 den Kinderpavillon des Kaiser Franz Josef-Spitals in Wien

 

Die Firmenanteile gingen an seine 5 Söhne von denen Otto die Firma bis 1937 leitete (und damit wohl auch für die Admira-Unterstützung verantwortlich war). Allerdings könnte es auch dessen Bruder Friedrich gewesen sein:

cf. an article (included under "Media") which appeared in the Neue Freie Presse, Wien, on 18th. March 1930, Friedrich shot himself in his office at the firm, "Hermann Pollack & Söhne", founded by his paternal grandfather, of which he was co- director - together with his remaining brothers, Felix and Otto. It is pointed out, however, that Friedrich's main interests were his social and sporting pursuits ... He had gone into his own office at the firm prior to signing an important document and had not reappeared. No shot was heard but the door was found to be barricaded. When it was broken through, Friedrich was found lying in a pool of blood. He was rushed off to hospital with a life-threatening wound (and succumbed there are few days later clearly ...). He left a suicide note in which he have the motive as being the fact that he was suffering from a painful dysfunction of his nervous system.

https://www.geni.com/people/Friedrich-Pollack-von-Parnegg/6000000010011845571

 

Noch eine kleine Anekdote: die Ehefrau von Leopold Pollack war scheinbar eine Vorlage für eine Satirefigur in der Monarchie so wie Graf Bobby.

https://kurier.at/kultur/hats-den-grafen-bobby-wirklich-gegeben/822.491

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ASB-Halbgott

Ich habe den Band nicht, in der Bibliothek des jüdischen Museums in Wien gibt es aber ein Exemplar. Ist eine Präsenzbibliothek, aber für alle zugänglich, ein Kopiergerät gibt es dort auch. 

bearbeitet von Makew

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Botaniker

Ich hab von Matthias Marschik ein paar weitere Informationen bekommen:

Mütz war verheiratet und ließ sich 1938 von seiner "arischen" Frau scheiden, wohl um sie zu schützen.

Sie hat den Krieg überlebt und nach 1945 einen Restitutionsantrag gestellt.

Mehr weiß er leider auch nicht.

 

Weiß jemand hier, wie man relativ einfach an die Akten von Restitutionsverfahren aus den Jahren nach 45 herankommt. Am besten natürlich digitalisiert um mit der Stichwortsuche Zeit zu sparen?

 

Außerdem hat er mir geraten, mich nach Ing. Franz Tontur zu erkundigen. Mir ist der Name bisher nur als Autor des "3x25 Jahre"-Buchs von 1980 bekannt (Hat das wer? Gibts da weitere Infos über Mütz?).

Marschik meint, daß alles, was bei der Übersiedlung von Jedlesee in die Südstadt nicht weggeworfen wurde, von ihm aufbewahrt worden ist. Weiß jemand, ob es eine Witwe oder Kinder  vonTontur gibt, die noch einen Teil des Nachlasses haben könnten?

@halbe südfront ?

@pazzoragazzo ?

 

Ansonsten hab ich auch eine Anfrage an die IKG Wien geschickt, ob sie in ihrem Archiv weitere Informationen zu Mütz oder etwaigen Nachfahren haben.

Muetz.JPG

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Botaniker
BertlSF95 schrieb vor 29 Minuten:

Tontur kannte ich auch noch. Aber hat nicht mal S. Blumenschein ziemlich viel aus dem Archiv zu sich nach Hause genommen seinerzeit?

War er Architekt?
Google spuckt nämlich diesen Franz Tontur aus.

https://www.wien.gv.at/wiki/index.php/Franz_Tontur

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Baltic Cup Champion

Oh, der Herr Tontur. Ein großartiger Admiraner zu dem wir seinerzeit aufgesehen haben, da er alles über unseren Klub wußte, viel erzählen konnte und dies auch tat. Ich erinnere mich an wunderbare Auswärtsfahrten zu EC-Spielen zurück, wo er immer wieder schöne Geschichten unserer Admira erzählte. Er war auch immer sehr nett zu jungen Fans, selbst wenn sich die naturgemäß nicht immer gar so fein benommen haben. Er wurde von allen respektiert.
Von seinem Privatleben habe ich aber absolut keine Ahnung. Ich glaube aber, dass er in der Tat ein Archtitekt war.

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Spitzenspieler

Der ÖFB könnte auch etwas dazu wissen, Mütz war vor dem Krieg Kassier dort.

 

Unterlagen zu den Restitutionsverfahren sind im österreichischen Staatsarchiv einzusehen.

 

Bzw auch hier

 

http://www.provenienzforschung.gv.at/de/archiv/

bearbeitet von Zapatista

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Botaniker
halbe südfront schrieb vor 4 Minuten:

Oh, der Herr Tontur. Ein großartiger Admiraner zu dem wir seinerzeit aufgesehen haben, da er alles über unseren Klub wußte, viel erzählen konnte und dies auch tat. Ich erinnere mich an wunderbare Auswärtsfahrten zu EC-Spielen zurück, wo er immer wieder schöne Geschichten unserer Admira erzählte. Er war auch immer sehr nett zu jungen Fans, selbst wenn sich die naturgemäß nicht immer gar so fein benommen haben. Er wurde von allen respektiert.
Von seinem Privatleben habe ich aber absolut keine Ahnung. Ich glaube aber, dass er in der Tat ein Archtitekt war.

Hm, mein Schwiegervater ist Architekt. Ich werd ihn mal fragen, ob man irgendwie Namen von Angehörigen rausbekommen kann. Vielleicht über die Architektenkammer.

Sein Buch hast Du auch nicht, oder?

Zapatista schrieb vor 5 Minuten:

Der ÖFB könnte auch etwas dazu wissen, Mütz war vor dem Krieg Kassier dort.

Werd ihnen mal schreiben, aber ich fürchte fast, daß dort alles, was auf jüdische Funktionäre (außer natürlich Hugo Meisl) hingewiesen hat beim Anschluß nachhaltig ausradiert wurde.

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