Interview mit Ottmar Hitzfeld


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Die Meisterschaft ist Ottmar Hitzfeld und dem FC Bayern wohl nicht mehr zu nehmen. Der Vertrag des Meistertrainers an der Säbener Straße wurde kürzlich bis 2005 verlängert. Alles paletti beim Coach? Im Interview mit Karlheinz Wild nimmt er Stellung.

kicker: Herr Hitzfeld, kennen Sie die Sage von Phönix?

Ottmar Hitzfeld: Ja, in groben Zügen.

kicker: Mit Phönix vergleicht Sie Karl-Heinz Rummenigge. Um Ihre Wandlung nach dem Vorrunden-Aus in der Champions League herauszustellen. Sind Sie aus jener Enttäuschung aufgestiegen wie der sich im Feuer verjüngende Vogel, der zum Symbol ewiger Erneuerung wurde?

Hitzfeld: Ich sah mich seinerzeit im Herbst nicht am Boden. Und ich habe nie an meiner Arbeit gezweifelt. Schließlich hatten wir in der Bundesliga einen guten Vorsprung, also sah ich die Lage nicht so kritisch. Da wurde auch viel von bestimmten Medien konstruiert.

kicker: Nicht nur. Auch im Klub wurde über Ihre Arbeit diskutiert.

Hitzfeld: Das ist bei Misserfolgen normal.

kicker: Hat die Heimniederlage gegen Bremen Konsequenzen?

Hitzfeld: Ich werde mir überlegen, ob ich den einen oder anderen Stammspieler mal draußen lasse.

kicker: Uli Hoeneß sagte jüngst, Sie würden es gewiss nicht zugeben, hätten Ihre Arbeit aber verändert: Was machen Sie seither anders?

Hitzfeld: Ich arbeite immer gleich. Wenn die Champions League läuft, kann ich nicht so intensiv trainieren wie jetzt. Bei Reisestress muss man mehr regenerieren. Der ist jetzt weg, also habe ich das Programm umgestellt.

kicker: Haben Sie es doch geändert?

Hitzfeld: Nein. Ich arbeite situativ, ich bin kein Alibi-Trainer, der zur Show ein volles Programm durchzieht, damit die Außenwelt befriedigt ist - und anschließend bricht die Mannschaft ein. Ich dosiere, um erfolgreich zu sein.

kicker: Bemühen wir nochmals den Manager: Arbeiten Sie nun, wie er sagt, "enger an der Mannschaft" anstatt "immer nur neue Spieler zu fordern, wenn es nicht läuft"?

Hitzfeld: Man muss nicht jede Aussage auf die Goldwaage legen. Das Aus in der Champions League hing nicht damit zusammen, dass ich schlechter gearbeitet habe. Ich hatte nie ein schlechtes Gewissen.

kicker: Inwieweit fühlten Sie sich angesprochen, als Rummenigge das internationale Aus als Schande und Blamage bezeichnete?

Hitzfeld: Jeder wusste, dass es eine Blamage war. Jeder war enttäuscht.

kicker: An Weihnachten sagten Sie in einem kicker-Interview, menschlicher Führungsstil würde ausgenutzt. Waren Sie zu nett?

Hitzfeld: Ich bin immer gleich. Ich stelle immer hohe Ansprüche. Wenn die Mannschaft am Boden ist, bringt es jedoch nichts, auf sie einzuprügeln. Da muss ein Trainer Psychologe sein. Und wenn es gut läuft, muss man manchmal dazwischenhauen. Insgesamt bin ich immer streng zu den Spielern.

Ohne Geldstrafen geht es nicht

kicker: Pizarro und Ballack mussten 2003 happige Geldstrafen zahlen. Sind Sie seit jener internationalen Pleite eindeutig strenger?

Hitzfeld: Ohne Geldstrafen geht es nicht, nur mit Reden kommt man nicht weiter. Und Geldstrafen sind gerecht. Denn jeder Spieler achtet darauf, was in einer Mannschaft passiert, ob Disziplinlosigkeiten geahndet werden. Die Regeln müssen eingehalten werden. Geldstrafen habe ich schon vor 20 Jahren verhängt. Wenn jetzt, da es gut läuft, etwas passieren sollte, würde ich genauso reagieren.

kicker: Tun solche Finanzsanktionen den Spielern überhaupt weh?

Hitzfeld: Mein Motto lautet: Wehret den Anfängen! Wenn mich Pizarro angreift, schlage ich zurück. Und gerade jetzt, in guten Zeiten, muss ich noch mehr aufpassen, damit sich nichts einschleicht, was ich später nicht mehr rausbekomme aus der Mannschaft. Sonst habe ich Probleme, wenn es schlecht läuft.

kicker: Wie weit ist Ballack, abgesehen von seiner Verletzung, heute?

Hitzfeld: Er hat sich sehr gut integriert und bringt sich auch als Persönlichkeit gut ein. Er genießt die totale Akzeptanz der Mannschaft.

kicker: Ist er ein Führungsspieler?

Hitzfeld: Ja, er hat sich dazu entwickelt. Sein Wort zählt im Team.

Elber musste man unter Druck setzen

kicker: Elber teilten Sie mit, seine Weiterbeschäftigung bis 2004 mache nur bei entsprechender Leistung Sinn. Hat er verstanden?

Hitzfeld: Ich bin froh, dass ich Giovane einmal loben kann. Denn man musste ihn unter Druck setzen, damit er sich läuferisch steigerte; da hat er sich enorm verbessert. Er profitiert vom verstärkten Training. Und er hat seine Vorbildfunktion als Vizekapitän verinnerlicht. Er trug wesentlich bei zu unserem großen Vorsprung.

kicker: Warum schießt er auswärts so wenige Tore?

Hitzfeld: Weil er phasenweise körperliche Defizite hatte. Um sich durchzusetzen, braucht ein Spieler physische Robustheit. Er hatte auswärts zu viele Ballverluste und war nicht so kampfstark. Für jeden Spieler gilt die einfache Regel: Über den Kampf findet man zum Spiel. Auch Raúl und Zidane arbeiten für das Team. Da macht Elber gute Fortschritte.

kicker: Sein Vertrag endet 2004. Hat Elber eine Zukunft darüber hinaus?

Hitzfeld: Wenn seine Leistung stimmt, ist alles möglich.

kicker: Auch Scholls Kontrakt gilt bis 2004. Darf er länger bleiben?

Hitzfeld: Das ist möglich. Aber wir müssen seine physische Entwicklung abwarten. Er muss topfit werden, konstant spielen. Er war auf dem besten Weg, ehe diese Rückschläge kamen, unerwartet, weil wir keine große Belastung haben.

kicker: Also wird es in der kommenden Saison noch schwieriger.

Hitzfeld: Es wird nicht einfacher.

kicker: Was kann für Scholl nach dem FC Bayern noch kommen?

Hitzfeld: Er wird seine Karriere schon bei uns beenden; die Frage ist nur: wann.

kicker: Ebenfalls ein leider häufiger Patient ist Roque Santa Cruz. Ist er überhaupt robust genug für den Dauerstress im Profifußball?

Hitzfeld: Eine gewisse Verletzungsanfälligkeit ist bei ihm vorhanden. Roque zahlt Lehrgeld dafür, dass er schon mit 16, 17 Jahren bei Asuncion in der ersten Mannschaft spielte; als er noch im Wachstum war. Dadurch ist er anfälliger. Ich hoffe, dass wir das wieder hinbekommen. Mit zusätzlichem Training und Stabilisation zur Stärkung des Bandapparats und der Muskulatur.

kicker: Hat Claudio Pizarro seine Chance genutzt?

Hitzfeld: Mit seiner Leistung bin ich zufrieden. Er hat seine taktische Aufgabe als hängende Spitze erfüllt, wie bei Real Madrid Raúl. Pizarro ist jetzt körperlich gut drauf.

kicker: Hat er die 10 000-Euro-Lektion kapiert?

Hitzfeld: Das hat damit nichts zu tun. Jeder Spieler hat bei mir die Chance, sich einzubringen. Dazu bin ich Trainer, um die Spieler zu erziehen und das zu verlangen, was sich der Verein vorstellt.

kicker: Pizarro sieht sich als Stürmer. Wozu braucht der FC Bayern dann Miroslav Klose?

Hitzfeld: Klose war ein Thema wegen der Abwanderungsgedanken Elbers. Wir brauchen immer vier Topstürmer, vier Zentrumsspieler.

kicker: Halten die Bayern Klose überhaupt für gut genug?

Hitzfeld: Klose könnte bei Bayern erfolgreich spielen. Unsere Entscheidung hängt vom Bedarf ab. Bleibt Elber, reichen die Stürmer.

Hargreaves brachte uns spielerisch nicht weiter

kicker: Hargreaves, sagten Sie im Winter, habe zentral defensiv "die Erwartungen noch nicht erfüllt". Seither spielte er da sieben Mal, kicker-Notenschnitt 3,5. Wie weit ist er heute für diese zentrale Aufgabe?

Hitzfeld: Er ist ein Typ wie Salihamidzic, er hat viele Möglichkeiten, bei uns zu spielen. Er ist jung, muss Erfahrungen sammeln und beständiger werden. Er hat in den letzten zwei, drei Spielen keine so gute Leistung gezeigt und uns spielerisch nicht weitergebracht.

kicker: Was muss er verbessern?

Hitzfeld: Er muss im hohen Tempo präziser spielen, auch die Kurzpässe. Das ist eine Frage der Technik - der Übung.

kicker: Hat sich Sagnol, von Ihnen damals auch kritisiert, gesteigert?

Hitzfeld: Ihm hilft das intensivere Training. Da er nun physisch stärker ist, kommt seine Technik besser zur Geltung.

kicker: Wird sein bis 2004 gültiger Vertrag vorzeitig verlängert?

Hitzfeld: Dazu muss erst die Leistung stimmen; konstant. Er ist an einer Verlängerung interessiert.

kicker: Wie gut ist der vorübergehende Senkrechtstarter Bastian Schweinsteiger tatsächlich?

Hitzfeld: Unser Problem ist: Macht ein Spieler ein gutes Spiel, bekommt er Lobeshymnen wie ein Nationalspieler. Er hat sein Potenzial längst nicht ausgereizt.

kicker: Was fehlt ihm noch?

Hitzfeld: Er muss sich 90 Minuten konzentrieren. Aber er hat eine perfekte Technik, Ruhe am Ball und eine sehr gute Übersicht.

kicker: Welche Perspektiven hat ein Markus Feulner, dessen Konkurrenten rechts Sagnol, Salihamidzic, Hargreaves oder Scholl heißen?

Hitzfeld: Für Jugendspieler ist es schwer, sich gegen Nationalspieler durchzusetzen. Wieso sollten wir Spieler für zehn oder 20 Millionen kaufen, wenn wir die gleiche Qualität in der Jugend hätten.

kicker: Was bleibt dann für Feulner?

Hitzfeld: Ganz einfach: Er muss auf seine Chancen hoffen und sie nutzen. Und wir sind stolz, dass wir diese guten Talente haben.

kicker: Kommt zur nächsten Saison noch eine Granate, von der Rummenigge jüngst im kicker sprach?

Hitzfeld: Wenn das unter vernünftigen Konditionen möglich ist, sind wir bereit; dann greifen wir zu.

kicker: Für welche Position?

Hitzfeld: Mit einer präzisen Antwort würde ich etablierte Spieler in Frage stellen. Und: Es gibt aktuell keinen Bedarf, wir haben keinerlei Druck. Der Kader für die nächste Saison steht.

Oliver Kahn leidet unter dem Druck

kicker: Machen Sie sich Sorgen um den Torwart Oliver Kahn?

Hitzfeld: Der Druck auf ihn war sehr stark. Er leidet darunter.

kicker: Befürchten Sie negative Auswirkungen auf seine Leistungen?

Hitzfeld: Ich glaube, er weiß zu schätzen, welchen Wert er für Bayern besitzt. Und er weiß, welche Verpflichtung er gegenüber diesem Verein hat, welche Akzeptanz und welchen Rückhalt er hier erfährt.

kicker: Kahn, Effenberg, Elber, Scholl und andere standen für die große Bayern-Ära zur Jahrtausendwende. Welche Figuren sind für eine erfolgreiche Zukunft gefragt?

Hitzfeld: Kahn weiterhin. Ballack, Zé Roberto; die Jungen wie Santa Cruz, Hargreaves, Sagnol, Pizarro.

kicker: Wer ist der Leadertyp wie seinerzeit Effenberg?

Hitzfeld: Ballack. Obwohl man ihn nicht mit Effenberg vergleichen kann. Aber er hat eine Ausstrahlung in der Mannschaft.

kicker: Wie weit ist der personelle Umbruch hin zu einer neuen Bayern-Epoche vollzogen?

Hitzfeld: Wenn wir den Titel holen, ist dieser Umbruch auf hohem Niveau geschafft; national. International greifen wir in der kommenden Saison wieder an. In der Champions League wollen wir ins Finale kommen.

kicker: Was sagt die aktuelle Dominanz des FC Bayern über die Zukunft der Bundesliga aus?

Hitzfeld: Das ist nicht die Normalität, die Geschichte der Liga zeigt's.

kicker: Rummenigge wünscht sich künftig mehr Emotionen und starke Konkurrenz aus Dortmund, Schalke oder Berlin. Sie auch?

Hitzfeld: Mir ist ein deutlicher Vorsprung lieber.

kicker: Haben Sie im Winter einen so deutlichen Vorsprung erwartet?

Hitzfeld: Nein, das ist für mich eine Überraschung. Dahinter stecken eine tolle Leistung der Mannschaft und ihr guter Charakter.

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